München macht es jungen Menschen nicht leicht. Da will man abends feiern. Und kann nicht. Weil einige Locations noch Winterpause haben. Unser Autor Bela hat trotzdem einige Tipps für euch.
Nachdem ich im letzten Jahr in Spanien gelebt und vor allen
Dingen getanzt habe, nehme ich mir für die kommende Woche vor, meine
Post-Erasmus-Depression mit der Eroberung des Münchner Kultur-und Nachtlebens
zu bekämpfen. Die Temperaturen erinnern ohnehin an Südeuropa und ich bin erstaunt,
wie viel Spanisch ich auf den Straßen höre.
Mein
Wochenende startet kreativ-alternativ. Zuerst schaue ich am Freitag um 19 Uhr bei
der Vorstellung von „Die Welt in Skizzen. Ein Zeichenprojekt“ im Mixed Munich
Arts in der Katarina-von-Bora-Straße vorbei. Hierbei handelt es sich um ein
Projekt von Münchner Architektur Studenten, die ihre auf der ganzen Welt
entstandenen Skizzen als Buch veröffentlichen.
Dann geht es auch gleich weiter ins Atelier Kino, wo anlässlich der
Filmkunstwochen München die Dokumentation „Hello my name is – German
Graffiti“ gezeigt wird, mit anschließendem Barbecue und einer live-Graffiti-Performance. Ich muss schmunzeln, wie
kommerziell und Massen-tauglich die ursprüngliche Konterkultur mittlerweile
sein kann. Aber wer weiß, vielleicht finde ich hier ja mein neues Hobby.
Am Samstag habe ich viel vor: nach dem Ausschlafen,
Aufräumen und der Organisation diverser Dinge, die man als Studentin, die
eigentlich bald ihren Bachlor-Abschluss schreiben will, eben organisieren muss,
zieht es mich nach draußen. Ziel: das Gärtnerplatz Fest, das diesen Sommer sein
25-jähriges Bestehen feiert. Ab 14 Uhr kann man einem Rahmenprogramm beiwohnen,
bevor es um 20 Uhr 30 eine kostenfreien Aufführung von „Ein Sommernachtstraum“ nach Shakespeare mit Musik
von Felix Mendelssohn Bartholdy zu bestaunen gibt.
Allerdings werde ich es nicht bis dahin aushalten, denn nachdem ich ein paar
Stunden in der Sonne gesessen, gelesen und Menschen beobachtet habe, mache ich
mich auf den Weg zum Wannda Circus, in dem heute ab 18 Uhr zum letzten Mal der „schönste
Nachtflohmarkt der Stadt“ stattfindet. Auch wenn ich nicht die routinierteste Flohmarkt-Gängerin
bin, lasse ich mich gemütliche eine Stunde lang treiben, bis um 19 Uhr die
Lesung „Poetische Missverständnisse: Une
insomnie franco-allemande“ beginnt. Eine schöne Erinnerung an die schon vor
einiger Zeit formulierte Notiz an mich selbst, endlich mein Französisch aufzufrischen. Auch wenn der Abend hier noch lange nicht zu Ende ist
und noch Musik von beispielsweise Wendekind und Julius Blank zu hören sein wird,
reiße ich mich gegen halb neun auch von diesem Event wieder los. Ich möchte noch
auf die Flowerstreet Records-Labelnacht im Milla.
Jasper Flynn, die an diesem Abend ihre EP vorstellen, die Red Blood Cells und The Birdwatchers werden auf der Bühne stehen und ich freue mich auf alle drei
Bands. Gegen Mitternacht habe ich immer noch nicht genug getanzt und
der Gedanke an den freien Sonntag beflügelt mich. Also überlege ich mir, noch
spontan auf die Geburtstagsfeier des Blogs „Two in a row“ im Kong zu gehen.
