Schweinefüße in München. Zum Essen. Die zu finden ist leichter gesagt als getan – Und erscheint am Ende der Suche doch denkbar einfach.
Er sucht Schweinefüße. Das haben wir beide verstanden. Trotzdem schauen wir den jungen Chinesen, der uns auf dem Weg nach Hause abgefangen hat, etwas verständnislos an. Denn was er damit machen will – keine Ahnung! Unsere Verwirrung inspiriert ihn, zu einer Runde Pantomime. Er stößt Grunzlaute aus und zeigt auf seine Schuhe. „For eating?“, frage ich vorsichtig, obwohl es mir unhöflich erscheint, jemandem so etwas zu unterstellen. Aber er nickt begeistert. Wir haben verstanden. Er sucht eine traditionelle Gaststätte, wo das deutsche Nationalgericht „Schweinefüße“ serviert wird. Ich sehe David an. Auch ihm ist diese Gaumenfreude neu.
Nachdem wir einige Minuten überlegt haben, in welche authentische Münchner Touristenfalle wir den jungen Mann schicken sollen, fällt uns ein, dass wir über einem Wirtshaus wohnen. Also nehmen wir ihn einfach mit, seine Freunde folgen in einigen Metern Abstand. Dass dort ein Lederhosenfest im Gange ist, vertreibt sogar die allgemeine Enttäuschung über den Mangel an Schweinefüßen in München. Auf dem Weg erzählt uns der junge Chinese, dass sie Studenten sind – Biotechnologie – und die Reise als Preis für ein Projekt bekommen hätten. Als wir erwähnen, dass wir Philosophie studieren, lacht er. In der deutschen Geschichte, sagt er, gebe es so viele Philosophen, weil die Deutschen einfach zu viel Zeit zum Nachdenken hätten. Dann fragt er zum dritten Mal innerhalb von drei Minuten, wie weit es noch ist.
Als Deutsche wurde ich von Ausländern schon für pünktlich, pedantisch und verrückt nach Mülltrennung gehalten. Der Deutsche als selbstvergessener Zeitvertrödler – das ist mir neu. Auch Kant habe ich bis jetzt noch nie als Anhänger bayrischer Gemütlichkeit gesehen. Dass Chinesen zielstrebig und geschäftig bis ans Limit sind, ist ja so ein doofes Klischee. Und Klischees sind da, um sie zu widerlegen. Leider macht unser Begleiter keine Anstalten, dies zu tun. Er spricht über Karriereplanung und fragt dann noch einmal, ob wir jetzt endlich da sind. In seiner Stimme schwingt ein Vorwurf mit. Ich räume ein, dass es vielleicht doch eher acht als fünf Minuten zu Laufen waren.
Als wir uns vor dem Wirtshaus verabschieden, frage ich mich, ob er die bayrische Gemütlichkeit da drin lang aushalten wird. David und ich jedenfalls – Westfale und Sächsin – haben uns noch nie so bayrisch gefühlt wie heute. Nur um zu erkennen, dass sie mit „Schweinefüßen“ Schweinshaxen gemeint haben, dazu sind wir dann doch nicht bayrisch genug. Susanne Krause
Jugend: Das bedeutet Nestflucht. Raus aus der elterlichen Einbauküche, rein ins Leben. Nur dauert es dann nicht lange, bis man sich einen Pürierstab zum Geburtstag wünscht – oder Sehnsucht nach Mamas Gulasch hat. Eine Kolumne über das Zuhause, was auch immer das sein mag. „Bei Krause zu Hause“ erscheint im Wechsel mit der Kolumne „Beziehungsweise“.
Geboren in der östlichsten Stadt Deutschlands, aufgewachsen in der oberbayrischen Provinz: Susanne Krause musste sich schon früh damit auseinandersetzen, wo eigentlich ihre Heimat ist – etwa wenn die bayrischen Kinder wissen wollten, was sie für eine Sprache spreche und wo „dieses Hochdeutschland“ sei.