Band der Woche: Delamotte

Die Finalisten des Sprungbrett-Wettbewerbs
Delamotte
begeistern mit

ihrer absurden Herangehensweise an die eigene Inszenierung und dem erfrischend surrealen Umgang mit verschiedenen Genres.

Die Auseinandersetzung mit Popmusik hat eine Konstante: den Rückgriff auf die Beatles. Das ist natürlich erschreckend, denn immerhin ist deren Blütezeit nun auch schon um die 50 Jahre vorbei. Wenn man jedoch dieses wiederkehrende Auftauchen der Beatles mit den Konstanten der Klassik vergleicht, wirken die 50 Jahre fast nichtig. Da bezieht man sich gerne mit einer ähnlichen Vehemenz auf Johann Sebastian Bach – und der ist 1685 geboren, da verhandelt man also ganz andere Zeitspannen. Was man bei so viel Beweihräucherung oft vergisst, ist der absurde und bisweilen ins surreale kippende Witz, den die Liverpooler auch schon bei den Teenie-Love-Songs von „Love me do“ bis „Please please me“ hatten. Zumindest außen herum und in den Filmen, die Songs sind da noch in sich geschlossene Berührungswunderwerke.

Rein technisch reicht die Indie-Gitarren-Band Delamotte da heran. Richtige Mucker sind die fünf Musiker, die ihre Klassiker (in dem Fall die Beatles) gelernt haben und nun in wunderbaren Harmonien und herrlichen zweiten Stimmen im Song „Backshift“ beinahe an die sanfte Entrückung von „Please please me“ herankommen. Doch, was Delamotte, die sich im oberpfälzischen Neumarkt gründeten und mittlerweile zum Teil in München studieren, besonders macht, ist ihre absurde Herangehensweise an die eigene Inszenierung und ein erfrischend surrealer Umgang mit Genres. Denn neben dieser glitzernden Beatles-Kunst, die technisch in ihren Songs steckt, klingt das im Gesamten eher wie eine wild durchpflügte Landschaft verschiedener Popmusikstile: Da ist zum Beispiel die hüpfende Funk-Gitarre, ultra tight gespielt, denn technisch sind sie eben alle ausgesprochen versiert. Aber wann es da losfunkt und in welchen kompositorischen Zusammenhängen diese Licks auftauchen, das hat etwas von der schmunzelnden Konventionsverweigerung, die die Beatles in ihren Filmen an den Tag legten. Und Delamotte haben noch mehr solcher songwriterbezogenen Witze zu bieten: etwa eine Falsett-Stimme, irgendwo zwischen Iron Maiden und Michael Jackson im Song „Rainy Night“. Oder das Keyboard und die Orgeln, die sich watteweich unter die Gitarren legen und in „Change your Karma“, dem Opener der EP mit dem abstrusen Titel „Eine kleine Einführung“, die Musik ein wenig nach der Titelmelodie einer Vorabend-Serie klingen lassen; bis der Gesang einsetzt, samt den Harmonien, die die Jungs chorknabenrein zusammen singen können, und schon ist man als Hörer wieder ergriffen.

Mit diesen Songs, die ein bisschen wie eine wildgewordene Jukebox klingen, trotzdem herrlich musiziert sind und eben durchaus berühren, spielten sie sich gerade ins Finale des Sprungbrett-Wettbewerbs. Demnächst planen sie eine EP herauszubringen, mehr Texte auf Deutsch wollen sie darauf packen, denn das zwinge sie zu mehr Ehrlichkeit, erklären sie. Obwohl sie von großen politischen oder gesellschaftlichen Botschaften in ihrer Musik eher nicht viel halten. Der kleine Rahmen ihrer Auftritte erscheint ihnen dafür unpassend: „Wenn Musiker auf der Bühne anfangen, politisch zu werden, geht es meist nur darum, dem Publikum noch einmal zu sagen, was es ohnehin schon denkt und fühlt.“ Ein Song sei im besten Fall ein „kleiner Orgasmus“, der Musiker und Zuhörer für zwei bis vier Minuten alles um sie herum vergessen lässt. Einen kleinen Ausblick, wie schräg dieser Humor mit dem musikalischen Beatles-Können dieser Band werden könnte, zeigt sich jetzt schon im Song „Garten Eden“: Deutscher Gesang trifft auf verstimmte Synthies und sedierten Pseudo-Rap. Ein Hoch auf das Schräge und den Humor in der Popmusik, die sich oft viel zu Ernst nimmt. 

