Die Frau mit dem Wellenblick

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Im Sommer zehn Wochen am Meer – die 16-jährige Janina Zeitler ist Europameisterin im Stationary Wave Riding.

Sie fokussiert die Wellen, sekundenlang, löst ihren Blick nicht davon. Ihr langer, blonder Zopf fällt auf am Rande des Eisbachs, die männlichen Surfer sind in der Überzahl. Ihr Blick bleibt nach vorne gerichtet, als sie auf ihr Brett springt, da gleitet sie weich von links nach rechts über die stehende Welle. Diesen Wellenblick hat sie auch im Gespräch. Sie schaut ihrem Gegenüber sekundenlang in die Augen ohne wegzuschauen. Kein einziges Mal löst sie den Blickkontakt.

Janina Zeitler ist 16 Jahre alt und kommt aus Brunnthal. Sie ist Europameisterin der Frauen im Stationary Wave Riding, das 2016 am Flughafen München ausgetragen wurde. Erst vor fünf Jahren hat sie mit einer Freundin an der Floßlände in München begonnen, kurz daraufhin das erste Board gekauft. Sie wechselte zwei Jahre später an die kleine Eisbachwelle und stand später zum ersten Mal an der stadtberühmten Welle am Englischen Garten.

Der Sport, insbesondere im Wasser, wurde ihr schon in die Wiege gelegt. Wie ihre Eltern fing sie sehr früh mit dem Windsurfen und Skifahren an, bis zum vergangenen Jahr fuhr sie im Kaderteam des Skiverbands München internationale Rennen. Doch das Surfen geriet immer mehr in den Vordergrund, zunehmend fuhr sie auch im Winter ans Meer zum Trainieren – neben der Schule dann eine weitere Sportart aufrecht zu erhalten, war kaum mehr möglich, Janina entschied, sich voll auf das Surfen zu konzentrieren.

Trotz ihres starken Willens und der investierten Zeit soll der Sport ein Hobby bleiben, das ihr Spaß macht. „Ich genieße jetzt die Zeit, weil ich Spaß am Surfen habe und Erfolge habe ich ja auch“, sagt sie. Sie trainiert jede Woche mehrere Male am Eisbach, auch im Winter bei Minustemperaturen. „Es ist schon hart“, sagt sie über die Kälte, der sie seit diesem Jahr immerhin das ein oder andere Mal in der neu eröffneten Jochen Schweizer Arena entgehen kann. Doch der Eisbach bleibt der Hotspot schlechthin für Riversurfer, auch für Janina. Sie trifft sich dort häufig mit Freunden, um gemeinsam zu surfen.

Anerkennung bekommt sie von den einheimischen Surfern auch, ihr Titel hat sich herumgesprochen. Sie wissen von ihrem Weg von der Floßlände zum Eisbach und respektieren ihre Leistung – auch wenn sie ihr immer mal wieder Tipps geben. Doch das stört Janina nicht, sie möchte sich verbessern und findet es gut, wenn man ihr hilft. Sie will besser werden, aber auch ihre Freude daran behalten. Andere Mädchen findet man am Eisbach eher selten, obwohl immer mehr Frauen den Sport beginnen. Konkurrenzkampf herrscht trotzdem nicht. „Die Community rund um den Eisbach ist gut“, findet Janina.

Ihren ersten Wettkampf fuhr sie 2014 in Frankreich, wo die Deutsche Meisterschaft im Surfen ausgetragen wird. Erfahrung hatte sie damals im Meer kaum, eher aus Spaß trat sie mit ein paar Mädels aus München an und wurde prompt Vierte bei den Juniorinnen. Das Training am Meer weitete sie daraufhin aus, sie ist nun jede Schulferien am Meer und wird für Wettkämpfe oftmals von der Schule befreit. Der Druck auf dem Gymnasium wurde neben dem Sport jedoch zu groß, sie wechselte auf eine Wirtschaftsschule, auf der sie in der 11. Klasse ihre Mittlere Reife macht. Doch trotz ihres bisherigen Erfolgs ist ihr Bildung sehr wichtig, nach der Schule will sie auf jeden Fall ihr Abitur an einer FOS machen. Sie selbst sagt, sie bleibe eher realistisch und denke nicht, dass sie als professionelle Surferin leben könnte, denn das Riversurfen wird gerade erst ausgebaut. Bleibt das Meer, aber hier ist im Profisport die Konkurrenz enorm – mit Surferinnen, die am Meer aufgewachsen sind und dort täglich hart trainieren.

Um mehr Riversurfer zu unterstützen oder eine künstliche Welle aufzubauen, muss der Sport bekannter werden. Janina wünscht sich mehr Wellen in München, schon jetzt wird es zu Stoßzeiten am Eisbach sehr voll, zu voll. Aber das müsse man eben hinnehmen, meint Janina. Das Riversurfen und die Disziplin Open Water sind für sie die perfekte Kombination, eine einzelne Surf-Art wäre ihr zu langweilig. Sie mag den Meer-Flow, aber auch den aggressiven Stil im Fluss, den sie sich von den Surfern am Eisbach abschaut.

Ehrgeizig versucht sie, anders zu surfen als andere Frauen, ihre Leistung zu optimieren und mehr Tricks einzubauen. Auch wenn das Surfen auf einer stehenden Welle bis jetzt nur in Europa möglich ist, könne sie sich schon vorstellen, dass es in ein paar Jahren weltweit einige künstliche Wellen geben wird.

2016 feierte Janina hier ihren größten Erfolg: Sie holte den Titel der Open Women, obwohl sie zuvor weniger auf dieser Welle trainierte als ihre Konkurrentinnen. Janina will dran bleiben und ihren Titel unbedingt verteidigen. Sie freut sich auf Contests und darauf, weitere Schritte zu gehen – mit 16 Jahren scheint es, als brenne sie für diesen Sport. Fast schon aufgeregt erzählt sie von internationalen Wettbewerben für Riversurfer, die im Gespräch sein sollen, eine Weltmeisterschaft gibt es bisher leider noch nicht.

Mit ihren bisherigen Erfolgen hat Janina auch schon jetzt Sponsorenverträge inne. Diese Unterstützung braucht sie bei ihrer Ausrüstung auch. Fast jedes halbe Jahr benötigt sie ein neues Board, aktiv benutzt werden von ihr drei für den Fluss und vier für das Meer. Mit Neoprenanzügen und weiteren Utensilien würde das deutlich das Taschengeld eines Teenagers überschreiten.

Diesen Sommer ist sie mit einer kurzen Unterbrechung fast zehn Wochen am Meer – das klingt für viele Teenager wie ein Traum, doch ist es auch hartes Training. Sie verbringt die meiste Zeit auf den kanarischen Inseln, insbesondere auf Fuerteventura, wo sie bei einer Freundin wohnt. Hier herrschen immer perfekte Bedingungen zum Trainieren, doch verbindet sie die Zeit natürlich auch mit Spaß und Urlaub. Sie freut sich jeden Tag auf das Surfen und möchte sich auf die Deutsche Meisterschaft vorbereiten, die im Spätsommer stattfinden wird. Und wenn Janina strahlend davon erzählt, dass sie ohne Eltern Urlaub am Meer machen wird, glaubt man der 16-Jährigen, dass das Surfen für sie weniger Business und mehr ein ehrgeiziges Hobby ist.

Text: Sandra Will

Foto: Privat