Band der Woche: Tiger Tiger

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Musik für

Nachtmenschen und erwachsene Großstadt-Hipster: Die Sängerin von

Soki Green, Cornelia Breinbauer, startet mit Tiger Tiger ihr neues Soloprojekt.

Der größte Vorwurf, der der Urban-Outfitters-Generation gemacht wird, ist das unstringente Zelebrieren der Oberfläche. Die Facebook-Hipster erwerben ihre Vinyl-Platten in besagtem Bekleidungsshop, in dem es auch die original nachgeschneiderten Looks der frühen Neunzigerjahre zu kaufen gibt. Dass das bezeichnenderweise die Zeit ist, in der Vinyl-Platten sukzessive durch CDs ersetzt wurden, ist geschenkt, oder besser: egal. Denn dafür gibt es ja die Neupressungen bei Urban Outfitters, samt den Spaghettiträger-Kleidchen und den Doc-Martens, die man jahrelang nur in gut sortierten Punk-Schuh-Läden (ja, so etwas gibt es auch in Münchens Innenstadt) erstehen konnte. Aber solche Spitzfindigkeiten, die unter die Oberfläche stechen und vielleicht sogar einen ideellen Wert neben dem Style bereithalten, sind dieser Generation egal. Hier ist man alternativ und anti-mainstream, weil es hip ist. Das ist ein Gegensatz? Hier schließt sich der Kreis. Außer bei Cornelia Breinbauer. Denn die Münchner Musikerin durchbricht den Kreis mit ihrem neuen Projekt Tiger Tiger. Gerade hat sie mit „Reality“ ihre erste Single samt Video veröffentlicht. Und die klingt nach Musik für die Hipster-Generation, die aber die kleinen selbstinszenierten Albernheiten längst begriffen und durchschaut hat. Tiger Tiger macht gereifte Musik für die nun erwachsenen ersten Großstadt-Hipster.

Vor einigen Jahren tauchte Cornelia schon mal in der deutschen Musikszene auf. Ihre zunächst folkige, später dann träumerische, elektronische Band Soki Green, in der sie Klavier spielte und sang, wurde über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Doch die Aktivitäten mit Soki Green seien vor zwei Jahren weniger geworden, erzählt sie. Die Zeit, kurz nach der Geburt ihrer zweiten Tochter, nutze Cornelia aber, um am Laptop zu Hause mit Midi-Keyboard neue Musik zu schreiben. „Ich wollte manipulierten Gesang, Vocoder, stotternde Beats, verzerrte Gitarren und Bässe, Echos“, erklärt sie schlicht. Sie habe herausfinden wollen, wie sie alleine Musik machen kann. Ziemlich gut kann sie das. 

„Reality“ ist ein Song, in dem Hippie-Psychedelika mit Hipster-Stechpalmen zu einem wunderbar schmeichelnden und gleichzeitig komplexen Songwriting vermengt werden. Die verschiedenen Tonspuren überlagern sich zu einem homogenen Klang, der Gesang liegt mehr darin als darüber, ist aber dennoch weder schüchtern verhuscht noch reine Klangmasse, sondern immer noch Cornelias stärkstes Instrument. Selbst mit den Vocoder-Verfremdungen, die sie hier auf ihre Stimme legt, bleibt ihr dunkles, etwas trübes, aber warm-breites Timbre hörbar und stilprägend. Gegensätze sind hier eben gerade nicht egal, sondern werden quasi realitätskonstituierend in die Musik mit aufgenommen: „Imagination und Wirklichkeit sind wichtige Themen“, erklärt sie, die sich viel mit Oppositionen wie „Endlichkeit und Unendlichkeit oder Bewusstsein und Unbewusstsein“, beschäftigt habe. Als finaler Kommentar dazu funktioniert die lässigere, leichtere und bisweilen groteske Musik. Tiger Tiger ist trotz aller Reife noch Musik für Nachtmenschen. Die Welten, die Cornelia vertont, sind nichts für nüchternes Tageslicht. Doch die Stunde dieser Nacht ist schon so weit fortgeschritten, dass erste Ernüchterungserscheinungen bereits eingetreten sind. Zusammen mit Münchner Musikern arbeitet sie gerade an ihrer ersten EP und der Live-Umsetzung von Tiger Tiger.  

Stil: Psychedelisch / Pop / Weirdo
Besetzung: Cornelia Breinbauer (Produktion, Songwriting, Gesang)
Aus: München
Seit: 2015
Internet: facebook.com/tigertigermuzik

Text: Rita Argauer

Foto: Susanne Steinmassl

Soki Green (Akustik, Folk)

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Vielschichtiger, mehrstimmiger, düsterer – die neue EP von der Münchner Band Soki Green schwebt zwischen finster-klirrender Kälte und einer einnehmend melancholischen Wärme.

Ob Dämonen denn sprechen können? Als vorsichtige Frage formulierte die Münchner Band Soki Green um Songwriterin, Sängerin und Pianistin Cornelia Breinbauer (Foto: Susanne Steinmaßl) das noch auf ihrem Debüt-Album „Do Demons Talk“. Dass die Dämonen in der Zwischenzeit ganz schön viel Düsteres und Abseitiges eingeflüstert haben, ist der neuen EP von Soki Green deutlich anzuhören.

Auf ihren ersten Konzerten klang die Band noch wie eine Begleiterscheinung zu Songwriterin Cornelia. Sparsam instrumentiert, behielten die Songs ihren akustischen Charakter. Auf der EP „Lights Off, I’m Off“ zeigt sich schon im Opener, dass die Gruppe nun zur Band zusammengewachsen ist: Düstere Synthesizer eröffnen die Platte, hie und da blitzt ein elektronischer Beat durch; ungewohnt, da das Münchner Quartett sich immer ein wenig an der Klassik orientiert hatte: mit Klavier und Cello. Doch die Songs sind nun vielschichtiger arrangiert, jedes Instrument bekommt seinen Platz, sie ergänzen sich gegenseitig. Und auch der mehrstimmige Gesang aus Cornelias dunklem, besonderem Timbre und den Stimmen ihrer drei männlichen Kollegen wirkt ausgewogener: Ein Bandurlaub an den Fjorden Dänemarks Anfang dieses Jahres schweißte sie zusammen. Dort entstanden auch eben jene Songs; die ersten, die die Band gemeinsam komponiert hatte. In denen sich ein spannungsreiches Schwingen zwischen der düster-klirrenden Kälte des nordischen Januars und einer einnehmend melancholischen Wärme findet.

Und so viel Experimentierfreude zahlt sich aus: Eine Booking-Agentur aus Hamburg nahm sie auf, es folgte eine ausgiebige Tour durch Deutschland. Die EP, die auf Tour exklusiv für die Besucher zu kaufen war, gibt es vom 3. Dezember an auch offiziell.

Musikstil: Akustik / Folk
Besetzung: Cornelia Breinbauer: Klavier, Gesang; Peter Pazmandi: Gitarre, Klarinette, Saxophon, Gesang, Produktion; Richard Colmsee: Cello; Adrian: Gitarre, Gesang.
Aus: München.
Seit: 2010.

Von Rita Argauer