Stil: Gitarren-Pop/Beat
Besetzung: Constantin Habel (Gitarre, Gesang), Alex Gsell (Gitarre, Gesang), Tim Walter (Bass, Gesang), Christian Hilbig (Keyboard, Gesang), Nikolas Thier (Schlagzeug)
Aus: Neumarkt, München
Seit: 2014
Internet: www.soundcloud.com/delamotte-1


Text:
Rita Argauer

Foto: Privat

Band der Woche: Chuck Winter

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Der Münchner Musiker Chuck Winter versteht es bestens, aus den vergangenen 60 Jahren Popmusik seinen ganz eigenen Sound rauszufiltern. Der klingt mal nach Bob Dylan, mal nach 90s Rock – doch am liebsten ganz bunt gemischt.

Derzeit herrscht eine tote Zeit. Das zeigen schon die unermüdlichen Retro-Bezüge aktueller Künstler: Eine ganze Generation leidet darunter, das Gefühl zu haben, alles sei schon einmal da gewesen. „Standing on the Shoulders of Giants“, nannten Oasis eines ihrer Alben, das im Jahr 2000 erschien und auch für diese Band eine künstlerische Wende bedeute: Man wurde sich bewusst, dass es auch vorher schon rüpelnde Gitarrenbands mit süßen Melodien gab. Dementsprechend eingetrübt ist die Musik auf diesem Album, die Unschuld der Anfangsjahre war unwiederbringlich verloren.

Heute, 17 Jahre später, existiert auch am Anfang keine Unschuld mehr. Und die neuen Künstler stehen auch nicht mehr auf den Schultern der gigantischen Vorgänger, sondern bedienen sich eher fröhlich bei Versatzstücken einzelner ikonischer Stile. Eine tote Epoche, deren Künstler aus den Überbleibseln der Vorgänger jedoch eine ziemlich gute Party zusammenstellen.

Besonders bunt gerät diese beim Münchner Songwriter Chuck Winter. Und haben seine retrofreudigen Münchner Kollegen wie The Charles oder der Famous Naked Gipsy Circus noch die Entscheidung für eine einzelne Epoche – in den genannten Fällen war das die Blues- und Rockmusik der Sechziger- und Siebzigerjahre – getroffen, bedient sich Chuck hingegen bei fast allem, was die Musik so hergibt. Da erklingen bluesige Orgeln über Sixties-Gitarren, während Glam-Rock-Soli der Siebzigerjahre durch ein Neunzigerjahre-Ambiente schallen. Besonders anschaulich zeigt das der in München geborene Deutsch-Amerikaner im gerade veröffentlichten Video zur Single „Hipbones“. Chuck selbst sitzt dabei als düstere und augenscheinlich von Bob Dylan inspirierte Figur vor seiner spielenden Band, die ein wenig wie aus einem High-School-Film zusammengecastet wirkt, und absolviert ein Speed-Dating mit verschiedenen modischen Erscheinungen der Popkultur: Da trinkt er etwa mit einer Dame Schnaps, die die gleiche Perücke trägt wie Uma Thurman in „Pulp Fiction“. Anschließend wird eine Zigarette mit einer Film-Noir-Schönheit geraucht, bevor er seine Dates mit einem die Geschlechterrollen queer in Frage stellenden Typen in eine ganz gegenwärtige Debatte hineinzieht. Chucks Mund ist dabei zu Beginn blutverschmiert, als würde er bildlich zugeben, sich die Popkultur der vergangenen 60 Jahre einzuverleiben wie ein Vampir. Doch der epochale Vampirismus dieses Künstlers, der gerade beim Sprungbrett-Wettbewerb so zu überzeugen wusste, dass er zuletzt die Kölner Studi-Schlager-Durchstarter AnnenMayKantereit supportete, geht auf.