Am Sonntag schone ich meine Füße, bleibe tagsüber auf dem
sonnigen Balkon und wage mich an 1300 Seiten deutsche Geschichte, in der
Hoffnung auf ein geeignetes Bachelor-Arbeits-Thema über das 19. Jahrhundert zu
stoßen. Um 19 Uhr lasse ich den Vormärz jedoch Vormärz sein, um die Premiere
von „DNA“ im Metropoltheater nicht zu verpassen.
Das Stück über Fremdenfeindlichkeit und die Frage nach Dazugehörigkeit von
Dennis Kelly entstand durch das Projekt TUSCH (Theater und Schule), bei dem
Schulen eine zweijährige Kooperation mit Theatern eingehen. Die Schüler bekommen
so die Chance, an einer professionellen Inszenierung mitzuwirken.
ein paar Freundinnen, mich in die Glockenbachwerkstatt zu begleiten, wo Viola, Lilli und
Emma ab 20 Uhr in romantischer Sommerabend-Stimmung mit Musik irgendwo zwischen
Folk und Pop bezaubern.
Auch wenn am Mittwoch schon einige schwarze Gewitterwolken
aufziehen, bin ich fest entschlossen endlich auch hier in München meine im
letzten Jahr entwickelte Salsa-Sucht auszuleben. Ab 20 Uhr kann ich heute im Dianatempel im Hofgarten zu südamerikanischen Rhythmen von Almost-Lovern
träumen. Auch Regen würde hier nicht stören,
schließlich hat der Tempel ein Dach. Abgesehen davon: was gibt es
romantischeres als eine Bachata in nassem T-Shirt? Vorausgesetzt der
Tanzpartner kann führen. Ich bleibe allerdings ein braves Mädchen und verfalle
keiner der lateinamerikanischen Verführungstechniken. Zumal da ich für Donnerstag einen Elterntag geplant habe.
Ich nutze die Tatsache, dass meine Mutter mir seit Wochen in
den Ohren liegt, die Ausstellung von Louise Bourgeois im Haus der Kunst auf keinen Fall verpassen zu wollen,
um sie und meinen Vater nach München zu locken. Um halb sieben nehmen wir an
einer öffentlichen Führung durch die „Cells“ der mit 98 Jahren verstorbenen
französisch-US-amerikanischen Künstlerin teil. Es geht um Schmerz. Psychischen
und physischen und ich fühle mich unglaublich kulturell interessiert. Lockmittel für meinen hundertprozentig veganen Vater, war
die Aussicht auf einen Seitan-Döner nach der Ausstellung im hundertprozentig veganen Royal Kebabhaus in
der Arnulfstraße. Wieder gestärkt nach
der schweren Kunst-Kost, beginnen hier allerdings die Diskussionen: Meine Mama,
die noch partyverrückter ist als ich, würde gerne ins Cord, zum Supersonic-Birthday.
Abtanzen bis in die frühen Morgenstunden. Mich zieht es eher ins Backstage zum Free&Easy,
wo heute mein neuer Liebling Ella Josaline mit herzzerreißender Traurigkeit
verzaubert. Ich glaube, mein Papa, der will eigentlich nur noch heim. Wir
werden sehen, wer sich durchsetzt. Wo auch immer wir letztendlich landen
werden, eins steht fest: ich will auch heute wieder tanzen.
Nach dieser Woche der durchtanzten Nächte und einem
weiteren Tag im Büro bin ich am Freitag Abend reif für die Couch und da mir
beim Feiern mit meinen Eltern bewusst geworden ist, dass ich in letzter Zeit
kaum Zeit mit dem vierten Mitglied meiner Familie verbracht habe, überzeuge ich
meine kleine Schwester, den Freitag mit mir auf der heimatlichen Couch zu
verbringen. Wir produzieren einen Berg Süßkartoffelpommes mit Sour Cream und Mayonnaise und schauen uns auf ARTE „Just like a Woman“ an,
ein – trotz schwachem Titel – überraschend guter Roadmovie mit einer
überraschend überzeugenden, bauchtanzenden Sienna Miller. Vielleicht tanze ich auch noch mal ein bisschen mit.