Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Marina

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Auch wenn die Wetteraussichten nicht die besten sind, trotzt unsere Autorin jedem Regenschauer und lässt sich ihren Sommer nicht verderben. Auf ihrem Wochenplan steht das Theatron, eine Vernissage und die
Surf Film Nacht München.

Bei den eher kühlen als sommerlichen Temperaturen, die mir
die kommende Woche bevorstehen, kommt bei Betrachtung des Wetterberichts noch
keine wirkliche Sommerstimmung auf. Also mache ich mir die eben selber:

Freitag
beginnt gleich mit einem vollen Programm. Zuerst in der Bar Altgiesing, mit der
Vernissage der Ausstellung Books and Birds
mit den Illustrationen von Simon
Marchner. Man kennt ihn in München, von verschiedenen Ausstellungen und weil er
hinter dem ein oder anderen Bandplakat und Albumcover lokaler Bands steckt.
Naturmotive, gebildet aus geometrischen Formen und klaren Farbflächen – klingt
wie ein Gegensatz, funktioniert aber super. Weil mir das noch nicht genug Kunst
war, ziehe ich weiter zur Preview der Stroke. Die Münchner Kunstmesse findet sonst
immer im Frühling statt, seit letztem Jahr gibt es auch eine Ausgabe im Herbst
und jetzt eine Preview, die Veränderungen ankündigt und mich schon seit Wochen
neugierig macht.Nach so viel Kunst brauche ich dann aber erstmal Entspannung
für die Augen. Also ab ins Kooks, Augen zu und Musik an, zu dem punkigen Mix
von DJ Robert Pointner. Ideal für einen Freitag Abend und perfekt für mein
entspanntes Sommerfeeling.

Samstagmorgen fällt es mir plötzlich wieder ein: Da warten
noch drei Hausarbeiten auf ihre Bearbeitung. Das hatte ich irgendwie geschickt
verdrängt – aber es hilft nichts, den Tag verbringe ich fleißig vor dem Laptop.
Abends geht es dann aber zum Theatron, das Festival ist im August nicht
wegzudenken, wenn man in München unterwegs ist. Außerdem spielen heute mit AMI
und Xavier Darcy
zwei meiner absoluten Lieblingsmusiker aus München, die ich in
dieser Kombination nicht verpassen will.

Sonntag bin ich tagsüber wieder mit den Hausarbeiten
beschäftigt – jedenfalls ein bisschen. Um doch noch vom Uni-Stress
abzuschalten, habe ich mir mit dem Film „Gaza Surf Club“ bei den
Filmkunstwochen ein entspanntes Abendprogramm gesucht. Es geht um junge
Palästinenser, die ausbrechen wollen aus den begrenzten, von den Hamas
regierten Gebieten, und das zumindest in einem Moment schaffen: auf dem Meer,
beim Surfen. Beeindruckt von diesem Film falle ich nach dem Wochenende erstmal
müde ins Bett.

Wie jeder andere auch mag ich Montage nicht besonders. In
die Arbeit fahren um eine Uhrzeit, die ich eigentlich gerne eher schlafend
erleben würde – naja, kann man nicht ändern. Dafür lege ich nach der Arbeit
noch einen Abstecher zur Praterinsel ein, wo gerade der Open Air Bar Market
stattfindet. Besonders die Madam Bar mag ich sehr gerne und freue mich über die
Möglichkeit, meinen Montag entspannt ausklingen zu lassen.

Am Dienstag zieht es mich wieder zum Theatron, wo heute
Adulescens auftreten. Mit mitreißendem Electro-Pop inspiriert von Post-Rock und
Elektro mischen sie das Publikum ordentlich auf. Da macht zuhören Spaß und ich
kann mitwippen und den Abend genießen.

Der nächste musikalische Höhepunkt sind zwei bekannte
Singer-Songwriter aus der Münchner Musik-Szene im Minna Thiel. Jacobey und
Nikolaus Wolf spielen beim Schienen-Bus-Konzert und verzaubern die Zuhörer
einerseits mit eingängigen, leicht melancholischen Melodien und
charakteristischer Stimme bis hin zu großartigen Songs, die mit ihren Texten
direkt unter die Haut gehen. So sollte ein Mittwoch doch aussehen!

Wer hätte es gedacht: Donnerstag bin ich schon wieder auf
einem Konzert. Diesmal im Maxe Belle Spitz, bei We Speak in Colors, dem
Indie-Projekt des Amerikaners Andrew Armstrong, ein Künstler, der mit seinen
eindrucksvollen Songs und einer sanften Stimme Bilder von Sonne und Fernweh
zaubert. Kein Wunder, denn der Musiker ist in den letzten Jahren selten an
einem Ort geblieben und treibt sich durch die USA und die ganze Welt. Support
gibt es von Ben Deen, Singer-Songwriter ursprünglich aus München, mit bluesigen
Songs über das Leben.

Am Freitag gehe ich es ruhig an und greife ein anderes Thema
dieser Woche wieder auf: Surfen. Bei der Surf Film Nacht München erfahre ich,
wie die spanische Surfkultur entstand, die heute Menschen aus der ganzen Welt
anzieht. Nach dieser Woche voller Konzerte und Filmerlebnisse falle ich müde
ins Bett – meine Hausarbeiten habe ich natürlich schon wieder vergessen.

Text: Marina Sprenger

Foto: Privat

Klare Linien

Grafik-Designer Simon Marchner, 27, druckt Konzertplakate – etwa für „The Notwist“. Das Besondere: Die Plakate sind Handarbeit und hängen nicht an Litfaßsäulen, sondern im Fan-Shop oder im Rahmen.