Durch sein hemmungsloses Ausschlachten der Vergangenheit, aber auch durch die kleinen aber feinen Hinweise auf die Gegenwart, ist Chuck Winter einer der lebendigsten unter den Zombies dieser toten Epoche. Vielleicht auch, weil er mit sich selbst ganz im Reinen zu sein scheint: Als Jugendlicher sei es sein Ziel gewesen, eine eigene Platte in den Händen zu halten. Dieses erreicht er nun am 2. Juni, da erscheint seine Debüt-EP. Nun träumt er davon, auf Tour zu gehen und auch im Ausland Anklang zu finden. Live spielt er mit einer Band zusammen, die Musik ist dadurch noch einmal eigenständiger geworden. Die Band hat er Die Steuerfahnder getauft. Und mit diesem erst einmal seltsamen Namen verweist er in seinem kaleidoskopartigen Referenz-System noch einmal auf eine ganz andere Tradition der Popmusik: Den deutschsprachigen Rock von Lindenberg über Westernhagen bis Grönemeyer. Und so seltsam es klingt, es funktioniert.

Stil: Blues/Rock/Songwriter
Besetzung: Chuck Winter (Gitarre, Gesang, Songwriting)
Aus: München
Seit: 2014
Internet: www.chuckwintermusic.com

Text: Rita Argauer

Foto: Christin Büttner

Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Laura

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Der Sommer lässt noch ein wenig auf sich warten, und so gestaltet sich auch das Programm unserer Autorin Laura – mit Musiküberflutung bei der “Langen Nacht der Musik”, einem Street-Art-Festival unter Dach und vor allem: der lang herbeigesehnten Vernissage der “10 im Quadrat”-Ausstellung im Farbenladen!

Ich mag die Tage, an denen man dicke Regentropfen und  zarte Sonnenstrahlen auf seiner Haut spüren
kann. Tage, die nass und gleichsam warm sind. Tage, die an Sommer erinnern. Und
doch werden wir uns wohl noch ein wenig gedulden müssen. Auf die wirklich
warmen Tage. Auf den Sommer. Für die kommende Woche habe ich mir deshalb ein
Programm zusammengestellt, das für all die unberechenbaren Tage gilt, die sich
trotzdem planen lassen. Eine Woche, die gerade deshalb hoffentlich so schön bunt und
vielfältig wird.

Der Freitag wird zu meinem Filmeabend. Vom 3. bis 14. Mai
2017 findet das Dok.fest München statt. An mehreren Veranstaltungsorten über
ganz München verteilt laufen 157 Dokumentarfilme verschiedenster Genres auf
Münchner Leinwänden. Es ist das 32. Internationale Dokumentarfestival München,
das faszinierende und spannende Filme großer inhaltlicher sowie kultureller
Bandbreite zeigt. Zudem gibt es eine Vielzahl an Vorträgen, Ausstellungen und
Verleihungen. Besonders interessant finde ich die Fokusreihe DOK.euro.vision,
die die Gegenwart und Zukunft Europas in den Blick nimmt. Dazu gibt es zwölf
sehr verschiedene Filme, die den Kernthemen Europas auf den Nerv fühlen. So zum
Beispiel der Film „A Greek Winter“, der am Freitag um 17:00 in der Hochschule
für Fernsehen und Film läuft. Ein Film, der sich mit der bitteren Realität
Griechenlands nach Beginn der Wirtschaftskrise beschäftigt.

