Wo arbeiten Münchens junge kreative Köpfe? Wir haben sie an ihren Arbeitsplätzen besucht und ihnen über die Schulter geschaut. Heute: Simon Marchner.
Von Ornella Cosenza
München Lebt. Menschen und mehr.
Wo arbeiten Münchens junge kreative Köpfe? Wir haben sie an ihren Arbeitsplätzen besucht und ihnen über die Schulter geschaut. Heute: Simon Marchner.
Von Ornella Cosenza
„Von Weitem muss es reinknallen, aus der Nähe braucht es den Schmunzeleffekt“. Junge Designer entwerfen jeden Monat Plakate für Münchner Elektro-Clubs – eine Spurensuche.
Bei Elektro denkt man zuerst an Neonröhren, an Blitzlicht und Videoinstallationen in dunklen Clubs. Oder an rote Katzen, an zarte Linien und gefettete Schrift – das Werk junger Designer, die jeden Monat für Münchner Elektro-Clubs Plakate entwerfen und damit nicht nur die Szene, sondern auch das Stadtbild nachhaltig prägen. Eine Spurensuche.
Dass sie ihr Geld mit Kunst und Design verdienen will, war Annette Granados Hughes schon früh klar. Heute sitzt die junge Designerin am Schreibtisch eines Gemeinschaftsbüros in Schwabing, das sie sich mit 14 anderen Kreativen teilt. „The real life“ steht auf ihrem Sweater, der aus dem eigenen Modelabel Womom stammt und mit dem Annette Mode für junge Mütter macht. Es ist ihr neuestes Projekt, aber nur eines von vielen. Denn als selbständige Grafikerin und Illustratorin hat sich Annette vom CD-Cover-Design bis zum Entwerfen von Pizzakartons breit aufgestellt.
Eine ständige Konstante seit zwölf Jahren sind dagegen die Plakate für den Techno-Club Rote Sonne. Ihr Lieblingsprojekt, wie sie betont. Nicht nur, weil sie früher selbst mit ihrer Band High Voltage Humans dort aufgetreten ist und dem Club emotional sehr nahe steht. Sondern auch, weil sie sich bei den Plakatentwürfen künstlerisch austoben kann und immer wieder positives Feedback bekommt. „Es gibt Leute, die alle Plakate aufheben und sammeln“, sagt sie. Mindestens einmal pro Monat braucht es eine neue Idee. „Irgendwann sind die klassischen Partymotive aufgebraucht“, sagt Annette. Mit ihren Plakaten setzt die Grafikerin daher lieber auf Unerwartetes, auf Farbe und Wiedererkennungswert. „Von Weitem muss es reinknallen, aus der Nähe braucht es den Schmunzeleffekt“, sagt sie. Insgesamt mag sie es lieber gröber und beschreibt ihren Stil als „tiefgründig-naiv“. Genau das Widersprüchliche daran interessiert sie. Eine tanzende Heizung („Gonna make you sweat“), ein gefangener High Heel im Spinnennetz („No escape“): „Für die Rote Sonne war immer die Verbindung aus Spruch und Illustration wichtig – und das Plakative natürlich“, sagt Annette.
