„Es hat einen gewissen Streber-Flair“

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Um die Schnittstelle zwischen Technik und Philosophie geht es im Magazin fatum, das von Studenten der TU München herausgegeben wird. Ein Interview mit dem Initiator Samuel Pedziwiatr.

Sind Kontaktlinsen mit Kameras sozialverträglich? Können Maschinen Bewusstsein erlangen? Ein studentisches Team der TU München bringt ein Magazin über die Beziehung zwischen Mensch und Maschine heraus. Der Name: fatum. Das Programm: Themen zwischen Philosophie und Technik verständlich machen. Ein Interview mit dem Initiator Samuel Pedziwiatr (rechts im Bild; Foto: Ann-Sophie Wanninger), 22.

Wie kommt man als TU-Student auf die Idee, ein Philosophie-Magazin herauszubringen?
Samuel Pedziwiatr: Mein philosophisches Interesse war immer tief. Ich wollte eigentlich auch etwas Geisteswissenschaftliches studieren. Dann habe ich mich doch für den Bachelorstudiengang Ingenieurswissenschaften entschieden. Inzwischen studiere ich im Master Technikphilosophie und bin endlich an der Schnittstelle zwischen Naturwissenschaft, Technik und Philosophie angekommen. Die Faszination an Technikphilosophie und Wissenschaftstheorie hat mich zu fatum motiviert.

Was fasziniert dich an der Schnittstelle Technik und Philosophie?
Technik wird immer ausgefeilter. Da fragt sich die Philosophie, wie weit Technik in die Gesellschaft eingreifen darf. Sind Kontaktlinsen mit Kameras sozialverträglich? Oder: können Maschinen Bewusstsein erlangen? Es gibt viele Punkte, wo ich mir dachte, dazu gibt es Schreibbedarf. Bei einem Seminar in der Uni wurde es konkreter. Meine Kommilitonen hatten auch Lust, das Magazin zu machen. Wir sind jetzt ein Team mit 15 Leuten.

Lauter Nerds?
Klar, es hat einen gewissen Streber-Flair, wenn man wie wir Kant und Kierkegaard liest. Aber für das klassische Nerdtum sind wir zu vielseitig interessiert. Wir kommen aus verschiedenen Hintergründen: unter uns sind etwa Bioprozesstechniker, Juristen und Elektrotechniker. Wir gründen auch Rockbands und so. Sagen wir es so: wir sind postmoderne Nerds. Die Texte liegen bereits vor.

Zu welchen Themen?
In einer Geschichte geht es darum, wie Maschinen das Menschenbild beeinflussen und anders herum. Drei Professoren haben sich zur Frage „Was ist Philosophie?“ geäußert. Ein Artikel stellt ein Forschungszentrum vor, das herausfinden möchte, was ein gutes Spiel ausmacht. Vieles im Magazin hat mit Zukunft zu tun. Wir behandeln Ideen von Denkern wie Platon, Thomas von Aquin, Voltaire und Nietzsche ebenso wie theoretische Mathematik. Es geht aber auch um Musik, Lyrik und wir haben Kurzgeschichten.

Ganz schön viel Stoff.
Insgesamt etwa 80 Seiten.

Das Meiste klingt furchtbar abstrakt.
Ja, vieles wird theoretisch. Aber der Ausgangspunkt ist immer ein praktischer. Mathe zum Beispiel ist natürlich das abstrakte Ding schlechthin. Wie soll ein Text darüber lebhaft sein? Daher fängt der Text mit einer Situation an. In der U-Bahn. Mathestudenten unterhalten sich. Dann geht es nach und nach in die Materie. Wir wollen auch mit einer Serie „In die Werkstatt!“ in jeder Ausgabe einen Einblick in eine Manufaktur, einen Handwerksbetrieb, ein Atelier oder ein Labor geben.

Warum sollte man Euer Magazin lesen?
Weil man einen Eindruck von der Disziplin Technik-Philosophie und ihrer Bereiche erhält. Außerdem ist unser Magazin interessant für jene, die hinterfragen, was das ist, wenn man Wissenschaft oder Technik betreibt. Albert Einstein hat sich vor seiner Relativitätstheorie in philosophischen Kreisen getroffen und Leibniz gelesen. Philosophie hat also einen wegweisenden Anteil an seinen physikalischen Theorien.

Spielt das Magazin auch auf die Angst vieler Leute vor zukünftiger Technik an?
Ich persönlich bin der Meinung, vor Technik braucht man keine Angst zu haben. Aber vor den Menschen, die sie benutzen. Darüber hat Jean Paul Sartre auch sehr Interessantes in „Das Sein und das Nichts“ geschrieben. Man kann mit Technik viel bewirken, im Positiven und Negativen – letztlich steht immer ein Mensch dahinter. Philosophie spielt genau da die Rolle des Ärgerers und muss hinterfragen: wie handle ich verantwortlich.

Ist es verantwortlich, wenn Google Kontaktlinsen mit Kameras entwickelt?
Damit lässt sich die virtuelle Welt mit der realen verschmelzen. Da wird es philosophisch gesehen spannend. Aber im Alltag klingt es furchtbar, das muss ich gestehen.

Oder wenn eine Kamera ohne Auslöser unbemerkt automatische Bilder schießt?
Da sehe ich die Persönlichkeitsrechte auch eindeutig beschnitten, wenn man Technik zur Anwendung kommen lässt, ohne dass es die Beteiligten wissen. Da wird Technik zum Gesandten des Menschen. Sie wird autonomer und schwerer zu kontrollieren. Philosophie muss da eine aktive Rolle spielen, finde ich, und sich einmischen. Das Bild des Philosophen, der nur im Sessel sitzt und nachdenkt, ist nicht die Grundidee der Philosophie.

Das Magazin fatum gibt es ab Mitte November in den Räumen vieler Fachschaften an der TU München und unter http://www.techphil.de


Interview: Caroline von Eichhorn

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