Beat-Battle

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Eine Gruppe Junger Münchner um Philipp Nadler gibt mit den ‘SampleSlams’ Nachwuchs-Musikproduzenten Eine Bühne. Diese funktionieren wie Poetry Slams, nur haut man sich hier keine Texte um die Ohren, sondern Musik.

Auf der Bühne stehen Musiker, aber das Publikum dreht ihnen den Rücken zu. Sie lauschen gerade der Jury. „Mir war der Mix im Low-End ein bisschen zu matschig“, sagt Juror Simon Lobenheimer. Low-End? Matschig? Die knapp 200 Zuhörer nicken zustimmend, jeder scheint zu verstehen, was gemeint ist, dabei wirkt die Menge gar nicht wie nerdiges Fachpublikum: Vom Technokopf bis zum Baggyhosen-Kopfnicker sind die Leute bunt gemischt.

Es ist kein 08/15-Clubabend, es ist Sample Slam. Hier messen sich junge Musikproduzenten. Es ist wie bei einem Poetry Slam, nur hauen sich hier die Teilnehmer keine Texte um die Ohren, sondern Beats.
Hinter einem Berg an Musik-Equipment und Kabeln, die sich zu einem wirren Salat schlängeln, blicken ein paar konzentrierte Köpfe hindurch. Dem ein oder anderen zeichnen Schweißperlen das Lampenfieber ins Gesicht. Es sind allesamt Schlafzimmer-Produzenten, also unentdeckte Produzenten, deren Studio sich oft auf dem Schreibtisch den Platz mit Uni-Kram teilen muss.

Einen Qualitätsunterschied zu etablierten Produzenten hört man keinesfalls. Einen Monat vor dem Auftritt wurden ihnen Soundschnipsel zur Verfügung gestellt, aus dem jeder Künstler vier fertige Tracks produziert hat. Mit diesen Tracks gilt es sich an diesem Abend zu messen. Den Konkurrenzcharakter untereinander spüre man, sagt Simon Zyrene, einer der Teilnehmer, „trotzdem hat jeder Spaß daran, mit den anderen auf den Abend hin zu arbeiten. Jeder ist gespannt, was die anderen aus dem Material gemacht haben“. Die fertigen Tracks lediglich abzuspielen ist den Teilnehmern nicht erlaubt. Die Werke müssen live im Duell eins gegen eins performt werden.
Für den Zuschauer sieht es aus, als würden sie vor Apparaten wild an Knöpfen drücken und drehen, tatsächlich setzen sie in Echtzeit das Vorproduzierte zu fertigen Musikstücken zusammen.

Die Initiatoren, eine Gruppe junger Münchner um den Gründer Philipp Nadler, haben es geschafft, die Glockenbachwerkstatt angenehm voll zu bekommen. Sie wollen mit dem Sample Slam keinen finanziellen Profit schlagen. Sie wollen jungen Musikern eine Bühne bieten, sie wollen nicht Jahre darauf warten, dass sich die Auftrittssituation in München durch Initiativen der Stadtverwaltung verbessert.

Beim Sample Slam winken den Gewinnern Sachpreise. Der erste Platz darf sich aber nicht nur über ein Upgrade seines Heimstudios freuen: Als Gewinner ist er automatisch für den nächsten Slam in der nächsten Stadt nominiert. Es passiert also durchaus mal, dass ein Schlafzimmer-Produzent sein Können in bedeutenden Clubs wie der Berliner Berghain-Kantine, oder der Distillery in Leipzig zeigen darf. Sein Netzwerk erweitert sich dadurch ungemein. Das Netzwerken ist in der Grundidee des Slams fest verwurzelt: „Es ist immer wieder lustig zu hören, wer jetzt was mit wem zu tun hat. Genau deswegen machen wir das Ganze“, sagt Philipp Nadler. Dem Initiator ist der gemeinnützige Charakter besonders wichtig. Es geht hier nicht ums Geld, darum ging es in seiner Vergangenheit lange genug: Nachdem er erfolgreich seinen BWL-Master absolviert und sich als Unternehmensberater etabliert hat, bemerkte er, dass dies nicht alles in seinem Leben sein konnte. Es sollte in seinem Leben mehr als materialistische Werte geben, deswegen kündigte er. Es gibt Bilder, auf denen er Sekunden nach seiner Kündigung, den Mittelfinger zeigend, den Fahrstuhl herunterfährt. Er entscheidet sich, wieder von Null anzufangen. Er widmet sich fortan der Musik, studiert Audio-Engineering. „In der Zeit meines Studiums habe ich die besten Leute kennengelernt“, sagt er. Einige dieser Bekanntschaften sind heute ein Teil der Sample-Slam-Crew.

Als nächstes Ziel haben die Münchner sich gesetzt, die Beat-Battles häufiger zu veranstalten, die Qualität weiter auszubauen. Demnächst starten sie eine Crowdfunding-Kampagne, um größere Künstler für das Rahmenprogramm buchen zu können. Alles mit der Absicht, das Publikum für die Newcomer wachsen zu lassen. 

Bis hierhin waren es weder ein ausgefuchster Businessplan noch eine gewitzte Werbestrategie, die dafür gesorgt haben, dass der Slam so gut ankommt – es ist einzig das Konzept und die Euphorie der Macher, die auf das Umfeld abfärbt.

In diesem Jahr stehen noch vier Städte an. Neben Berlin, Heidelberg und Leipzig ist München die nächste Station. Am 6. April wird dort der Bahnwärter Thiel zur Spielwiese für sechs frische Beat-Schrauber.


Text: Hubert Spangler

Foto: Felix Brodowski