Nie wieder suchen

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Die TU-Studenten Clemens Techmer, Felix Harteneck und Jakob Sturm erfinden ein System, das freie Parkplätze erkennt, die Daten sammelt und an Autofahrer weitergibt. Der erste große Test startet nächstes Jahr.

Von Matthias Kirsch

Ja, es ist ärgerlich, wenn nach ewigem Rumgekurve das schicke rote Cabriolet den perfekten Parkplatz vor der Wohnungstür belegt. Noch ärgerlicher ist es, wenn dann der Wocheneinkauf, mitsamt Toilettenpapier und Getränkekästen erst einmal eine Viertelstunde durch die Stadt getragen werden muss.
Ganz ähnlich erging es auch Clemens Techmer, neben Felix Harteneck und Jakob Sturm Mitbegründer von „ParkHere“, einem System zur Parkhilfe, das die nervenaufreibende Suche endlich vereinfachen soll. „Wenn ich mit meiner Band einen Auftritt habe, muss viel Material mitkommen. Da ist es einfach ärgerlich, wenn man Verstärker und Schlagzeug ewig schleppen muss. Diese Erfahrung war für mich ganz klar ein Anreiz, um eine Lösung für das Parkproblem zu finden“, sagt der 23-Jährige, er ist Sänger von Marvpaul.
Clemens, Felix und Jakob haben sich zusammengetan, um genau an dieser Aufgabe zu arbeiten – mit Erfolg. Die drei Studenten haben ParkHere entwickelt, ein System, das freie Parkplätze erkennt, die Daten sammelt und in Echtzeit an Navigationsgeräte und Park-Apps für das Smartphone sendet. Was so einfach klingt, konnte bisher noch niemand effizient umsetzen. Ein ähnlicher Versuch in San Francisco musste abgebrochen werden.

In einem ersten Versuch
konnte der Parkverkehr
um 43 Prozent verringert werde

Clemens und Jakob studieren Elektroingenieurwesen an der TU und haben beide schon Erfahrung mit ähnlichen Technologien gesammelt. So hat Clemens für sein vorheriges Projekt „MapChat“ den „Innovation Award“ der TU erhalten, während Jakobs Einfall für eine Null-Watt-Schaltung mit dem Jugend-forscht -Preis ausgezeichnet worden ist. Bei UnternehmerTUM, einem Projekt der TU für angehende Unternehmer, haben die beiden dann Felix kennengelernt, ein BWL-Student, der schon mit 18 sein erstes Unternehmen gründete.

In einer Außenstelle der TU in Garching sind die Prototypen des Sensors entstanden. Im Labor wird gebaut, getüftelt und experimentiert. Aktuell wird der Ablauf der Datensammlung zu freien Parkplätzen untersucht. Ein etwa handballenbreiter Sensor soll in einem dünnen Schlauch auf dem Parkplatz verbaut werden. „Der Sensor erkennt, wenn ein Auto über ihn fährt, und nimmt dies als parkendes Auto wahr. Während in Parkhäusern diese Sensoren nur wenige Zentimeter breit sind und quer über die Parkfläche verlaufen, ist auf offener Straße für Parallelparkplätze ein Sensor von ungefähr 30 Zentimetern Breite nötig“, erklärt Clemens. Jeder Sensor sendet anschließend die gesammelten Daten an eine Basisstation, die an Straßenlaternen befestigt werden kann. So hält ParkHere in Echtzeit fest, welche Parkplätze belegt oder eben frei sind. Die Basisstation bündelt die Informationen und schickt sie an den Server.

In Echtzeit einen freien Parkplatz vermittelt bekommen, das ist für viele Verkehrsteilnehmer ein Traum – der mit diesem System Wirklichkeit werden könnte. Über Funk werden die Infos über freie Parkplätze an Navigationsgeräte und Park-Apps geliefert – gegen Bezahlung der Hersteller. Dabei sollen diese nicht nur ihren Kunden einen unbezahlbaren Dienst leisten – auch die Städte profitieren. „Im Durchschnitt dauert jeder Parkversuch zwischen 10 und 15 Minuten“, sagt Felix, „und das ist nicht nur wertvolle Zeit: Der zusätzliche CO₂- und Feinstaubausstoß, Lärm und Verkehr sind für Mensch und Umwelt einfach unnötig.“ Pro Kilometer Autofahrt werden knapp 150 Gramm CO₂ ausgestoßen – bei langen Parkvorgängen also nicht unwesentlich.
 Dass solche Parksysteme tatsächlich Verkehr, Lärm und Umweltverschmutzung verringern, zeigt das Experiment aus San Francisco. In der Technologiehauptstadt der USA wurde ein solches Parkhilfesystem in einem viel befahrenen Viertel eingesetzt – mit beeindruckenden Ergebnissen. Der Parkverkehr konnte um 43 Prozent verringert werden. Aufgrund des hohen Aufwands bei der Installation der Sensoren und deren geringer Batterielaufzeit – maximal einige Monate – wurde das Projekt allerdings nach zwei Jahren wieder abgebrochen.

„ParkHere löst genau die Probleme, die in den USA aufgetreten sind – und behält alle Vorteile bei“, macht Felix deutlich und kramt die Broschüre hervor, die die Technologie auch Laien verständlich machen soll. „Unsere Sensoren sind energieautark“, sagt er. Energieautark, das heißt, der Sensor ist unabhängig von Batterien oder Akkus, weil die Energie, die durch den Druck und die Vibrationen von vorbeifahrenden Autos erzeugt wird, gesammelt werden kann. So haben die Sensoren theoretisch eine unendliche Laufzeit. Auch die Basisstationen, die mit Solarenergie gespeist werden können, funktionieren ohne fremde Einwirkung. Diese Verbesserungen machen ParkHere für Investoren und Kunden interessant: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wird die Studenten im September mit dem begehrten IKT-Gründerpreis auszeichnen, zu dessen vorherigen Gewinnern Start-ups wie Buddy-Watch gehören.

Den ersten Härtetest in der Praxis erwartet ParkHere im Frühling 2016, dann sollen erstmals Sensoren in die Straße eingelassen werden – in einem ersten Schritt an den Ladesäulen für Elektroautos, und das europaweit. Ganze Städte mit einem Parkhilfesystem auszustatten, ist jedoch teuer – „unseren Berechnungen zufolge würde die Münchner Innenstadt zum Beispiel vier bis fünf Millionen Euro kosten“, erklärt Felix. „Die Städte können unsere Daten jedoch auch nutzen, um beispielsweise in viel befahrenen Vierteln die Parkkosten zu erhöhen, in anderen die Preise zu senken. Die so erreichte Umverteilung tut der Umwelt wie auch dem Stress des Autofahrers gut“, sagt Felix.

Wolfgang Großmann, Geschäftsführer der Park & Ride München GmbH hält das Projekt für „unheimlich charmant“. „Wir bekommen viele derartige Anfragen, aber das ist mit Sicherheit eine, die herausragt und ich bin neugierig, wie das weitergeht“, sagt er. Sein Unternehmen wartet im Moment auf ein Angebot der drei Studenten, um einen Test auf der Park & Ride-Anlage in der Aidenbachstraße starten zu können. Er hält es allerdings nicht für notwendig, die ganze Stadt München mit einem Erfassungsnetz auszustatten. „Letztendlich würde es reichen, die unattraktiveren Parkmöglichkeiten in einem Viertel mit Sensoren zu versehen, da man, wenn die belegt sind, mit einiger Sicherheit davon ausgehen kann, dass sonst auch alles belegt ist.“

Foto: Alessandra Schellnegger