Im Gleichgewicht

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Bei „Walk the Donau“ stellt Friedi Kühne einen neuen Weltrekord im Slacklining auf. Nach Straubing ist er eigentlich nur zum assistieren mitgefahren. Neben den Studium arbeitet der 24-Jährige als Stuntdouble, gibt Workshops und tritt bei Shows wie „Wetten dass“ auf.

München – Ein wackliges Gummiband spannt sich von einem Ufer zum anderen. Die Slackline ist 121 Meter lang, darunter rauscht der Fluss. Bei dem Spektakel „Walk the Donau“ in Straubing kann Friedi Kühne, 24, die Strecke ohne Sturz überqueren und stellt so einen neuen Slackline-Weltrekord auf: längste Strecke über bewegtem Wasser.

Doch geplant war das alles anders: Der Profi-Sportler Lukas Irmler möchte bei „Walk the Donau“, initiiert vom Verein Erlebnisraum Donau, einen neuen Weltrekord aufstellen. Für den Slackliner wäre das nicht der erste Weltrekord, schon mehrere Guinness-Buch-Einträge konnte er aufstellen, wie den „Highline-Höhenrekord auf über 5000 Meter“. Doch das ist dem 26-Jährigen nicht genug. 121 Meter über einen Fluss, das hat noch nie jemand geschafft. Sein Freund Friedi, selbst begeisterter Anhänger des Sports, bei dem es gilt, über ein wackliges Gummiband zu balancieren, hilft Lukas beim Aufbau für das Spektakel in Straubing. „Dass ich es nach Lukas auch probiere, war von Anfang an klar“, sagt Friedi.

Viertausend Besucher und das Fernsehen sind gekommen, um den Weltrekord live mitzuerleben, doch auf der Hälfte der Strecke stürzt Lukas, er kann sich noch halten und überquert die Slackline, doch für den Rekord reicht es nicht. Nach dem missglückten Versuch besteigt Friedi das Seil und kann es beim ersten Versuch überqueren, ohne zu stürzen. Der Weltrekord steht.

Angefangen hat die „Sucht“, wie Friedi seine Leidenschaft für Slacklinen bezeichnet, bei einem Kletterurlaub in Italien. Freunde haben die Slackline zwischen Felsen gespannt, aber die ersten Versuche waren deprimierend. „Ich fand es am Anfang blöd. Ich hatte keine Chance, über die Slackline zu kommen“, sagt Friedi. Doch die Abneigung entwickelt sich rasch zu einem Trotz, der ihn antreibt, das wacklige Band überqueren zu können. Der Ehrgeiz packt den 24-Jährigen. Er kauft sich seine eigene Slackline und übt sooft es geht. Sofort nach dem Schulunterricht spannt er das wacklige Band zwischen zwei Bäume. „Ich habe mich darüber gekämpft, bis ich es dann konnte“, sagt er. Dafür musste er eine Woche üben. „Erst konnte ich zehn Meter, dann dreißig, dann hundert, dann hundertfünfzig ohne Probleme balancieren.“

Drei Jahre intensive Beschäftigung folgen, auch ein Auftritt bei der ZDF-Show „Wetten, dass . . ?“ als Wettkandidat, bei der Friedi den zweiten Platz belegen konnte. Gerade studiert er im achten Semester Gymnasiallehramt, Mathematik und Englisch. Als Lehrer wird er sein künftiges Leben finanzieren, Jugendlichen Geometrie und Vokabeln beibringen, obwohl er lieber jede freie Minute auf dem wackligen Gummiband stehen würde. Damit verdient er sogar auch Geld. Er leitet einen Kurs beim Hochschulsport, gibt Workshops, tritt bei Shows auf und arbeitet gelegentlich als Stuntdouble für Filmproduktionen. Ein guter Nebenjob, doch zu wenig, um davon leben zu können. Das liege daran, dass Slacklining als Sportart noch nicht so vermarktet wird. Man könne damit nicht so viel verdienen, damit es zum Leben reicht, wie man es von Fußball und Leichtathletik kenne. „Gott sei Dank, so kennen sich die guten Slackliner untereinander, weil es noch überschaubar ist. Es ist alles viel ursprünglicher und echter, der Wettbewerbsgedanke ist noch nicht so entwickelt, wie es bei vielen anderen Sportarten der Fall ist“, sagt Friedi.

Foto: www.elephant-slacklines.com

Stefanie Witterauf