Angekommen

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Raffael Scheiber sucht seit 2008 sein Glück in London. Nun kehrt er nach München zurück – für ein Reunion-Konzert seiner Band „Five!Fast!!Hits!!!“.

Fünf Jahre, das muss man feiern. Raffael Scheiber feierte also sein Jubiläum: fünf Jahre lebt er schon in London. Und genau an diesem Abend hat ihn eine E-Mail von seinem ehemaligen Bandkollegen Gregor Amadeus Böhm erreicht. Ob er Lust habe, auf ein Reunion-Konzert seiner alten Münchner Band. Und Raffael, der München so konsequent den Rücken gekehrt hatte, dass er erst im vergangenen Dezember – fast fünf Jahre nach seinem Wegzug – das erste Mal dorthin zurückkehrte, war an diesem Abend in guter Stimmung und sagte zu. „Ich hatte vier Jahre keinen Kontakt zu irgendjemandem von damals“, sagt er.

So richtig gewünscht haben sich das die vier Jungs wohl nicht. Als sie ihre Band vor fast zehn Jahren etwas großspurig „Five!Fast!!Hits!!!“ (Foto: privat) nannten, war es im jugendlichen Hochmut wohl unvorstellbar, dass es dann tatsächlich so schnell wieder vorbei sein sollte. Es sah eher nach einer längerfristigen Musiker-Karriere aus, immerhin erspielte sich das Quartett mit markant-eingängigen Songs und der Unterstützung von Atomic-Café-Chef Christian Heine schnell einen Ruf, der über München hinaus ging. Ein Album und ausgiebige Konzerttourneen folgten. Reisen, die den Sänger und Gitarrist Raffael Scheiber zum ersten Mal in seine derzeitige Wahlheimat führten: London, die Stadt, die alle anderen europäischen Städte für Musiker wie die periphere Provinz wirken lässt. Und der Sog dieser Stadt war stark, vor allem für Raffael, der sowieso die Dinge eher extrem angeht.

„Studiert?“, fragt er, nein studiert habe er in München nicht. „Ich habe mit 17 die Schule geschmissen“, sagt er, „um mein Rock ’n’ Roll-Leben zu führen“. 2005 gründete der jetzt 27-Jährige zusammen mit Gregor Amadeus Böhm dann die „Five!Fast!!Hits!!!“. Songs, die mit einer ähnlichen Konsequenz dahingeworfen wurden, und von Raffaels kratzend punkiger Stimme geprägt waren. Die Auflösung der Band 2008 passierte ebenso unvermittelt wie ihr Auftauchen – und Raffael verschwand aus Münchens Szene nach London. Mehrere Faktoren hatten ihn nach Großbritannien gezogen. Zum einen natürlich die Musik, der „Sound“, wie er es ausdrückt. Außerdem: „Ich habe vorher nie Heimweh gehabt“, erzählt er. Und nun, wenn er London verlasse, ziehe es ihn nach kurzer Zeit wieder in sein neues Zuhause.

„Deutschland und München bedeutete für mich damals nur Frustration“, erklärt er, doch jetzt habe er sich in seiner Wahlheimat einen Raum und die „Substanz“ aufgebaut, dass die Gefühle von damals an ihm abprallen würden. „Ich kann da hinfahren“, sagt er und mit dem lapidaren Wort „da“ meint er München. „München ist ein Teil von mir, aber ich bin nicht mehr Teil davon.“ Die Mentalität in München wirkt für ihn geradlinig und wirtschaftlich orientiert, er habe dort nicht ankommen können: Er kellnerte, machte Musik und fühlte sich verloren.

Das erwünschte Rock ’n’ Roll-Leben musste nach seinem Umzug nach London aber trotzdem erst einmal warten: „Man braucht mindestens ein Jahr, bis man Fuß fasst in so einem neuen Leben ohne jegliche Infrastruktur.“ Mit dem Gitarrespielen habe er auch aufgehört zu dieser Zeit und sich erst einmal für ganz andere Musik
interessiert, als die poppigen und gleich-zeitig brachialen Gitarrensongs der Five!Fast!!Hits!!!. Erst vor knapp zwei Jahren widmete er sich wieder der Musik, er habe angefangen aufzulegen und Hip-Hop- und Elektro-Beats produziert. Nach einem Ausflug in die Neo-Dubstep-Ecke habe er nun unter dem Namen Drawn-Sword eine Mischung gefunden, in der er seine Rockband-Vergangenheit mit den Hip-Hop-Einflüssen mische. Raffael wirkt ausgeglichen, als habe er es geschafft, seine Münchner Vergangenheit ganz gut in seine Londoner Gegenwart zu integrieren.

In London mag er die Vielschichtigkeit der Kultur, die es dort in so vielen Ausprägungen gebe. Nach diversen „grauenvollen Jobs“ in Cocktail- und Hotelbars sowie in Strip-Clubs, arbeitet er nun in einem Café und legt zweimal in der Woche auf. Aber London ist ja nun eigentlich noch teurer als München. „Man kann sich das schon einrichten“, sagt er, er fahre etwa nur Fahrrad und nicht mit der U-Bahn und zahle eine relativ geringe Miete: „Man muss ein bisschen zurückschrauben, nicht jeden Tag essen gehen. Es geht schon.“

Jetzt aber, mit dem Reunion-Konzert der Five!Fast!!Hits!!! beim Flowerstreet-Festival am Samstag, 13. September, im Feierwerk, kommt die Vergangenheit jedoch ganz unmittelbar zurück. „Das kann entweder total in die Hose gehen oder richtig cool werden“, sagt Gregor Amadeus Böhm. Der habe Raffael bei seinem ersten und letzten Besuch in München im vergangenen Dezember getroffen, sie hätten alte Fotos angeschaut und als Amadeus kurz darauf über die Headliner für sein Festival nachdachte, habe er die „Schnapsidee“ der Reunion gehabt.

„Ich habe die Songs alle noch drauf“, sagt Raffael. Mit seinem Songwriter-Ich von damals konfrontiert zu sein, sei dennoch etwas seltsam. Doch: „Ich kann die Stimmung der Lieder schon noch fühlen und auch reproduzieren.“ Auf der Bühne stand er seit den letzten Konzerten mit den Five!Fast!!Hits!!! eigentlich nicht mehr. „Doch, ich habe zweimal Karaoke gesungen“, wirft er ein. Ein gewissen Schalk hat er in seinem neuen Leben in London entwickelt und einen Humor, der sich nur aus einem zufriedenen Selbstbewusstsein entwickeln kann. Ob die Reunion der Five!Fast!!Hits!!! auch längerfristig sein könnte? Er mag die Songs, doch eigentlich will er lieber sich lieber auf sein neues Projekt konzentrieren. Rita Argauer

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Rita Argauer ist die Musik-Expertin der Junge-Leute-Seite. Sie ist nicht nur ständig auf der Suche nach neuen Münchner Bands und deswegen in den Clubs dieser Stadt unterwegs. Sie kennt die Szene auch von der anderen Seite: Sie singt und spielt Keyboard in der Band Candelilla.