Vier Jahre lang hielten Laurin Hahn, 22, und sein bester Freund Jona Christians, 23, ihre Idee geheim. Jetzt suchen sie Investoren und Unterstützer für ihr Elektroauto mit integrierten Solarzellen.
Von Jacqueline Lang
Laurin und Jona sind beste Freunde. Seit der ersten Klasse. Mit 14 haben die beiden nach der Schule mehrere Stunden miteinander telefoniert, um sich über Probleme der Welt zu unterhalten, immer öfter auch über Rohstoffe wie Erdöl. Und irgendwann hatten sie eine Idee, die Welt ein Stückchen besser zu machen. Eine Idee, von der bis Anfang August nicht mal ihre Familien wussten: ein Elektroauto mit eingebauten Solarzellen.
Elektroautos sind keine neue Erfindung. Ihr großes Manko war jedoch bislang die geringe Laufzeit. Das soll sich mit den eingebauten Solaranlagen ändern und somit zu einer wirklichen Alternative zu benzinbetriebenen Autos werden. Sion heißt der Prototyp, den Laurin Hahn, 22, und Jona Christians, 23, anfangs noch in Jonas Garage entwickelt haben. Ohne Ausbildung oder Studium, dafür mit Hilfe von Youtube-Tutorials und Internetforen.
Vier Jahre lang wurde heimlich getüftelt. Seit einem Jahr ist aus der hobbymäßigen Fünftagewoche eine Siebentagewoche geworden, sagt Laurin. Er sagt es, als sei das ganz selbstverständlich. Freunde haben immer wieder gefragt, was sie die ganze Zeit machen. Darauf, dass sie ein Auto bauen, kam natürlich niemand. „Wir haben uns abgeschottet, aber das war es uns wert“, sagt Laurin. Bier trinken geht er trotzdem ab und zu mit seinen Freunden, feiern aber schon länger nicht mehr.
Die meisten Fragen stellte irgendwann Laurins Mitbewohnerin Navina Pernsteiner, 27. Laurin erzählte ihr deshalb als eine der Ersten von ihrer Geschäftsidee. Die gelernte Kommunikationsdesignerin war sofort begeistert und wurde Teil des Teams. Warum sie ihre Idee überhaupt so lange geheim gehalten haben? „Rausposaunen, was man Tolles macht, kann jeder“, begründet Laurin ihre Entscheidung sachlich.
Zu dritt haben sie nun Anfang August eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Die angestrebte Ziel von 150 000 Euro wurde bereits überschritten. Prototypen davon zu finanzieren, ist allerdings nicht möglich. Das Geld ermöglicht es ihnen aber immerhin, in ein größeres Büro umzuziehen und weitere Mitstreiter einzustellen. In erster Linie geht es ihnen jedoch darum, potenzielle Interessenten und mögliche Investoren auf sich aufmerksam zu machen. „Wir suchen jemanden, der sowohl nachhaltig investieren als auch sein Geld vervielfachen will“, sagt Laurin.
Der Plan scheint aufzugehen: Über die Plattform indiegogo konnten sie innerhalb kürzester Zeit bereits mehr als 500 Menschen von ihrer Idee begeistern. Die Unterstützer wählen einen Betrag und dürfen ab einer Summe von 50 Euro als Gegenleistung das solarbetriebene Elektroauto Anfang 2017 Probefahren. Danach können sie sich entscheiden, ob sie ein solches Auto haben möchten. Pre-Sale-Strategie nennt sich das: Der Kunde investiert in ein Produkt, das noch gar nicht auf dem Markt ist. 16 000 Euro soll das Elektroauto mit eingebauten Solarzellen kosten, wenn auch zuzüglich der Batterie. Die kostet dann nochmal um die 3000 Euro.
