Das etwas andere Dschungel-Camp

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Heute Paradies, morgen Karriere: Laura Arnowski, 19, und Joshua Lang, 20, haben nach dem Abitur ein Guesthouse auf Sri Lanka aufgebaut. Zwei Jahre wollen sie hier leben, dann zum Studieren zurückkehren.

Inmitten eines Dschungel-Gartens steht das „Gioia Guesthouse“ – Gioia, frei übersetzt: Freude (Fotos: Privat). Laura Arnowski, 19, und Joshua Lang, 20, haben es im Dezember 2014 in Batawela, Sri Lanka eröffnet. Im Schatten des Vordachs baumeln bunte Hängematten, zwei schwarze Hundewelpen dösen zufrieden. Am späten Nachmittag verweilen hier in den Bäumen Affen. „Das hier ist unser kleines Paradies“, sagt Laura, die ihre langen roten Haare offen mit Mittelscheitel trägt. Sie und Joshua sind braun gebrannt, haben beide auf dem Rücken ein fernöstlich-stilisiertes Auge tätowiert und könnten genauso gut gerade einem Surfer-Magazin entsprungen sein. Zum bekannten Surfstrand Weligama ist es vom „Gioia Guesthouse“ mit dem Roller fünf Minuten – Laura und Joshua nutzen ihn oft.

Beide verbindet seit fast acht Jahren eine enge Freundschaft. Sie sind zusammen in München zur Schule gegangen und haben 2013 Abitur gemacht. „Wir wollten nach dem Abi zusammen sechs Wochen nach Sri Lanka und dann sechs Wochen nach Indonesien – das hat sich ein bisschen geändert“, sagt Joshua. Sie sind jetzt seit Oktober 2014 zum zweiten Mal in Sri Lanka, dieses Mal voraussichtlich für die nächsten anderthalb Jahre. Sie haben ein Grundstück mit einem leer stehenden Haus gepachtet und die vergangenen Monate mit Renovierungsarbeiten verbracht. Sie haben Wände eingerissen, verputzt und gestrichen. Zwei neue Bäder angebaut und unzählige Insekten aus dem seit Jahren unbewohnten Haus entfernt.

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Es sei ein Zufall gewesen, dass sie gerade in Sri Lanka gelandet seien, sagt Laura. „Ich habe mit geschlossenen Augen meinen Finger auf der Weltkarte kreisen lassen. Über Sri Lanka haben wir uns erst danach informiert, und als wir hier angekommen sind, haben wir uns sofort in dieses Land verliebt – in die Kultur, die Menschen, das Essen und die Natur.“ In den ersten Reisewochen im Dezember 2013 haben sie schon in ihrem Reisetagebuch vermerkt, dass sie sich vorstellen könnten, hier ein kleines Hostel aufzumachen. Aber sie hätten es eher als Träumerei gesehen, als Aussteigerplan – ein Wunsch für die Rente, ein Hirngespinst, aus dem meist eh nichts wird.

Anfang 2014 lernen sie in einer Strandbar Hansa de Silva und seine Familie kennen. Er ist gebürtiger Singhalese, vor 14 Jahren nach Deutschland ausgewandert und mit seiner Frau und Kindern auf Heimatbesuch. Sie verstehen sich gut und Hansa erzählt den zwei jungen Münchnern, dass er zwei Orte weiter ein Haus besitze, das leer steht. Und dass sie eigentlich Leute suchen würden, die Zeit und Energie hätten, etwas daraus zu machen. „Wir haben uns gefunden“, sagt Laura. Aus dem Traum kann plötzlich ein ernsthaftes Projekt werden. „Laura und ich waren uns einig: Entweder wir gehen das jetzt an, solange wir noch jung und ungebunden sind, oder wir machen es höchstwahrscheinlich nie mehr“, sagt Joshua. Nach der ersten Hausbesichtigung und einem gemeinsamen Abend am Lagerfeuer steht für beide fest, dass sie im März 2014 zurück nach Deutschland fliegen, um Startkapital für das „Gioia Guesthouse“ zu erarbeiten. Laura jobbt im Service, Joshua bei einer Fundraising-Organisation.

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„Kurz bevor wir wieder zurückgeflogen sind, hatte ich dann doch eine ganz schöne Gefühlsachterbahn,“ sagt Laura. Nach fast sieben Monaten in Deutschland hätten sich beide wieder an das Münchner Leben gewöhnt. Sri Lanka schien in weite Ferne gerückt zu sein. Auf Sri Lanka zu leben und zu arbeiten, die Sprache zu lernen, sich mit Arbeitern und Nachbarn auseinanderzusetzen, sich in eine Dorfgemeinschaft zu integrieren, das sei eine Härteprobe, aber auch eine großartige Chance, komplett in eine andere Kultur einzutauchen, fügt er hinzu. „Wir haben es dann durchgezogen und es nicht bereut“, sagt Laura.

Um die Renovierungskosten wieder reinzubekommen und in den kommenden Monaten weitere Bungalows im Garten zu bauen, müssen Laura und Joshua das „Gioia Guesthouse“ gut auslasten. „Bisher klappt das gut“, sagt Joshua. Seit der Eröffnung seien sie die ganze Zeit ausgebucht gewesen. Beide sind sehr kontaktfreudig und kommen schnell mit Touristen ins Gespräch. „Hier sind viele Backpacker unterwegs und viele haben auch Lust mitzuhelfen und bleiben dann meistens länger als geplant“, sagt Laura. Viele der Besucher kaufen sogar kleine Sachen für das Gästehaus oder bezahlen ein wenig mehr. „Einfach, weil sie das Projekt unterstützen möchten“, sagt Joshua.

Auf der Facebook-Seite des „Gioia Guesthouse“ kommentieren viele Münchner Freunde die Geschehnisse, 15 haben sich schon für Februar angekündigt. „Das wird sehr voll! Aber wir freuen uns sehr, dass wir ermutigt werden und jeder ein bisschen etwas von seinen Fähigkeiten hier einbringen wird“, sagt Laura. 

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Auch Lauras und Joshuas Eltern werden im Laufe des Jahres zu Besuch kommen. Für die sei es doch ein kleiner Schock gewesen, aber jetzt würden sie sich gerne das Gästehaus-Projekt anschauen wollen. „Wir haben sehr guten Kontakt zu den Familien hier im Dorf. Unseren Gästen möchten wir ermöglichen, die Kultur hier so kennenzulernen wie wir“, sagt Joshua. Inzwischen können sie sich auch relativ gut auf Singhalesisch verständigen und werden auf viele Feiern im Dorf eingeladen.

Eineinhalb Jahre wollen sie das Abenteuer leben, danach wollen sie in Deutschland studieren, Joshua vermutlich Sozialarbeit, Laura eventuell Kunst. So sieht zumindest der Plan aus – wenn nichts dazwischen kommt. „Im Moment wissen wir nicht, wie wir dieses Haus jemals wieder alleine lassen sollen“, sagt Joshua. 

Von Veronika Dräxler