Der Prinz und sein Maler

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Paul Putzar (Foto: Ann-Sophie Wanninger) hat sich als junger Grafik-Designer selbstständig gemacht. Mittlerweile gestaltet er viele Plakate und sogar das Plattencover des letzten Prinz Pi Albums stammt von ihm.

von Veronika Christine Dräxler

Die Wände in Paul Putzars Arbeitsräumen in der Nähe der Wittelsbacher Brücke wirken wie gerade eben fertig geweißelt. Bilder
lehnen an der Wand. Nur ein Poster mit einer in Schwarz-Weiß gehaltenen
Collage klebt bereits. In der Ecke neben der Tür stehen ein
Plattenspieler und ein Stapel alter Schallplatten. Paul, 24, trägt ein
Button-Down-Hemd, das er dem Trend entgegen nicht ganz bis oben
zugeknöpft hat und sitzt an seinem perfekt aufgeräumten Schreibtisch,
bestückt mit einem großen iMac.

Paul ist Grafik-Designer, nach seiner Ausbildung hat er die Agentur
Astral mitgegründet. Fans des Rappers Prinz Pi kennen mindestens eine
seiner Arbeiten: Er hat das Album-Cover von „Kompass ohne Norden“
entworfen, Prinz Pis zwölftes Solo-Album, das im April 2013 direkt auf
Platz eins der Deutschen Album-Charts eingestiegen ist. Den Albumtitel
hat Putzar in ein Bild umgesetzt – ein schlichter Kompass, dessen
Nordseite fehlt. „Ich mag Pauls unverkennbaren Stil und seine
Treffsicherheit für stimmige Schriftkompositionen“, sagt der Musiker.

Neben Prinz Pi haben auch Macher der Münchner Musikszene Paul für
sich entdeckt. Alle Artworks des DJ Duos Cocolores, der Autonomica
Veranstaltungsreihen und immer mehr Plakate von No Hoax, den früheren
Betreibern des Kongress und der Registratur, stammen von Paul.

Auf der Internetseite pputzar.tumblr.com zeigt er einen Ausschnitt
seiner freien Arbeiten und Illustrationen. Es sind eigensinnige Welten:
technoid und doch organisch. Abwechselnd gestaltet er architektonische
Körper in luftleeren Räumen, pochende Muster, aber auch
aufgeräumt-reduzierte Logos. Die Illustrationen sind vorwiegend
einfarbig, den Zwischenraum von Schwarz und Weiß nutzt Putzar so
effektiv wie möglich.

Ein auffallend oft wiederkehrendes Motiv in Pauls Werken ist das
Achteck, das er in unterschiedlichsten Gestaltungsformen durchdekliniert
und auf- und abtauchen lässt. „Ich beschäftige mich im Moment viel mit
Sufismus, islamischer Mystik und persischer Literatur, daher kommt das
Achteck“, sagt er. Die Acht ist eine mit spirituellen Symbolen
aufgeladene Zahl und hat im Islam, Buddhismus, Christentum und vielen
alten Kulturen ihren Platz und steht auch für das wiedergewonnene
Paradies. Die Form selbst hat keine besondere Dynamik, sie liegt aber
als ruhendes Zentrum inmitten von Bewegung.

Paul selbst strahlt Ruhe aus, wenn er spricht. Seine Worte wählt er
sorgfältig. Tatsächlich ruhig ist er aber nicht, viele Fragestellungen
bewegen ihn: Wo kommen wir her? Was ist der Ursprung? Wo gehen wir hin?
Paul ist ein Suchender und ein Denker. „Wir befinden uns gerade in einem
Moment, an dem wir in der Menschheitsgeschichte noch nie waren. Wegen
unserer Rücksichtslosigkeit zerstören wir unseren eigenen Planeten. Ich
versuche herauszufinden, was hinter meinem eigenen Verhalten und dem der
Gesellschaft steckt“, sagt er.

