Von Kopf bis Fuß

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Weil Essen neben
Schreiben meine größte Leidenschaft ist, konnte ich es mir natürlich nicht entgehen lassen, Vincent Fricke nach unserem Gespräch auch selbst in seinem Pop-Up Restaurant Fleischkonsum zu besuchen. Eine Kritik.

Das Nudo sieht heute ein bisschen anders aus. An der Wand hängen Bilder von Schweineköpfen, in der Vitrine liegen Schenkel. Das leicht veränderte Interieur hat einen Grund: Für insgesamt acht Tage ist das Pop-Up Restaurant Fleischkonsum hier zu Gast. Auf der Karte stehen deshalb statt Pasta diverse Innereien. Ganz schön viel Fleisch gegen übermäßigen Fleischkonsum – so hat Jungkoch Vincent Fricke mir seine Idee erklärt.

Doch kommen wir nun zum Wesentlichen, dem Menü: Den Anfang macht ein
Aperitif, der in diesem Fall ganz ohne Alkohol und flüssige
Konsistenz auskommt: zwei winzige Häppchen, die hübsch anzusehen
sind, aber nichts mit Fleisch zu tun haben. Dafür zeigen die
Miniaturbrote aber sehr schön, wie die gleiche Zutat bei anderer
Zubereitung völlig anders schmecken kann. Radieserl mit Kresse und
eingelegtes Radieserl haben geschmacklich nur noch wenig miteinander
gemein. Lecker ist beides.

Der erste Gang kommt in
einem kleinen Schälchen daher: knusprige Schweineohren-Streifen.
Weniger ein Gang als ein Snack. Und weil man ja immer sofort
überlegt, wonach das eigentlich gerade schmeckt, was man isst: Es
schmeckt wie die Kruste vom Schweinebraten. Mhmm.

Der zweite Gang ist der
erste Gang, bei dem ich ein wirkliches Aha-Erlebnis habe.
Kalbsbackerl habe ich im vergangenen Winter selbst ab und zu
geschmort, aber die Schweinebacke ist für mich Neuland. Genauso wie
Kinn und Kiefermuskel. Wahrlich eine Hommage an das Hausschwein –
vor allem in Kombination mit dem leckeren Artischockenpüree!

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Auch der dritte Gang weiß
zu überraschen: Der Gurkensaft ist eher unspektakulär, der
Rettichschaum hat eine leicht irritierende Ziegennote – später
stellt sich heraus, dass Ziegenfrischkäse enthalten ist – dafür
ist aber das Knochenmark mit karamellisierten Zwiebeln eine echte
Entdeckung. Für alle, die eher skeptisch sind: Schmeckt wie
flüssig-cremiger Schweinebraten und zergeht im wahrsten Sinne des
Wortes auf der Zunge!

Mein persönlicher
Lieblingsgang ist dennoch der vierte Gang: Ravioli vom ganzen
Zicklein mit Kapern und kalter Tomatensoße aus grünen Tomaten.
Einziger Kritikpunkt: Das ganze Zicklein ist durch den Wolf gejagt,
weshalb einzelne Bestandteile nur zu erahnen sind und es nur der
Ziegen-Geschmack ist, den manche vielleicht stören könnte.
Trotzdem köstlich! Grüne Tomaten sind eh schon länger ein
Geheimtipp, weil sie weniger Säure als rote Tomaten enthalten, aber
auf eine kalte Soße bin ich in dieser Form selbst noch nicht
gekommen.

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Der fünfte Gang hält
mit Herz und Schwanz vom Rind wieder zwei echte Schmankerl bereit.
Und Steinpilze gehen sowieso immer. Das Roast Beef ist im Verhältnis
allerdings eher fad. Mag aber auch an der Konkurrenz liegen.

Kommen wir zum
wichtigsten Gang, wenn es nach mir geht: die Nachspeise. Auch die
kommt ohne Fleisch aus. Und es wäre übertrieben zu sagen, es sei
DIE beste Crème Brûlée, die ich je gegessen hätte, aber es ist
auf jeden Fall eine der besten.

Was ich mitnehme von
einem Abend voller Fleisch? Dass ich kulinarisch immer noch viel
lernen kann und das Essen einfach immer glücklich macht. Manchmal
hätte ich mir noch ausgefallenere Zutaten oder Zubereitungsarten
gewünscht. Andererseits ging es ja nicht darum, möglichst
ausgefallene Kreationen zu zaubern, sondern vielmehr zu zeigen, dass
auch Innereien was für Jedermann sein können. Großartig ist
deshalb, dass jeder eine Auswahl der Rezepte zum Mitnehmen
bekommt. Und wunderbar subtil schafft es Vincent Fricke, wieder
einen Bezug zwischen Tier und Nahrungsmittel herzustellen. Chapeau!

Wer mehr über Vincent erfahren möchte: http://jungeleute.sueddeutsche.de/post/149324362126/fleischeslust

Text: Jacqueline Lang

Fotos: VIncent Fricke und Alexandra Casper