Band der Woche

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Die

Tula Troubles

sind 2010 im “Melting Pot” der Münchner Studentenstadt entstanden und mischen seitdem Sprachen, Stile und Instrumente zu frischen und uninszenierten, manchmal vielleicht etwas wirren Songs, irgendwo zwischen Ska, Protest-Song und Chanson.

Es ist ein wenig vermessen, eine Ansammlung von Studentenwohnheimen, eine Kneipe und einen Sportverein gleich als eine ganze Stadt zu bezeichnen. Doch in der Münchner Studentenstadt herrscht tatsächlich ein eigenes Klima und eine eigene Identität, die sie vom Rest der Landeshauptstadt abgrenzen. Die Siedlung am nördlichen Stadtrand bietet knapp 2500 jungen Menschen Wohnraum, die aus verschiedensten Ländern nach München ziehen, und dort neben dem Studieren natürlich auch feiern, sich in Sportvereinen vergnügen; oder eben Bands gründen. So auch die Tula Troubles (Foto: Michel Winterer), die dort 2010 begonnen haben, gemeinsam Musik zu machen.

Dass im Mikrokosmos dieser Wohnanlage, in der der alternative Lebensstil nicht mehr die Alternative zur Bürgerlichkeit, sondern die Norm ist, auch irgendwo andere Musik entsteht als etwa im Glockenbachviertel, leuchtet ein. Als „Melting Pot“ beschreibt Bassist Engin Gümüsel die Lage dort, und die Musik klingt tatsächlich, als sei sie in einem kleinen Studenten-New-York entstanden. Sprachen, Stile, Instrumente – alles wird durcheinandergewürfelt. Und ohne ein Gespür für die Trends der Landeshauptstadt wurde da fast ausschließlich aus eigenen Einflüssen ein Musikstil zusammen gezimmert. Während sich also in München Indie-Pop, Elektro und Hipster-Ästhetik in die Popszene schoben, wurde im Studenten-NY-Biotop mit Musikstilen experimentiert, die in der Münchner Szene derzeit ziemlich verschwunden sind: Ska, Protest-Song, Chanson. Das ist überladene, etwas wirre Musik, die so gar nicht zum omnipräsenten Understatement passen möchte. Und gerade deshalb, bei aller Überbeanspruchung, die der Hörgenuss verlangt, auch frisch und uninszeniert klingt. Die eigenen Einflüsse, abseits der Trends, sind bei dieser Truppe dafür allerdings auch different genug: Die sieben Musiker der aktuellen Besetzung stammen aus sechs verschiedenen Nationen (Frankreich, Tunesien, Serbien, Deutschland, Türkei, Italien), über die Jahre haben dort Musiker aus 15 verschiedenen Ländern von allen fünf Kontinenten gespielt. Bandleader Haykel Ben Nasr textet meist auf Französisch, aber auch auf Spanisch, Englisch und Arabisch. François Neveu singt. Dessen Einstieg gab auch die Initialzündung zur Gründung der Band. Bevor sich Haykel und François trafen, hatte Haykel seine Lieder in verschiedenen Besetzungen in Parks oder Wohnzimmern gespielt – erst durch den festen Sänger begann die Band sich zu formieren, hin zu der heutigen Besetzung, die neben der klassischen Rockaufstellung noch zwei Blechbläser unterbringt. Saxofon und Trompete drücken die Musik schließlich zum Ska.
  
„Was am Ende rausgekommen ist, ist aber definitiv kein gewöhnlicher Ska mehr“, erklärt Bassist Engin. Ein Metal-Teil folgt auf Reggae-Off-Beats, typische Ska-Licks werden von Chanson-Melancholie abgelöst. Die Musiker schätzen die Ska-Szene in München, über der natürlich die Benuts als gutmütige Patronen schweben, auch wenn das eine Szene ist, die derzeit wenig Aufmerksamkeit außerhalb des eigenen Kreises bekommt. Doch nun werden Tula Troubles beim Sommerfest des Feierwerks am Sonntag, 26. Juli, oder beim Theatron Musiksommer auftreten und dadurch bekannter werden. Ihre wilde Musik-Mischung erinnert an einen Stil, den auch Münchens meist gebuchte Sommerfest- und Straßenparty-Bands spielen: Balkan Brass. Die Tula Troubles spielen den nur ein bisschen schneller.  

Stil: Chanson-Ska
Besetzung: François Neveu (Lead Gesang), Haykel Ben Nasr (Rhythmus Gitarre, Band Leader), Engin Gümüsel (Bass),Burak Kilickiran (Solo Gitarre), Alessio Librandi (Trompete), Aleksandar Stojcic (Schlagzeug), Lorenzo Cairo (Saxofon)
Aus: München
Seit: 2010
Internet: www.tulatroubles.org

Rita Argauer

Foto: Michel Winterer