Der Designer hat für sich die Stärke von freundschaftlicher
Zusammenarbeit erkannt: „Ich habe mir früher wenig sagen lassen, aber
irgendwann habe ich gemerkt, dass Zusammenarbeit und Austausch mit
Anderen ganz andere Perspektiven und Ideen entstehen lassen – und das
Produkt, das am Ende herauskommt, ist viel reicher.“ Er steht viel in
Kontakt mit anderen Designern. „Ich habe ein Bedürfnis danach, mich mit
Menschen zu unterhalten, deren Arbeit ich gut finde“, sagt er. Auch
Prinz Pi hat Paul so kennengelernt. „Ich habe früher oft seine Musik
gehört und ihn über Facebook wissen lassen, dass ich gut finde, was er
macht. Wir haben hin und her geschrieben, Gemeinsamkeiten entdeckt. Ich
habe ihm Sachen von mir gezeigt und dann hat er mich gefragt, ob ich ihm
ein wenig mit seiner Webseite helfen kann. Ich habe zugesagt und er hat
mir einen Flug nach Berlin gebucht“, erzählt Paul. Prinz Pi zählt Paul
inzwischen zu seinen engsten Freunden und macht auch schon Mal Werbung
auf seiner Facebook-Fanpage für „den ebenfalls mit Doppel P Initialen
gesegneten Münchner Gestalter“. Auch mit Cocolores, Autonomica und
NoHoax verbinden Paul freundschaftliche Bande.

Seinen ersten Mac hat er mit 15 Jahren von einem Freund der Familie
im Tausch für eine Webseite bekommen. Mit 14 Jahren hat er seine erste
Webseite gemacht. Zum Gestalten hat Paul über das Programmieren
gefunden. „Ich habe noch nie mit etwas anderem Geld verdient als mit
Grafik und Code“, stellt er fest und in seiner Stimme schwingt ein
kleines bisschen Stolz mit. Jetzt arbeitet er Vollzeit bei Astral und
nimmt in seiner Freizeit Aufträge von Freunden an. „Bei meinem
Tagesgeschäft in der Agentur arbeite ich sehr bedacht, in einem
bestimmten Raster und nach festgelegten und vorgegebenen Formensprachen.
Ich bin da ganz Dienstleister. Wenn Prinz Pi, Cocolores oder Autonomica
mich buchen, dann bekomme ich natürlich auch Geld dafür, aber es ist
etwas anderes als für große Konzerne zu gestalten. Die lassen mir
komplett freie Hand. Ich soll einfach machen, es geht um meine Person
und meinen Stil. Da geht es um die Form für Musik, die ich mag“, sagt
er.

Formsuche und eine Darstellung komplexer Zusammenhänge
materialisieren sich auch in Pauls Illustrationen. Spiele mit der
Schwerkraft, Atomskulpturen und dazwischen doch wieder brachialer
Minimalismus.  Eine eigene Ordnung ist spürbar, die sich aber nicht ohne
weiteres entschlüsseln lässt. Selbst Paul kann das nicht genau
auflösen: „Meine freien Arbeiten kann ich sehr schlecht erklären. Da
gibt es keine Faustregeln. Natürlich geistern mir Ansätze im Kopf herum,
die ich dann festhalte, aber das Gestalten kommt ausschließlich aus dem
Bauch“, erklärt er.

Seine Intuition hat er geschult. Er folgt vielen visuellen
Online-Tagebüchern, um nach Grafiktrends zu forschen. Bis zu acht Blogs
hat Paul phasenweise täglich besucht. „An einem gewissen Punkt musste
ich aber Abstand davon nehmen, um etwas Eigenes zu schaffen. Es war
wichtig, so viele visuelle Eindrücke aufzunehmen, das gärt dann in mir
drinnen und wenn ich mich hinsetze um zu arbeiten, dann geht es darum,
daraus ein eigenes Produkt herauszufiltern“, sagt er.

Seine freien Grafiken zeigen eine eigene Formsprache, die hinaus geht
über ein bloßes Trendgespür – und die mittlerweile auch Konzerne
aufmerksam gemacht haben. Für die Electronic Beats Radio App der Telekom
etwa sollte er den Stil der Autonomica-Plakate einbringen. Aus seiner Erfahrung als Gestalter hat er gezogen, dass jede Idee im
Kopf mit genug Arbeit auch umsetzbar ist. „Ich glaube man kann es rufen
und dann kommt es auch. Früher habe ich mir immer gewünscht,
Plattencover zu gestalten und jetzt mache ich das“, sagt er.