Plakativ sind auch die Arbeiten von Public Possession – auch wenn man sie überhaupt nicht mit dem Stil von Annette vergleichen kann. Seit fünf Jahren haben Valentino Betz und Marvin Schuhmann ihr Hobby zum Beruf gemacht und sind sich einig: „Eigentlich ging es immer nur um Musik.“ Sie waren auf derselben Schule, haben zusammen gewohnt, seit zehn Jahren legen sie gemeinsam auf, seit fünf Jahren haben sie das eigene Label und den Plattenladen in der Klenzestraße. Hier hat alles seinen Platz, wirkt durchdacht, aufgeräumt. Einmal im Monat treten sie im Charlie auf, gestalten dafür ihre eigenen Plakate, von denen eine Auswahl auch sauber nebeneinander aufgereiht hinter ihrem Verkaufstresen hängt. Die Zusammenschau macht es deutlich: In ihrem Plakat-Design setzen Public Possession nicht auf konkrete Formen oder knallige Farben, sondern vor allem auf Text: Schwarze Schrift auf buntem Kopierpapier – weil das billiger ist – hier fett, da kursiv, mal in dicken, mal in kalligrafischen Lettern. „Wir machen, worauf wir Bock haben, was gut aussieht“, sagt Valentino, der an der Kunstakademie in München studiert hat. Da kann dann schon mal nur „Offizielles Party-Plakat“ prangen oder mit dickem roten Filzstift Ort, Zeit und Veranstalter notiert sein. Das Konzept: einfach. „Wir wollen, dass die Leute unseren Namen hören und wissen, wer und was sich dahinter verbirgt“, erklärt Valentino. Das klare Ziel des DJ-Duos ist es, zur Marke zu werden. Und eigentlich sind sie das ja auch schon. Von ihrem Label, dem Laden, den Auftritten können sie leben. Ihre Produkte verkaufen sie weltweit. Besonders gefragt seien sie in Australien und Amerika, zuletzt gab es Bestellungen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Den Namen Public Possession nutzen sie als Filter, mit dem sie all ihre Ideen und Projekte bündeln. Das kann die eigene Musik, das kann Plakat-Design, das kann aber auch Mode sein. Die überschaubare Auswahl an Platten und Merchandise-Produkten in ihrem Laden folgt keinem bestimmten Muster, sondern der persönlichen Selektion. Ambient, Techno, House, Disco. Daneben Sweater und T-Shirts. Und: selbstdesignte Schals. Auch in diesem Jahr wieder der Verkaufsschlager. „Für den Moment fühlt sich einfach alles gut so an, wie es ist.“
Ganz ähnlich sieht das auch Tanja Leithe. Auch sie ist der Kunst als Berufung gefolgt, macht sich dabei keine Sorgen um die Zukunft und verzichtet auf kreatives Chaos. So clean wie ihre Schwarz-Weiß-Zeichnungen ist auch ihre Dachgeschosswohnung, die mehr nach Ausstellungsraum als nach Atelier aussieht. Aber hier, zwischen weißen Möbeln und den eigenen sauber gerahmten Zeichnungen, wohnt und arbeitet die junge Frau. Dabei ist sie seit drei Jahren der kreative Kopf hinter den Plakaten des Techno-Clubs Harry Klein.
Sie entwirft Zeichnungen mit klarer Linie und schraffierter Figürlichkeit. Bärenköpfe, Tänzerinnen, Astronauten. Dabei verfolgt Tanja mit ihren Motiven und ihrer Plakatkunst keinen genauen Plan. „Ich setze mich hin und mache einfach, was mir in den Kopf kommt.“ Gerne Auftragsarbeiten, mit klaren Vorgaben, solange sie ihrem Stil dabei treu bleiben kann. Zwischendurch entwirft sie für Lokale großflächige Wandbemalungen, auch wird Tanja häufig nach Tattoo-Entwürfen gefragt, für die sich ihre linearen Zeichnungen gut eignen. Auch sie selbst trägt einige davon auf der Haut.
Tanja hat ihren Stil gefunden. Auch wenn sie ihn nicht so recht benennen kann. „Eine Mischung aus realistisch und surrealistisch vielleicht?“ Aber um das zu sagen, sei sie gar nicht kunstaffin genug. Dennoch hat sie sich nach dem Abschluss bei der Kunstfachoberschule München ziemlich schnell für die Selbständigkeit als Künstlerin entschieden. Und einen Plan B gab es sowieso nie. „Ich weiß gar nicht, was ich ohne Talent machen würde“, sagt sie.
Text: Franziska Rentzsch
Fotos: Marco Fumolo, Conny Mirbach, Melanie Liebert