Theorie langweilt

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Wohin nach der Schule oder nach dem Studium? Mit dieser Frage beschäftigte sich das Seminar „Perspektiven bilden“, organisiert von Münchner Ethnologie- und Pädagogik-Studenten. Um verschiedene Möglichkeiten und Lebenswege ging es im Juli im Allgäu, nicht nur für Studenten, sondern auch für fremde Teilnehmer außerhalb der Universität.

Wie geradlinig muss ein Lebenslauf eigentlich sein? Wie schnell muss man im Berufsleben angekommen sein? Das ist die Frage, die eine Gruppe junger Studenten so sehr beschäftigte, dass sie sie zum Thema einer eigenen Seminarwoche machte – außerhalb der Universität, auch mit fremden Teilnehmern. „Perspektiven bilden“ war nicht nur Titel, sondern auch Ziel ihres Projektes, das im Juli im Allgäu stattfand: Anderen ihre Möglichkeiten und verschiedene Lebenswege aufzeigen. Und mehr noch: Selbst lernen, wohin man will. Sich selbst ausprobieren. „Ein selbst designtes Praktikum“, wie es Mitorganisator Leonard Matz, 29, nennt.

Entstanden ist die Idee unter einer Gruppe von Ethnologie- und Pädagogik-Studenten aus München (Foto: Lorraine Hellwig). „Die Pädagogik-Seminare bei uns sind sehr theoretisch“, sagt Sophie Demeter, 24. Doch Praxisrelevanz, das wünschten sie sich. Also entschieden sich die Studenten, selbst aktiv zu werden und entwickelten im Freundeskreis die ersten Ansätze für ihr Seminar. Perspektiven, das ist sowieso ein Thema für sie. Im vergangenen halben Jahr, also in der heißen Phase des Projekts, schrieben die meisten von ihnen ihre Bachelorarbeiten oder hatten sie gerade abgegeben. Außerdem: „Jetzt sind wir noch alle in München“, sagt Johanna Abel, 23, „wann sonst könnten wir so ein Projekt noch zusammen auf die Beine stellen?“

Was jetzt? Nach dem erfolgreichen Abschluss des Projekts steht diese Frage für Sophie im Raum. Ihren Master Ethnologie möchte sie auf alle Fälle beenden. Doch wohin will sie beruflich? Mit Begeisterung erzählt sie von den gesammelten Erfahrungen während der Seminarwoche, den Reaktionen der Teilnehmer. Auf den Evaluationsbögen stehe viel darüber, wie viel Mut die jungen Menschen durch die Workshops gesammelt haben, um auch Alternativen einzuschlagen. „Es gibt keine offizielle Berufsbezeichnung für das, was wir jetzt realisiert haben“, sagt sie, „ aber ich würde doch gerne eine Möglichkeit finden, damit auch einmal Geld zu verdienen.“ Die andere – wohl einfachere – Idee sei eine Ausbildung zur Mediatorin. Doch ihre Stimme verrät, wozu sie tendiert.

Zwar sind die Organisatoren alle Studenten, doch legten sie selbst Wert darauf, mit ihrem Programm eine breite Masse zu erreichen. Tatsächlich: Nicht nur Abiturienten und Graduierte hatten sich angemeldet, sondern auch andere junge Menschen aus allen Bildungsschichten, „darunter auch ein paar UMFler“, sagt Johanna – UMF, das steht für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Diesen und anderen Teilnehmer wurde es – wenn es ihre finanzielle Situation nicht zuließ – ermöglicht, die Kosten für das Seminar aus Spenden zu begleichen.

Während des Seminars sollte die Vielfalt der Auswahl an Richtungen und Interessen, wie sie in der Realität ja auch ist, nachgestellt werden: „Wenn es nur um einen dreistündigen Workshop geht, statt um ein ganzes Studium, hat man mehr Mut und weniger Angst,eine Fehlentscheidung zu treffen“, sagt Sophie, und vielleicht finde man so ja das, was einem wirklich liegt. Die Themen erstreckten sich von Naturwissenschaften zu Künstlerischem. Mathe, Clown oder Leben ohne Geld zum Beispiel. „Wir wollen auch Bildungsalternativen aufzeigen“, sagt Johanna. Vertieft werden soll das in persönlichen Gesprächen. So sollen beispielsweise ein Tropenarchitekt, eine Künstlerin oder ein geflüchteter Agrar-Ingenieur aus dem Kongo Frage und Antwort stehen.

Als sie vor mehr als einem halben Jahr mit den Vorbereitungen begannen, wurde schnell klar, dass es eines organisatorischen Rahmens bedurfte: Der Verein Commit to partnership schien die richtige Heimat für die Gruppe zu sein. Das Konzept des Vereins war den meisten nicht fremd, geht es bei Commit doch um globales Lernen. „Diese Art des Lernens möchte globale Probleme vereinfachen, spielerisch erfahrbar machen und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen“, sagt Susanne Seeling, 25, die schon länger bei Commit ist. Die Lehrmethode beschäftigt sich unter anderem mit Themen wie Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Migration – „im Grunde ist sie aber auf fast alles anwendbar“, fügt Sophie hinzu.

Und so bereicherte dieses Konzept auch das Programm des Seminars. Nachhaltigkeit gab es nicht nur während der Workshops, sondern auch auf den Tellern: Gekocht wurde großteils mit Lebensmitteln, die andernfalls weggeworfen worden wären und die ihnen gespendet wurden. Doro Merkl

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Doro Merkl reist viel und somit haben viele ihrer Geschichte auch etwas mit Reisen oder der Fremde zu tun. Das spannende an diesem Thema war für sie, dass es diesmal nicht aus der Ferne kam, sondern der Hauptort in ihrer Heimat, dem idyllischen Allgäu, lag. Für sie persönlich spielt die Frage nach Perspektiven gerade eine wichtige Rolle, da sie nach vier Jahren München in Kürze ins Ausland ziehen wird.