Die Geschichte von den kotzenden Zwergen

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Es ist ein verrücktes Projekt geworden: Im Kurzfilm “23 V” von Vincent Wild kotzen Zwerge. Mit diesem ungewöhnlichen Animationsfilm hat der Münchner bereits Preise gewonnen.

Angefangen hat alles mit einem Witz beim Mittagessen. „Sieht aus, als hätte ein Zwerg auf deinen Teller gekotzt“, sagte ein Kollege von Vincent. Vincent Wild (Foto: privat) ist dieser Witz im Gedächtnis geblieben. Der 21-Jährige hat daraus den Animationsfilm „23 V“ gemacht. V wie verrückt. Passt. In diesem Film kotzen Zwerge. Sie sind Teil der obskuren Lebensmittelfabrik „Pumilio“, die Fertignahrung in Gläser abfüllt. Doch hergestellt wird nicht etwa Erbsensuppe oder Linseneintopf. Zwerge übergeben sich in Einmachgläser. Die werden dann über Röhren direkt zum Konsumenten befördert: Da lungert ein abgestumpft blickender Mann im Achselhemd auf der Couch und wartet, dass das nächste Glas kommt. Die Geschichte, die Vincent erzählt, scheint unsinnig – findet aber ein Publikum: 2014 hat Vincent beim Münchner Nachwuchsfilmfest „flimmern & rauschen“ einen der Jury-Preise gewonnen, gerade ist sein Film auf der Regensburger Kurzfilmwoche gelaufen – vielleicht gerade weil der Film so sinnlos scheint?

Wie das mit den Zwergen so weit kommen konnte, weiß er selbst nicht so genau. Anfangs sollte es nur eine kurze Animation werden – eben ein Zwerg, der kotzt, sagt Vincent, der eine Ausbildung zum Mediengestalter bei der Bavaria Film macht, und schiebt sich seine Mütze zurecht. „Watt“ und „datt“ sagt er, der Münchner, ohne zu wissen, warum. Irgendwie ist er schon auch selbst ein bisschen verrückt. Der Typ passt also zum Film.

Aus einer kurzen Animation werden vier Monate Arbeit. Irgendwann, sagt Vincent, habe er dann gedacht, jetzt müsse er da noch eine Geschichte drum herum bauen, sonst lohne sich ja der ganze Aufwand nicht. Es entsteht also die Geschichte der Lebensmittelfabrik Pumilio, die wie eine Metapher für die Produktionsbedingungen von Billiglebensmitteln wirkt. Vincent animiert weitere acht Monate Zwerge und Fabrikförderbänder.

Fasziniert hat ihn das schon immer: In der Grundschule muss seine Klasse Maschinen zeichnen, die Dinge von A nach B befördern. Das hat Vincent irgendwann auch privat gemacht. Zur Entspannung. Und dann gibt es da diese Webseite. „Blue Ball Machine“ heißt die. Über Förderbänder laufen tausende blaue Bälle, fallen in Trichter, werden von Flaschenzügen rauf und runter gehoben – unendlich lange. Vincent mag so etwas. Das Wissen, das man braucht, um einen solchen Film animieren zu können, hat Vincent sich selbst angeeignet: mit Gratis-Programmen aus dem Netz, mit der Hilfe von Tutorial-Filmen. 

„Wenn ich eine Idee habe, dann will ich die auch genau so umsetzen, wie sie in meinem Kopf ist“, sagt Vincent, „dann soll zum Beispiel ein Auto explodieren. Nur kann ich mir kein Auto und keinen Pyrotechniker leisten. Also blieb mir nichts anderes übrig, als mir das alles selber beizubringen.“ Vincent hat schon viele solche Effekte animiert – auch im Spielfilmbereich. Für verschiedene Münchner Kurzfilme entwickelt er das Titel-Design, animiert Effekte wie das Auto, das in die Luft fliegt, spielt mitunter selbst mit. 

Einmal hat er für ein Englischreferat mit seinen Klassenkameraden eine ganze Folge von „Breaking Bad“ nachgedreht. Einfach so. Im Internet findet man ein Video von ihm: Vincent steht im Anzug mit gestriegelter Frisur auf einem Spielplatz und wird von einem Freund mit Eiern beworfen. In Slowmotion. Einfach so, weil er und der Freund eine Zeitlupenkamera ausgeliehen hatten und sich mit Eiern bewerfen wollten.
Mit 60 Eiern.
Schon ein bisschen verrückt. 

Gerade arbeitet er am Abschlussfilm für seine Ausbildung – einen Großteil des Budgets für den Film hat er sich selbst erspart. Ein Sci-Fi-Thriller soll es werden. Vincent schwärmt von Produktionen wie „Der Schuh des Manitu“: „Das hat mich beeindruckt, wie man mit so einem einfachen Film so viele Leute bewegen kann.“ Mit filmischen Mitteln bewegen – das will er auch. Ob als Regisseur oder vielleicht doch als Animateur, das weiß er noch nicht.
 Nach der Ausbildung will er erst einmal einen längeren Spielfilm drehen, ohne Zwerge. Doch „23 V“ ist schon einmal ein guter Anfang. Denn Zwerge haben in Hollywood schon so manche Karriere begründet. Die von Walt Disney zum Beispiel – „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ war der erste abendfüllende Spielfilm seiner Firma. Allerdings haben die nicht gekotzt.  Carolina Heberling