Nach dem Takeover des Feierwerk Farbendladens am Dienstag
steigt meine Vorfreude auf die Ausstellung „10 im Quadrat“ ungebremst. Wir, die Junge-Leute-Seite der SZ, haben zehn junge Münchner Fotografen mit zehn jungen
Münchner Künstlern zusammengebracht. Fotografen, die auf Schauspieler, Musiker
und Literaten trafen. Models, denen Bühnenerfahrung nicht fremd ist. Und dennoch
wird es interessant sein zu sehen, wie sich die jungen Künstler von Künstlern
in einem sehr persönlichen Moment jenseits des Rampenlichts porträtieren
ließen. Das Ergebnis dieser Begegnungen sind die knapp 100 unterschiedlichen
Fotografien, die es von Samstag, 6. Mai, an im Farbenladen des Feierwerks zu
sehen gibt. Den ganzen Mai über könnt ihr uns, die Autoren der SZ Junge Leute,
die zehn jungen Fotografen mitsamt deren fotografischen Arbeiten und die zehn
Künstler, die Modell standen, kennenlernen. Diesen
Samstag
eröffnen wir die Ausstellung mit der Vernissage von 19 bis 22 Uhr. Am
Sonntag
hat die Galerie von 16 bis 20 Uhr geöffnet. Als Rahmenprogramm wird es an
den Ausstellungstagen zudem Lesungen, Diskussionsrunden und Konzerte geben. Wir
freuen uns auf interessante Gespräche und spannende Begegnungen! Ein
Experiment, das dieses Wochenende mit euch in die nächste Runde geht!

Nach der Vernissage am Samstag
werde ich dann vorrausichtlich auf einem weiteren tollen Event, das auch nur einmal
im Jahr stattfindet, durch die Nacht tanzen. Denn in der langen Nacht der Musik
verwandelt sich die Münchner Innenstadt in ein wahres Musikspektakel: An mehr als
100 Spielorten werden Livekonzerte, Tanzdarbietungen,
Kabaretts und Führungen rund um das Thema Musik angeboten. Von 20 Uhr
an versprechen  zum Beispiel The Tonecooks
in der Box-Kitchen
, sich gegenseitig von der Bühne zu boxen!

Und weil ich nie genug von
interessanten Ausstellungen bekommen kann, werde ich meinen Montag ähnlich
künstlerisch gestalten. Im Lost Weekend findet dort ab 18:30 Uhr die Vernissage zur Ausstellung „LICHT“ von Max Fischer statt. Bis 19.
Mai kann man sich hier die künstlerischen Werke, darunter Bilder und Leinwände
unter dem Motto „Zyklus mit Licht-Raum“, ansehen.

Am Dienstag geht’s mit guter Musik weiter.
Ich werde zu Jake Isaacs Konzert im Muffatwerk gehen. Der Künstler aus London
besticht mit einer leidenschaftlichen Kombi aus Soul und Pop auf spannende Art
und Weise. Ich freue mich auf einen Abend mit dem millionenfach gestreamten und
zurzeit sehr gehypten Singer und Songwriter. Diesen Freitag folgt sein
Debütalbum „Our Lives“. Vorfreude pur!

Am Mittwoch geht es für mich auf eine weitere Ausstellung.
„Magic City – Die Kunst der Straße“ ist ein Projekt, für die renommierte
Street-Art-Künstler eine magische Stadt mitten in der kleinen Olympiahalle
erschaffen haben. Überdimensionale Wandarbeiten, überwältigende Graffitis,
verblüffende 3D-Illusionen und überraschende Installationen machen die
Attraktion zu einem echten Erlebnis.

Am Donnerstag geht das „Sprungbrett“ in die nächste Runde. Dabei handelt es sich um ein Förderprogramm vom Feierwerk für
Nachwuchsbands aus München. Dafür werden 16 Bands nominiert, die bis zu drei Auftritte
spielen. Anschließend bekommen sie von einer Fachjury detailliertes Feedback.
Die vier Bands, die von Jury und Publikum die besten
Bewertungen bekommen haben, erhalten zudem eine Anschubfinanzierung zur
Produktion eines Tonträgers oder zur professionellen Gestaltung von
PR-Material. Außerdem sichern sie sich gemeinsam einen Auftritt beim
Theatron-Musiksommer im Olympiapark. Am
Donnerstag spielen die Bands Backstreet OIZ, Stelle Sezon, Chuck Winter Music
und Delamotte im Feierwerk. Freitag geht die zweite Hauptrunde weiter mit den
Bands Paul Kowol, BETA, Sound Injection und MULLEIN. Ich freue mich auf einen
weiteren Abend ganz im Zeichen der Musik!

Meine Woche wird abwechslungsreich und bunt. Tage, an denen
es ganz egal ist ob es draußen nass oder warm ist. Tage, die mich dem Sommer
aber trotzdem ein Stückchen näher bringen werden.

Text: Laura Schurer

Foto: Privat