Band der Woche: Mundhaarmonika

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Die Münchner Hip-Hop Band Mundhaarmonika macht theatralische Popmusik mit
jazzig-leichtem Sound. Ihre Texte handeln von Lebensrealitäten der Digital Natives und deren romantische Fluchten.

In der Klassik ist eine Sache ganz einfach: Man muss überhaupt nicht fragen, wer seine Texte ernst meint oder wer über sich oder über ein lyrisches Ich singt. Denn: Im Normalfall singen und spielen die Musiker nicht ihre eigenen Kompositionen, sondern sie interpretieren die kreativen Ergüsse anderer – also muss auch niemand Angst haben, dass sich jemand, der gerade Schuberts „Winterreise“ singt, gleich von der Brücke stürzt oder Isolde den Liebestod als finale Vereinigung mit Tristan wählt. Die ist ja sowieso noch mal eine speziellere Variante, denn als Oper ist sie schon dem Genre nach Musiktheater und demnach eine fiktionale Geschichte.

In der Popmusik ist das anders, da wird Authentizität hoch gehalten und der Hörer möchte bitte gerne glauben, dass das, was der Sänger da von sich gibt, auch dessen innerstem Seelenleben entspricht. Dieser Anspruch wiederum führt manchmal zu absurd-süßen Blüten: Etwa als Nina Hagen ein Drama um einen nur in schwarz-weiß dokumentierten Urlaub machte und zum stampfenden Kurt-Weill-Klavier nölte: „Du hast den Farbfilm vergessen, bei meiner Seel’.“ Ob die Seele dieser damals mädchenhaft-jungen Sängerin tatsächlich am Farbfilm hing, bleibt fraglich, das operettenhafte Talent zur Übertreibung schob den Song hingegen ins Theatrale.

Mit dem Farbfilm hat es auch die Münchner Hip-Hop-Band Mundhaarmonika. Und irgendwie hat es die auch mit dem Theater, denn keine andere Spielart moderner Popmusik nimmt wohl soviel Anleihe an theatralen Codes wie der Hip-Hop. Doch doppelt codiert oder absurd übertrieben wie bei Nina Hagen ist die Sache mit dem Farbfilm im gleichnamigen Song von Mandhaarmonika nicht. Dieser Song nimmt das Bild eher ernst und malt eine prächtig glitzernde Landschaft aus. Das ist hochgradig romantisierend, wenn sich nebst den „leise leuchtenden Farben“ zu Bläsersätzen „durch die Nacht“ geträumt wird, und auf eine gewisse Art auch genauso künstlich wie bei Nina Hagen. Doch Rapper Simon Hofelich und seine hoch versierte Musiker-Crew stellen fest: Diese Musik soll bitte als authentisch gelebte Sommermusik ernst genommen werden.

Das gelingt auf dem am kommenden Freitag, 28. Juli, erscheinenden Album „Raptestdummy“ ganz prächtig. Die Band produziert jazzig-leichten und luftigen Sound, Simon Hofelich setzt Texte darauf, es wirkt so wie der sonnengebräunte Schalk eines Surfer-Boys, bei dem man auch eher nicht wissen will, welche Abgründe darunter liegen. Doch die Oberfläche funktioniert blendend. In guten Momenten gelingt Musik, die auf einer einfachen Ebene zu verstehen ist und keine ästhetischen Verklausulierungen vornimmt. Denn trotzdem wird hier auf hohem Niveau produziert und geschrieben. In schlechteren Momenten kippt es jedoch in die klamaukige Heile-Welt-Attitüde der Wise Guys.

Die Texte kreisen dabei ebenfalls leicht zu entziffernd um die Lebensrealitäten der Digital Natives und deren romantische Fluchten. Etwa im Song „Tschüssinger Tschausn“, in dem es in der Hook heißt „Brauch’ kein Google Maps im Gepäck / nein, die Freiheit, die schmeckt“. Doch ganz so naiv ist Mundhaarmonika dann doch nicht. „Am Ende des Tages zählt, ob das Publikum unterhalten wird“, erklären sie ganz abgebrüht. Denn generell sei allen Genres gemeinsam, dass man auf der Bühne eine Rolle einnehme und versuche, die Aussage hinter dieser Rolle möglichst authentisch wiederzugeben. Damit verwirbeln sie zwar die Zuordnung um Echtheit in der Popmusik um ein Weiteres. Aber vielleicht ist das auch genau die Rätselhaftigkeit, die Popmusik auch immer braucht, um spannend zu sein. 

Stil: Hip-Hop/ Jazz-Pop
Besetzung: Simon Hofelich, Felix Renner (Bass), Andreas Begert (Keyboard), Vincent Crusius (Drums), Temren Demirbolat (DJ), Marcel Chylla (Video), Matthias Kieslich (Ton) 
Aus: München
Seit: 2014
Internet: www.mundhaarmonika.de

Text:
Rita Argauer

Foto: GoldPr