Band der Woche: Florian Christl

Der autodidaktische Komponist Florian Christl zaubert für sein eigenes Ensemble Werke, die dem Genre der Neo-Klassik zugeschrieben werden. Nun Veröffentlicht er sein zweites Album auf Sony Music.

Manchmal ist ein Konzert für Neue Musik lustig. Da passiert bisweilen in einem Stück wirklich gar nichts, bis auf einen einzelnen Akkord. Die Neue Musik ist alles, was irgendwie mit dem Anspruch klassischer Musik gemacht wird, aber zeitlich gesehen definitiv nicht mehr klassisch ist. Und da in den letzten Epochen dessen, was man noch als klassische Moderne bezeichnen kann, also circa bis 1950, alles an harmonischer und rhythmischer Streckung aus der Klassik herausausgereizt wurde, ist die Neue Musik ziemlich abstrakt. Sehr abstrakt. So abstrakt, dass eben in einem zehnminütigen Werk ein einzelner Akkord schon eine ziemliche Sensation sein kann.

Vom atonalen Geräuschfaktor ist die Neue Musik der Noise-Musik gar nicht unähnlich. Der Münchner Pianist und Komponist Florian Christl ist in diesem Vergleich dann so etwas wie ein Backstreet Boy der Neuen Musik. Denn Florian interessiert die Abstraktion herzlich wenig, ihn interessiert die harmonische Schönheit, die das westliche Tonsystem ohne Frage hergibt und die ja von Bach bis Debussy bereits ausgesprochen reizend ausgearbeitet wurde.

Deshalb klingt die Musik des 26-Jährigen auch erst einmal wie Filmmusik. In der Filmkomposition hat der klassische Umgang mit Harmonik über die Fünfzigerjahre des 20. Jahrhunderts hinweg überlebt. Da wurde die Emotionsmaschinerie, die diese Harmonik unweigerlich ist, wenn sie klug eingesetzt wird, nicht in Frage gestellt. Denn das Herstellen von Emotionen ist schließlich die Hauptaufgabe der musikalischen Untermalung großer Leinwand-Spektakel. Und Florian komponiert nun zwar nicht für eine Leinwand, aber er komponiert ähnlich emotionsorientiert. In erster Linie schreibt er Stücke für sich am Klavier. Seit einiger Zeit komponiert er aber nun auch für ein eigenes Ensemble, das er sich 2013 zusammengestellt hat. „Nach wie vor arbeite ich daran, die Besetzung zu erweitern mit dem großen Ziel, dass aus dem Ensemble nach und nach ein Orchester wird“, erklärt Florian seinen Plan, der für einen autodidaktischen Musiker ein wenig absonderlich erscheint und dennoch insofern aufgeht, dass er nun sein zweites Album „Inspiration“ auf Sony, also einem großen Label veröffentlicht. Sein Release-Konzert spielt er am Sonntag, 5. Februar im Kleinen Konzertsaal im Münchner Gasteig mit einer um je vier Geigen und vier Celli, sowie zwei Posaunen, einer Trompete und einem Schlagzeug erweiterten Truppe.

So wie sich andere Musiker, die sich – wie das in der Popmusik üblich ist – autodidaktisch das Songwriting beibringen und irgendwann Mitmusiker für ihre Musik suchen und eine Band gründen, geht also auch Florian vor. Er hatte Klavierunterricht als Kind und besuchte später ein musisches Gymnasium. Das Komponieren, das man in der klassischen Musik im Normalfall auch an einer Musikhochschule studiert, hat er sich aber selbst beigebracht. „Ich will mich nicht in ein schematisches Raster der theoretischen Musiklehre zwängen lassen, da ich denke, dass dadurch die Freiheit in meinen Kompositionen verloren ginge.“ Dabei entsteht eine sehr anschaulich, ja bisweilen auch etwas einfache Variante von Neo-Klassik, die weniger die Nähe zur Indie-Musik sucht, wie das etwa bei dem Vorzeige-Neo-Klassiker Nils Frahm der Fall ist. Florians Musik aber ist glatter. In guten Momenten erinnert sie in ihrer süßen Schlichtheit an Musik von Yann Tiersen. In schlechteren Momenten kippt sie in etwas belanglose Ambient-Hintergrundmusik. Dennoch hat er sich damit auf einen sehr besonderen und sehr eigenen Weg begeben. Er wirkt strukturell wie ein Popmusiker, der aber Klassik schreiben möchte.  

Stil: Neo-Klassik/Ambient
Besetzung: Florian Christl (Komposition, Klavier, live mit Ensemble)
Aus: München
Seit: 2013
Internet: www.florianchristl.de

Text: Rita Argauer

Foto: Marco Ganzmann