Tanzende Trompeten

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Sebastian Kölbl begann in der Blaskapelle von Gars am Inn, mittlerweile hat er es mit seiner Reggae-Band bis ins Finale des Emergenza-Wettbewebs geschafft und nimmt nun ein Album auf.

Von Katharina Hartinger

Er steht nur in der zweiten Reihe und fällt doch sofort auf. Die anderen drei Trompeter tragen Kleidung in gedeckten Farben. Sebastian Kölbl, 19, trägt geblümte, knallblaue Bermuda-Shorts. Und noch etwas ist anders, als Schoko – so nennt er sich selbst – beim diesjährigen Kulturspektakel mit der Big Band des Gautinger Gymnasiums ein grandioses Konzert spielt: Dass ein 19-Jähriger in einer Schul-Big-Band mitmacht, klingt zunächst nicht erwähnenswert. Doch Sebastian hilft nur aus – er hat vor einem Jahr die Schule geschmissen. „Um so viel Musik wie möglich machen zu können“, sagt er.

Mehr Musik macht Sebastian gerade vor allem mit seiner Band „Schoko“, die er im März gegründet hat. Im Sommer stand die Gruppe schon beim internationalen Bandwettbewerb „Emergenza“ im Finale. Vor einer Fachjury und den Besuchern des Taubertalfestivals durften sie neben Bands aus Italien, Kanada und Korea auftreten. Ihren Musikstil beschreibt Sebastian als „gute Laune – auf Reggae-Basis“.

Auf dem Weg ins Finale der besten 20 internationalen Newcomer-Bands musste Sebastian mit seiner Band einige Vorentscheide überstehen. Mitten in der Gründungsphase und oft mit nur einer Probe vor der nächsten Runde konnten die sieben Musiker offenbar überzeugen. Mit nur zwei Proben vor dem Auftritt haben sie es im Finale auf den 13. Platz geschafft. „Trotz des undankbarsten Zeit-Slots und gefühlten 40 Grad hat die Band eine sehr lustige Show abgeliefert. Schoko hat eine unglaubliche Ausstrahlung und Spielfreude“, findet Karl Nowak, Deutschlandchef des digitalen Musikvertriebs Spinnup und Juror beim Emergenza-Weltfinale. Was sieht die Band selbst als ihr Erfolgsgeheimnis? „Das sind einfach alles Hammer-Musiker“, sagt Sebastian über seine Bandkollegen. Er selbst sei ein ziemlich chaotischer Bandleader. Es klingt stolz, wenn er das sagt.

Chaotisch muss es auch zugegangen sein, als Sebastian nach der elften Klasse die Schule verließ. Die Verpflichtungen, die Berechenbarkeit, besonders das Fach „Berufs- und Studienorientierung“ mit den Fragebögen und Studienplänen. Sebastian sagt, er liebt die Freiheit. Und entschied sich gegen das Abitur, für die Musik. Seinem Vater erzählte er erst von seinem Entschluss, als er sich gerade abgemeldet hatte. Am gleichen Tag ist er ausgezogen. Durch einige Zufälle und einen zigarettenrauchenden Peruaner landete er dann bei Jamaram, der Münchner Reggae-Band schlechthin. Sichtlich beeindruckt haben ihn die drei Monate als Trompeter der Band. Er schwärmt von den „fetten Licht-Shows“ bei den Konzerten. Und von den Shows an sich, von der Interaktion der Musiker mit dem Publikum. Vom Tanzen auf der Bühne. Auf den ersten Auftritt mit Jamaram hat er sich vorbereitet, indem er Konzertmitschnitte angehört und mitgespielt hat. Dazu brauche es ein feines Gehör, und das habe er in der Blaskapelle gelernt, sagt Sebastian.

Ein Reggae-Musiker in der Blaskapelle? In Gars am Inn in der Nähe von München, wo er zur Schule ging, sei das eine Selbstverständlichkeit, erzählt er. Alle waren in der Blaskapelle oder wenigstens im Trachtenverein. Der Reiz der Blasmusik liegt für ihn in der Vielseitigkeit. „von Jazz bis – Disco spielst du da alles.“ Einen seiner jetzigen Bandkollegen hat er aus der Blaskapelle rekrutiert. Andere Musiker, mit denen er zusammenarbeitet, kennt er vom Landesjugendjazzorchester. Die klassische Ausbildung, dass er trotzdem mehr ist als ein Gute-Laune-Musiker, das bleibt hörbar: „Sie merken bestimmt, dass wir heute jemanden dabeihaben, der auch die allerhöchsten Töne trifft“, sagt Rupert Wierer, der Leiter der Gautinger Schul-Big-Band, beim Kulturspektakel über seinen Gast. Das Publikum ist begeistert, und nicht nur von Sebastian.
 Auf Swing am Vormittag folgt für den 19-Jährigen am Nachmittag dann Reggae mit seiner Band. Möglichst tanzbar soll die Musik sein und Sebastian legt auf der Bühne selbst kleinere und größere Tanzeinlagen hin – bis seine markanten Dreadlocks einzeln durch die Luft fliegen. Während des Konzerts reißt der Gitarren-Gurt. Er bekommt einen Bierkasten und steht mit einem Bein darauf, die Gitarre auf dem Knie. „Wie Captain Morgan“, sagt er und lacht sein Gute-Laune-Lachen.

Jetzt, wo die Veröffentlichung des ersten eigenen Albums bevorsteht, hat sich Schoko sogar einen Terminkalender besorgt. Schließlich spielt er auch noch in anderen Bands, reist quer durch Europa und schreibt Songs. Da kommt einiges an Terminen und Chaos zusammen. Wo er im Moment wohnt? Sebastian sagt, er sei „auf Reisen“. Konkreter wird er nicht. Trompete, Ukulele und Gitarre habe er immer dabei, sogar im Freibad. Und wie beschreibt einer, der immer drei Instrumente bei sich trägt, sein Verhältnis zur Musik? „Die Musik ist eine spirituelle Begleiterin, wie eine Ehefrau – nur ohne Ehe.“ Verpflichtungen sind eben nicht so seins.

Foto: privat