Smalltalk könnte so einfach sein, wenn es diese Leute nicht geben würde, die dann anfangen ununterbrochen von sich selbst in den besten Tönen zu berichten.
Auf Partys lieber nicht reden, als mit Fremden, war das Muster. Als ich es geschafft habe mir eindringlich einzureden, dass die belanglosen Gesprächsklauseln ein wichtiger Mechanismus im Kennenlernen sind, verwickle ich in einer WG-Küche ein Mädchen mit „Was machst du?“ in ein Gespräch und sie erzählt mir fünf Minuten lang ohne Gegenfrage, wie toll sie sei. Smallltalkern wird es auch nicht leicht gemacht.
Wenn man als eingefleischte Münchnerin in die Welt zieht zum Studieren, erwartet einen immer der ein oder andere Kulturschock. Unter all den neuen Eindrücken aus der großen, weiten Welt ruht aber die Sehnsucht nach der Heimat. Unsere Autorin Katharina erzählt heute, warum sich der grantige Münchner auch einmal ein wenig Smalltalk aneignen sollte.
Der Smalltalk ist der Feind des Münchners. Diesen Eindruck habe ich jedenfalls vor meiner Abreise nach Kalifornien bekommen: Mehrheitlich ließen sich meine Freunde darüber aus, wie sehr es sie nerven würde, ständig mit Fremden über Nichtigkeiten zu plaudern, wie es der Amerikaner an sich eben tut. Oder wie der Münchner denkt, dass es der Amerikaner tut.
Neulich war ich dann im Supermarkt hier in Berkeley. Ich hatte mich endlich zwischen länglichen oder runden, grünen oder gelben Zucchini sowie Auberginen in den Varianten dunkellila oder helllila mit weißen Tupfen entschieden und stand an der Kasse. Der Kassierer bemerkte meine „SF Giants“-Baseball-Kappe und fragte mich, ob ich das Spiel der Baseballer aus San Francisco am Abend zuvor gesehen hätte. Hatte ich nicht. Ich hatte auch insgesamt nicht mehr als zwanzig Minuten irgendeines Giants Spiels in dieser Saison gesehen. Aber das macht ja nichts. Er erzählte mir von der peinlichen Pleite, wir machten Witze über den Pitcher und uns gegenseitig Mut, dass das mit den Playoffs doch noch klappen könnte. Es ist so simpel wie wundervoll. Jemand sagt etwas Nettes zu dir. Du sagst etwas Nettes zurück. Der andere Mensch lächelt, du lächelst, der Tag ist ein kleines bisschen besser. Man kann das oberflächlich finden, schließlich geht es in den seltensten Fällen um mehr Substanzielles als die beachtliche Größe der Wassermelone im Einkaufswagen des anderen. Oder man freut sich einfach darüber.
Eine Sache der Einstellung und der Gewöhnung. Wahrscheinlich würden viele Münchner Studenten auch glatt über ihre eigenen Ugg Boots stolpern, wenn ihnen jemand in der Mensa im Vorbeigehen ein Kompliment zuruft. Der ist bestimmt komisch. Oder gar gefährlich? Einfach nur freundlich – das ist hier die gängige Interpretation.
Aber diese Umstellung ist nicht nur für grantige Münchner hart. Auch einer meiner philippinischen Freunde war am Anfang eher eingeschüchtert von so viel Gesprächsbereitschaft. Heute ist das kaum zu glauben – denn niemand schafft es so gut wie er, dank charmanter Gesprächsführung besonders viele Gratisproben auf dem Farmers’ Market zu bekommen. Das ist dann quasi das nächste Level.
Und was ist die Königsdisziplin im Smalltalk? Für mich zweifellos der Small-Schrei. Der ist immer dann nötig, wenn du dem Busfahrer beim Aussteigen durch den vollbesetzten Bus hindurch ein „Dankeschön! Schönen Tag noch!“ zubrüllen willst. Das gehört hier zur Busfahrt genauso dazu wie der Drogenabhängige auf der Rückbank. Noch habe ich ein paar Monate, um die Tonlage zu perfektionieren.