Band der Woche: Gadda Bohème

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Gadda Bohème machen Schlager-Musik – und rappen. Dazu kommt ein Dudelsack. Das gibt es wirklich: Die Musiker Roni Rudan (Rap), Julian Hofstetter (Rap, Dudelsack) haben jetzt bei einem Trash-Schlager-Label ihr erstes Album veröffentlicht: Traumfabrik.

Tabus kennt die Popmusik eigentlich schon lange nicht mehr. Alles, was provoziert oder was früher mal als geschmacklos galt, alles, was irgendetwas aufgreift, verleibt sich dieses immer weiter anschwellende Monster namens Popkultur ein. Unterschiede zwischen den einzelnen Genres werden kleiner, Subkultur und Mainstream verschwimmen. Doch es gibt eine Bastion, an die sich Popmusiker bisher selten getraut haben: Schlager und Volksmusik. Da verläuft eine unsichtbare Grenze, die nicht überschritten wird, obwohl sie ein wenig absurd erscheint angesichts dessen, dass sich Popmusik und Schlager im Prinzip gar nicht so unähnlich sind. Deshalb kann aber Florian Silbereisen auch mit einer Standhaftigkeit behaupten, er habe immer und ausschließlich Volksmusik gehört (das muss er auch, sonst verliert er seine Fans). Und in der Popmusik genießt man es, ein letztes Feindbild, ein letztes Tabu, eine letzte Gelegenheit zur Abgrenzung von der Bürgerlichkeit zu haben. Genau genommen ist diese Abgrenzung längst verloren und verschwommen, aber es geht hier ums Gefühl.

Um Gefühle geht es auch dem letzten wirklichen Provokateur der Popmusik: dem Schweizer Indie-Schlager-Sänger Dagobert. Denn der ignorierte diese Grenze mit provokanter Lust, als er zu Beginn seiner Karriere durch den Fernsehgarten im Frühstücksfernsehen streifte und Liebeslieder sang, deren Geschlechter-Rollen-Verständnis selbst die Großeltern der heutigen Pop-Musik-Generation als altbacken empfinden dürften. Ja, Dagobert ist das Schreckgespenst allen Fortschritts und gerade deshalb ziemlich zielstrebig voranschreitend. Mit Gadda Bohème gibt es jetzt eine Münchner Antwort darauf. Gadda Bohème rappen, doch das ist Schlager-Rap. Mit Dudelsack. Und mit einem heilsversprechenden Album namens „Traumfabrik“, das sie über das Trash-Schlager-Label Daxhill vertreiben. „Eigentlich sind die beiden Musikrichtungen sehr ähnlich“, erklären sie, wenn man sie auf diesen finalen Mash-up zweier sich erst einmal ausschließenden Lebenseinstellungen anspricht. „Beide Musikrichtungen sprechen den Menschen aus der Seele, beide haben romantische Weltvorstellungen (Heile Welt im Schlager vs. Hard Knock Life im Ghetto) und beiden Musikrichtungen wird vorgeworfen, dass sie musikalisch nicht wertvoll sind“, erklären sie weiter. Und treffen darin strukturell ganz ausschlaggebende Punkte. 

Doch wie sich nun der Authentizitätsanspruch des Ghettos mit der heilen Welt des Schlagers vereinbaren lässt, dafür haben Rapper Roni Rudan und Dudelsackspieler Julian Hofstetter einen ganz interessanten Dreh gefunden. Denn sie sind voller Schlager-Seligkeit, gleichzeitig aber ein bisschen bitter. „Unsere Songs drehen sich um das Dolce Vita“, erklären sie, „wir greifen die wirklich entscheidenden Themen auf, die den Leuten heutzutage auf den Nägeln brennen wie zum Beispiel Grillen oder Après-Ski“. Doch das Prinzip des inhaltlichen Tieffliegens geht auf in musikalisch wie textlichen Schlagergranaten („Bavaria Love“ mit dem sich halbwegs darauf reimenden „weil I di mog“ als Refrain) genauso wie in dem irish-folkigen „König für einen Tag“, das im Duktus von Falco die Ironie des Ganzen durchaus mittransportiert.

 Es ist also in guten Momenten eine Art Satire, die gleichzeitig voller Lokalkolorit auf Zugänglichkeit setzt (wie das Helmut Dietl meistens sehr vorzüglich gelang). In schlechten Momenten wirkt es einfach nur ein wenig billig. Und so ist vielleicht das stärkste an Gadda Bohème diese Ambivalenz: Einerseits erreichten sie mit „Bavaria Love“ Platz elf des Wiesnhit-Votings 2013, andererseits können sie sich ein wenig Gesellschaftskritik nicht verkneifen. 

Stil: Schlager/Dudelsack-Rap
Besetzung: Roni Rudan (Rap), Julian Hofstetter (Rap, Dudelsack)
Aus: München
Seit: 2012
Internet: www.gaddaboheme.de

Von: Rita Argauer 

Foto: Susanne Meyer