Laurin weiß, dass sie nicht viel Zeit haben, um einen geeigneten Investor zu finden und mit dem Bau von mindestens zwei fahrtüchtigen Prototypen zu starten. Dennoch strahlt er eine unglaubliche Gelassenheit aus, als er vor ihrem noch sehr kleinen Büro in der Lindwurmstraße sitzt. Die Räumlichkeiten teilen sie sich bis zum Umzug noch mit Wannda, das Projekt des großen Bruders Daniel. Laurin hat selbst lange bei Wannda mitgeholfen – auch, um sich neben der Arbeit an Sion das Leben zu finanzieren. Lange waren sogar alle drei Hahn-Brüder beteiligt, doch nun hat auch der Jüngste, Julian Hahn, sein eigenes Projekt: das Café „Gans am Wasser“ im Westpark.
Laurin ist jedoch der einzige der drei Brüder, der sich nicht im Bereich Gastronomie verwirklichen will. An diesem Sommertag trägt er ein blaues Hemd, darüber einen türkisfarbenen Pullover, seine dunkelbraunen Locken sind leicht verstrubbelt, er trinkt Earl-Grey-Tee und spricht von seinem Traum, die Welt ein bisschen besser zu machen. Blauäugig? Vielleicht. Aber Laurin weiß, was er will.
Was er und sein Team definitiv nicht wollen, ist um jeden Preis reich werden. Kosten decken? Ja. Gewinn? Nicht unbedingt. Die Pläne für den Bau des Autos sind deshalb für jeden einsehbar – und damit leicht zu kopieren. Einzelteile können über die Webseite bezogen werden, aber rein theoretisch kann man sie auch mit einem 3-D-Drucker nachdrucken, sagt Laurin. Jeder soll außerdem mit einfachen Mitteln in der Lage sein, das Auto selbst zu reparieren, Video-Tutorials zeigen, wie es geht.
Kostensparend an Sion ist vor allem die Strategie, einzelne Teile nicht selbst zu entwickeln, sondern diese von bestehenden Herstellern aufzukaufen. Der Nachteil: Dadurch können sie bislang noch nicht zu 100 Prozent für faire Arbeitsbedingungen garantieren. Langfristig ist aber auch das ihr Ziel, sagt Laurin. Er ist sich ebenfalls der Tatsache bewusst, dass ein Elektroauto nicht die ultimative Lösung ist. Es ist ein Schritt in Richtung nachhaltige Mobilität – ohne Erdöl. „Aber Fahrradfahren ist natürlich immer noch besser“, sagt Laurin.
Schaut man sich das Crowdfunding-Video von Sono Motors an, bekommt man auch einen Einblick in das Innere des schwarzen Gefährts, dessen Form an ein Überraschungsei erinnert. Optisch unterscheidet es sich kaum von anderen Autos – bis auf ein kleines Detail: Eine dünne Moosschicht verläuft einmal quer durch das Auto. Laut Laurin handelt es sich dabei um Rentiermoos, das nicht nur hübsch anzusehen ist, sondern auch noch Schall absorbiert und Schadstoffe filtert. Und: Es bedarf keinerlei Pflege.
Aber: Freundschaft bedarf Pflege. Ist es deshalb nicht manchmal schwieriger, mit dem besten Freund zusammenzuarbeiten? „Es ist perfekt. Es ist total harmonisch, weil man sich so gut kennt“, sagt Laurin. Mit der Professionalisierung und der geplanten Neueinstellung eines Geschäftsführers wird sich für das eingespielte Team einiges ändern. Laurin glaubt aber, dass diese Entwicklung in erster Linie positiv sein wird. Viel konnten sie sich selbst beibringen, aber sie haben immer noch viel zu lernen. Im Großen und Ganzen wird jeder der drei jungen Münchner aber sein Aufgabengebiet beibehalten: Jona IT, Navina Design und Laurin Öffentlichkeitsarbeit und Nachhaltigkeit. Ob das immer so bleiben wird, lässt Laurin aber dahingestellt: „Das ist unser großer Traum, aber ich denke nicht, dass wir mit 50 alle noch das Gleiche machen.“
Foto: Robert Haas