VIP: Very Important Princesses

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Melanie ist Kammerzofe. Die Little Miss anzuziehen, ist nur einer ihrer neuen Arbeitsbereiche. Aufopferungsvoll sucht sie morgens die Schubladen nach einer Unterhose und einem Hemdchen ab, auf denen die gleiche Comic-Figur gedruckt ist.

Trotzdem fängt Little Miss an zu plärren: Die Rosatöne stimmen nicht überein, das zieht sie nicht an! Melanie seufzt. Sie hat jetzt eine Chefin, die ihr gerade so bis zu den Oberschenkeln reicht. Zwei Tage nach Melanies Ankunft in Australien fliegt die Mutter des Hauses weg und lässt das Au-pair mit den Kindern allein. Drei und sechs Jahre sind sie alt. Kleine Diven, die alles verschmähen, was nicht rosa oder lila ist. Noch bevor Melanie den Jetlag hinter sich hat, muss sie die „Very Important Princesses“ rund um die Uhr betreuen. Das hat sie sich anders vorgestellt.

Als Au-pair ist es seltsam, sagt auch Toni, als sie aus Edinburgh zurückkommt. Ich habe sie dort besucht und fand es gar nicht seltsam: Sie wohnte in einer wunderschönen Stadt, in einem wunderhübschen Haus, bei der Familie eines Theologieprofessors, der ständig interessante Leute zum Abendessen nach Hause brachte. Außerdem musste sie sich, im Gegensatz zu Melanie, immer nur ein paar Stunden um die Kinder kümmern. Eigentlich war es die perfekte Au-pair-Stelle. Nur das Au-pair-Sein, das war nie so ganz perfekt für Toni. Au-pair zu sein, ist immer etwas Widersprüchliches, sagt sie. Man ist weg von zu Hause und muss trotzdem sagen, wann man abends heimkommt. Man verdient Geld und ist doch nicht unabhängig. Und: Man wohnt bei einer fremden Familie, obwohl man selbst eine hat. Als Toni nach Deutschland zurückkehrt, hat sie die Einschulung ihrer jüngsten Schwester verpasst, die noch dazu plötzlich mit ihr fremdelt – seitdem wohnt sie wieder zu Hause.

Zu Hause, genau von dort wollte Melanie mal weg. Sie wollte nach dem Abi etwas anderes erleben als stures Lernen und bayerisches Dorfleben. Das tut sie gerade. Als sie die kleinen Prinzessinnen zum Schwimmunterricht karrt, erlebt sie den Höhepunkt der Andersartigkeit: Das Auto ist ungewohnt, die Gegend fremd, die Straßenseite die falsche und noch dazu schlägt ihre innere Uhr soeben Mitternacht. Als Melanie nach diesem Tag zu Hause bei Mama anruft, klingt es, als hätte sie eigentlich schon genug erlebt. Susanne Krause

Jugend: Das bedeutet Nestflucht. Raus aus der elterlichen Einbauküche, rein ins Leben. Nur dauert es dann nicht lange, bis man sich einen Pürierstab zum Geburtstag wünscht – oder Sehnsucht nach Mamas Gulasch hat. Eine Kolumne über das Zuhause, was auch immer das sein mag. „Bei Krause zu Hause“ erscheint im Wechsel mit der Kolumne „Beziehungsweise“.

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Geboren in der östlichsten Stadt Deutschlands, aufgewachsen in der oberbayrischen Provinz: Susanne Krause musste sich schon früh damit auseinandersetzen, wo eigentlich ihre Heimat ist – etwa wenn die bayrischen Kinder wissen wollten, was sie für eine Sprache spreche und wo „dieses Hochdeutschland“ sei.