Begleitbären in San Francisco

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Wenn man als eingefleischte Münchnerin in die Welt zieht zum Studieren, erwartet einen immer der eine oder andere Kulturschock. In Kalifornien sorgen Begleitbären für einen gefahrlosen Heimweg von der Universität. Doch auch sonst wird an der amerikanischen Westküste viel Wert auf Sicherheit gelegt.

Der Polizist fängt an zu brüllen. Im Hörsaal links hinter dem Dinosaurierskelett zucken 300 Studenten zusammen. „Seid gefälligst unerschütterlich!“ Das ist die Botschaft der universitätseigenen Polizeidienststelle an die internationalen Gaststudenten. Außerdem sollen wir bitte unbedingt anrufen, wenn wir uns unsicher fühlen. Nachts besser in Gruppen unterwegs sein.

Oder gleich mit einem Begleitbären. Ein Bär ist das Maskottchen der UC Berkeley und ein Begleitbär ist ein speziell ausgebildeter Student, der dich auf Anfrage kostenlos auf dem Weg über den Campus oder bis zur U-Bahn begleitet. Von Anbruch der Dunkelheit bis weit in die Nacht hinein. Einige der Begleitbären sind sogar Single. Und die meisten sehen ziemlich gut aus, auch damit wirbt die Uni für ihr Angebot.

Viele Studenten sind nach der ersten Schrecksekunde eher unbeeindruckt. Ein paar lachen. Auch Wochen später redet mancher noch amüsiert von der Sorge der Uni um uns. Denn am Campus ist es sonnig, friedlich, spaßig, herrlich. Bis zu der Woche mit den acht E-Mails.

Achtmal bekommen wir in dieser Woche eine E-Mail mit dem Hinweis auf einen vorangegangenen bewaffneten Überfall in unmittelbarer Campus-Nähe. Im Kneipenviertel, an der Einkaufsstraße, an meiner Bushaltestelle. Und bewaffnet, das heißt hier nicht, dass einer sein Taschenmesser rausholt. Bewaffnet heißt, dass er eine geladene Schusswaffe auf dich richtet. In dieser Woche war ich erschüttert. Wenn wir mal ehrlich sind, ist die größte Sorge an einem typischen Münchner Unitag, dass das Fahrrad geklaut werden könnte.
 Aber man gewöhnt sich an alles – vor allem an einem Ort, an dem du beim Stadtspaziergang ein Rentiergeweih tragen kannst und das nicht weiter auffällt. An dem hinter einer Straßenecke auf einmal die von der Sonne angestrahlte Golden-Gate-Bridge neben der markanten Skyline von San Francisco auftaucht. Dieser Anblick entschädigt für vieles. Denn er gibt mir das benebelnde Gefühl, dass die Welt wunderschön ist. Egal was gerade sonst noch so los ist, oder wer zum Präsidenten gewählt wurde, alles wird gut.

Außer man geht 50 Meter zu weit die Straße runter. Das ist zwei – wohlgemerkt: kalifornischen – Freunden und mir auf dem Weg von einem Konzert zur U-Bahn passiert. Gerade waren da noch elegant ausgeleuchtete Hotels. Plötzlich ist es dunkel, links von uns ein verlassener Parkplatz. Heroinabhängige liegen quer über dem Gehsteig. Wir sind im Tenderloin gelandet. Dem Viertel, das jeder auf der Stadtkarte schwarz durchstreicht, wenn er Touristen den Weg erklärt. Daheim in München rät man vielleicht davon ab, nachts um 3 Uhr einen Spaziergang um den Hauptbahnhof zu machen.

Zurück nach San Francisco: Eigentlich ist es gar nicht so schlimm. Also gehen wir tapfer an den Typen in den schwarzen Kapuzenpullis vorbei und stehen keine drei Minuten später im Stadtzentrum vor dem hell erleuchteten Einkaufszentrum und den putzigen Cable Cars. Unerschütterlich. Trotzdem, mit Begleitbär wäre das bestimmt anders gelaufen.

Text: Katharina Hartinger 

Foto: Privat