Konzentriert

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Uni-Stress? Patrick Schmuck macht daraus eine Geschäftsidee. Sein “Performance Powder” soll eine gute Alternative zu Kaffee, Enegery-Drinks oder gar verschreibungspflichtigen Medikamenten darstellen, wenn der Leistungsdruck zu hoch wird.

München – Der Stoff wird getestet. Patrick reißt das kleine Tütchen auf. Feines, weißes Pulver rieselt auf die Serviette. Geschmacksprobe: frische Minze mit erstaunlich bitterem Nachgeschmack. Dann wird auf den Kick gewartet. Aber irgendetwas stimmt nicht. Der fröhliche Lärm schwatzender Studenten, das Klappern der Teller voller Rührei von glücklichen Hühnern und Bio-Petersilie, der Geruch von frisch gebackenen Croissants. Nein, das ist keine Umgebung für Koks oder härtere Sachen.

Auch Patrick Schmuck, 28, erinnert in etwa so sehr an einen Drogendealer wie Hulk an eine Ballerina. Sein weiß-blau gestreiftes Hemd wird von einer blauen Hose und grauen Schuhen ergänzt. Sehr modisch, sehr gepflegt. Ebenso sein akkurat gestutzter blonder Bart und die zurückgekämmten Haare. Seine dunkelbraunen Augen scheinen manchmal nach etwas über den Köpfen der Frühstücksgäste in dem kleinen Café am Gärtnerplatz zu suchen.
Vor etwa drei Jahren, nachdem Patrick angefangen hatte, Wirtschaftspsychologie zu studieren, ist ihm die Idee gekommen, ein Produkt zu entwickeln, das es, seiner Meinung nach, noch nicht gab. „Performance-Powder“ nennt er das, was heute auf dem unbehandelten Holztisch vor ihm liegt.

Er dreht das kleine Kartonpäckchen in seinen erstaunlich großen Händen. Schlichtes, aber hippes Design. Das Firmenlogo: zwei runde Augen, ohne Zweifel die Andeutung einer Eule. Sie symbolisiert Weisheit. Sie ist aber auch ein Nachttier, ein Jäger. Auf der Jagd nach summa cum laude, nach Bestleistung, selbst zu später Stunde. „Summacum“, so heißt das Konzentrationsmittel, das Patrick entwickelt hat. Dass Studenten zu Medikamenten greifen, um besser lernen zu können, ist bekannt – Patrick will nun eine gute Alternative anbieten.

Aber ist es wirklich so schlimm? Vera (Name geändert), 21, studiert im vierten Semester Medizin in München. „Kaffee, Energy-Drinks, Koffeintabletten und Guarana sind weit verbreitet“, sagt sie. Aber ja, es gebe auch Leute, die Ritalin nehmen. Sehr beliebt seien auch Beruhigungsmittel, gerade vor mündlichen Klausuren. „Die sind leichter zu bekommen.“ Auch der Jurastudent Lukas (Name geändert) weiß, „dass es Kommilitonen gibt, die sich entsprechendes Zeug einwerfen“, auch wenn er selbst vor Prüfungen bei Energy Drinks bleibt.

„Aufputschmittel wie Ritalin wirken nicht nur auf die Psyche“, warnt der Psychiater und Sportmediziner Daniel Drexler. Die Mittel verändern den Schlafrhythmus, unterdrücken die Ruhephasen und können schnell in die Abhängigkeit führen. Zwar wird nicht jeder, der einmal Ritalin genommen hat, gleich zum Junkie, doch oft entwickelt sich daraus ein fataler Zyklus: Denn nach dem Aufputschen kommt die Ruhelosigkeit. „Unter Studenten werden die Schlaftabletten ,Dorm‘ immer beliebter“, sagt Drexler. Die bekommt man ohne Rezept in der Apotheke.

Tagsüber künstliche Hochleistung, dann mit Pillen durch die Nacht – läuft nicht grundsätzlich etwas falsch an den Unis, wenn Studenten den Lernstoff nicht mehr bewältigen und den Leistungsdruck ohne Hilfsmittel nicht mehr aushalten können? Patrick streicht sich über den Bart. Ja, das habe auch er erschreckend gefunden. Eine Antwort darauf hat er nicht, eine grundsätzliche Lösung auch nicht. Auch er ändert nichts am Druck, auch er will daran verdienen, dass Studenten immer noch effizienter sein wollen. Aber er glaubt, Studenten mit seinem Konzentrationsmittel dahin gehend helfen zu können, dass sie nicht mehr zu ungesunden oder gar gefährlichen Mitteln greifen müssen, um sich durch die Prüfungszeit zu dopen.

„Ich würde sagen, Summacum ist vom Koffeingehalt einfach wie eine starke Tasse Kaffee. Nur sinnvoller.“ Sinnvoller, weil ein „Stick“ nicht nur eine ähnlich hohe Menge an Koffein enthält, sondern auch Vitamine und Magnesium. Wenn er Aussagen über die Wirkung seines Produkts veröffentlicht, ist Patrick vorsichtig. Nichts darf gegen die „Health Claims“ verstoßen, sehr genaue Vorschriften, wie Produkte aus dem Nahrungsergänzungsmittelbereich beschrieben werden dürfen. Ob er gedacht hätte, dass es so aufwendig sei, ein kleines Mittelchen zu entwickeln und vor allem zu vermarkten. Er seufzt. „Nein. Aber man wächst da rein.“ Sowohl Unternehmensberater für Start-ups als auch ein Sachverständiger für Lebens- und Nahrungsergänzungsmittel seien ihm zur Seite gestanden. Dass er sich gründlich mit jedem Aspekt seines Produkts auskennt, zeigen die Fachbegriffe und Erklärungen, die er, ohne nachdenken zu müssen, parat hat. Von Inhaltsstoffen und Wirkungsmechanismen über legale Richtlinien bis hin zu den Herstellungsprozessen.
Geschäftsmann ist Patrick schon: Summacum soll die Nummer eins auf dem Konzentrationsmittelmarkt werden und europaweit vertrieben werden. Er spricht von weiteren geplanten Produktvariationen, von groß angelegten Werbekampagnen und von „Summacum-Dealern“, die schon an Universitäten in Deutschland unterwegs sind, um das Mittel unter Studenten zu verbreiten. Bei dem Begriff Dealer muss er selbst lachen. Ja, wenn man Leuten auf der Straße das Päckchen anbietet, seien viele erst einmal skeptisch. Was macht das mit mir, wird oft gefragt.
„Wenn man dann aber erklärt, wie die einzelnen Bestandteile des Mittels wirken, sind eigentlich alle begeistert“, sagt er. Zudem will er die Wirksamkeit von seinem Produkt noch einer wissenschaftlichen Studie unterziehen. Dennoch, Summacum soll kein Lifestyle-Produkt werden. Es soll kein Brausepulver sein, „das sich die Kids eins nach dem anderen reinziehen. Es soll seinen Zweck erfüllen.“

Seinen Zweck erfüllen – das soll es auch für Patrick. Er wollte schon immer von seinen eigenen Ideen leben. Das scheint auch jetzt schon gut zu funktionieren. Bis vier Uhr morgens habe er noch mit einem seiner Mitarbeiter an Marketingstrategien gebastelt. Gut, dass die Strategie für ein Mittel entwickelt werden muss, das einen auch zu diesen späten Stunden noch wach halten sollte. 

Weitere Infos: facebook.com/summacum

Theresa Parstorfer

Foto: Stefan Klitzsch