Schrilles Örtchen

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Das neue Semester ist gerade mal drei Wochen alt. Aber schon jetzt sind vor der Ludwig-Maximilians-Universität genügend Flyer verteilt worden, um damit das Uni-Hauptgebäude über die Wintermonate zu beheizen.

Es ist kaum zu erkennen, wo zur Erinnerung an die Geschwister Scholl steinerne Flugblätter in den Boden eingelassen wurden – zu viele Flugblätter anderer Natur flattern über den Geschwister-Scholl-Platz. Sie erinnern an Fitnessstudios, Elf-Euro-Friseure und Freigetränke. Dazwischen sitzen Grüppchen von Studenten in der Herbstsonne, die es vor lauter „Nein, danke“-Antworten kaum schaffen, zwei zusammenhängende Sätze zu formulieren.

Die Werbebranche führt ihren Papierkrieg mit größter Hartnäckigkeit, Deserteure werden nicht geduldet. Aber dabei übersehen die Marketingabteilungen das Wesentliche: Sie könnten es so viel leichter haben. Denn kaum sind die Studenten dem Bombardement der Flyer-Verteiler entflohen, geht es dorthin, wo sie sich freiwillig in Werbung einpacken. Nach Hause.

Irgendwo hängen sie fast in jeder Wohnung: Werbepostkarten. Sie tapezieren Bäder, WG-Flure und Kleiderschranktüren von eben jenen Leuten, die den täglichen Papierkrieg an der Uni verfluchen. Seltsam ist das schon. Die Postkarten stammen für gewöhnlich aus Bars und Restaurants, wo sie vor den Toiletten ausliegen. Es mag sein, dass einfach alles, was gratis ist, einen unwiderstehlichen Reiz ausübt. Oder auch, dass sich der Mensch nach dem Austreten erleichtert fühlt und offen für Neues. Was auch immer der Grund für ihre Beliebtheit sein mag, ist es nicht beunruhigend, wie einfach diese Karten an unserem aufgeklärten Bewusstsein über die manipulative Kraft der bösen Werbung vorbeigeschmuggelt werden? Oder bin ich die einzige, der es unheimlich ist, von Waschmittelwerbung nach dem Sexualverhalten befragt zu werden? „Treibst du es gern bunt?“ Das steht neben ein paar schrillen Unterhöschen auf einer Karte, die bei einer Freundin über der Toilette hängt. Wer möchte sich schon von allen Waschpulverherstellern dieser Welt beobachtet fühlen, wenn er pinkeln geht?

Bald werden wir das alle müssen. Oh ja, dann wird auch die Werbung erkannt haben, dass nicht das Internet, sondern Toiletten das Werbemedium des neuen Jahrzehnts sind. Dann werden an der Uni die Flyer-Verteiler in den Kabinen stehen – und ihr, liebe Studenten, werdet euch wünschen, ihr hättet nie, niemals all diese Karten mit nach Hause genommen! Susanne Krause

Jugend: Das bedeutet Nestflucht. Raus aus der elterlichen Einbauküche, rein ins Leben. Nur dauert es dann nicht lange, bis man sich einen Pürierstab zum Geburtstag wünscht – oder Sehnsucht nach Mamas Gulasch hat. Eine Kolumne über das Zuhause, was auch immer das sein mag. „Bei Krause zu Hause“ erscheint im Wechsel mit der Kolumne „Beziehungsweise“.

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Geboren in der östlichsten Stadt Deutschlands, aufgewachsen in der oberbayrischen Provinz: Susanne Krause musste sich schon früh damit auseinandersetzen, wo eigentlich ihre Heimat ist – etwa wenn die bayrischen Kinder wissen wollten, was sie für eine Sprache spreche und wo „dieses Hochdeutschland“ sei.