Im Skizzenbuch von Grafik-Designer Simon Marchner, 27, gibt es eine Doppelseite mit Eulen. Die Linienführung der schemenhaften Skizzen wechselt zwischen dicken und dünnen Strichen. Eine der Eulen ist im Gesicht ausgemalt. Unter ihr steht die genaue Bezeichnung: Schleiereule. Vögel und Eulen ziehen sich durch das Leben des jungen Mannes: „Ich habe schon im Kindergarten Vögel gezeichnet.“ 

Heute gestaltet Simon, der in München wohnt und arbeitet, neben den altbewährten Eulen vor allem Plakate für Musiker, Bands und Festivals. Aber keine Ankündigungsplakate, die an Litfaßsäulen oder Stromkästen hängen, sondern Kunstdrucke, die er in Handarbeit selbst herstellt und die als Erinnerungen oder Kunstwerke verkauft werden. Simons Arbeiten sind limitierte Unikate, nummeriert und vom Künstler signiert. Zu seinen Kunden gehören etwa die US-Indie-Gruppe Band of Horses oder die weit über Bayern hinaus bekannte Band The Notwist. Die Musiker mögen die individuellen Plakate von Simon und bieten sie ihren Fans an. Im Gegensatz zu Plakaten aus Internetdruckereien erhalten sie handgedruckte Plakate.
 Simon druckt die Plakate im Siebdruckverfahren – echte Handarbeit. Die 70 bis maximal 200 limitierten Plakate entstehen in einem Keller-Atelier in der Maxvorstadt. Alleine die Vorbereitung für den Druck dauert eine Stunde.

Das Verfahren ist sehr aufwendig, es lohnt sich aber für Simon: „Jedes Plakat unterscheidet sich durch den Druck minimal vom anderen“, sagt Simon, so gebe es nur Unikate. Besonders schätzt er seine Unabhängigkeit im Entstehungsprozess. Die sei ihm besonders wichtig. Er sei ein „absoluter Perfektionist“, der alles selbst machen muss. Aber nicht, weil er anderen nicht vertraue, sondern weil er viel Herzblut in seine Projekte steckt.
 Simon spricht sehr analytisch über einen „Prozess“. Einmal sagt er, dass er auch Leidenschaft und Gefühl in die Arbeit steckt, sagt aber gleich danach: „Aber ich lenke die Emotionen.“ Das Ergebnis sei wichtiger als der Prozess. Wirklich?
 

Auf der ersten Seite des schwarzen Skizzen-Buchs hat Simon handschriftlich eine Gleichung aufgeschrieben: „Beauty = Function.“ Schönheit ist Funktion. Ein Gegenthese zum Grundsatz der Kunstschule Bauhaus („Form Follows Function“), nach dem die Form der Funktion folgen muss, also die Funktion wichtiger sei als das Ästhetische. Simon räumt mit diesem Satz der Schönheit einen prominenten Platz ein, ohne aber die Sachlichkeit zu verlieren. Simon wird von beidem gleichermaßen geleitet, von dem Gefühl der Schönheit und der nüchternen Funktion, die sich so zeigt: Er überlegt lange, antwortet sehr reflektiert und strukturiert.
 

In der Arbeit speichert er jeden Zwischenschritt in einer eignen Datei ab. Simon hat klare Prozesse: Er entwickelt eine Idee, verbildlicht diese mit einem digitalen Stift am Computer und arbeitet dann schriftweise weiter bis zum fertigen Plakat. Das Emotionale zeigt sich so: Am Anfang zeichnet er kopflos Dinge und Gedanken in sein Skizzenbuch und lässt seiner Kreativität freien Lauf. Für Musik und die Bands, für die er arbeitet, entwickelt er mit Leidenschaft und Begeisterung Ideen. Er kann sich in Dingen verlieren: „Ich versuche abzuschalten, kann es aber nicht lassen“, sagt Simon, der oft nach der Arbeit zu Hause weiter arbeitet.
  

Simon bewegt zwischen Emotion und nüchterner Funktion. In ihm prallen der emotionale Künstler und der nüchterne Grafiker aufeinander: Simon sagt aber klar: „Ich bin Grafiker.“ Er denkt die Dinge vom vorgegebenen Ziel aus. Das sieht man auch an den Plakaten. Sie wirken durchdacht: selten mehr als drei Farben, klare Linien, minimalistisch und mit viel Freiraum. Neben den Lieblingsprojekten, den Plakaten, an denen er oft eine ganze Woche arbeitet, erledigt er auch grafische Auftragsarbeit. Da sei das reine Ergebnis das Ziel: „Das Logo für eine Ergo-Therapie-Praxis gehört eben auch dazu“, sagt Simon.

Solche Jobs hält Simon in vielen kleineren To-do-Listen im Skizzenbuch zwischen gezeichneten Wolken und Schmetterlingen fest. Bis vergangenen Freitag gehört auch die Finanzierung eines Buchs per Crowdfunding dazu. „Squeegee“ ist die Neuauflage eines Konzertposter-Buchs verschiedener Siebdruck-Künstler in Europa, die der Münchner Bernd Hofmann, besser bekannt als „Señor Burns“, herausgibt. „Squeegee“ stehe für den Sound des Rakel beim Siebdruckverfahren. Das Ziel, 9 000 Euro, wurde erreicht. Nun kann das Buch gedruckt werden. Es beinhaltet auch fünf Poster und ein Interview mit Simon. Die Eulen übrigens finden darin keinen Platz. Die werden im September gedruckt – auf der Unterseite eines Skateboards. Auch so etwas gehört dazu.  

Von: 

David-Pierce Brill

Fotos: 

David-Pierce Brill