„Ich hatte nie Lust auf ein bürgerliches Leben“

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Erst Klassik, jetzt Techno: Seine Tracks wurden mehr als 16 Millionen Mal im Internet abgespielt, nun tritt Leon Weber alias LCAW beim Sound Of Munich Now auf.

Dass Leon Weber Musiker werden sollte, war eigentlich schon bei seiner Geburt klar. Er ist in einer Musiker-Familie aufgewachsen, seine Mutter ist Professorin an der Musikhochschule Graz, seine Schwestern sind Orchestermusikerinnen. Leon lernte Klavier und Cello, spielte im Bundesjugendorchester, gewann bei „Jugend musiziert“. Doch mittlerweile hat der 21 Jahre alte Münchner mehr als 16 Millionen Klicks auf Soundcloud und Youtube, wurde mit seinen Remixen von Indie-Songs innerhalb eines Jahres über die Grenzen Europas hinaus bekannt, jettet nun für seine DJ-Sets um die Welt und hat gerade unter dem Künstlernamen LCAW seine erste selbst komponierte Single über Sony/Columbia veröffentlicht.

SZ: Wann war der Moment, als du dich zum ersten Mal als Berufsmusiker gefühlt hast?

Leon Weber: Anfang 2015. Zu der Zeit kam das Management dazu, es liefen die ersten Gespräche mit großen Labels, die Zukunft wurde geplant und damit festgelegt, dass es für mich Musik als Beruf sein wird.

Gab es da ein Zögern? Einen Moment , in dem du dich gefragt hast, ob das wirklich der Weg ist, den du einschlagen willst?

Ich hatte nie Lust auf ein bürgerliches Leben. Aber ein Zögern gab es trotzdem. Vor allem, als es dann um den Zeitplan und meinen Kalender ging, sollte das Ganze denn erfolgreich werden. Das hat mich schon ein bisschen nach Luft schnappen lassen.

Wegen der vielen Termine?

Ja. Wenn man als Musiker erfolgreich wird, dann ist der Kalender so extrem voll – dann wird das mit dem Privatleben irgendwann recht eng.

Du bist jetzt auf der ganzen Welt unterwegs. Wie baut man sich in so einem Lebenskonzept Konstanten auf? Was sind für dich die Momente des Ankommens oder der Heimatgefühle?

Meine alten Freunde geben mir Bodenständigkeit, vor allem auch dann, wenn die Gesprächsthemen weggehen von der Musik. Da gibt es aber auch surreale Momente: Als ich zuletzt vier Wochen auf Tournee in Australien und in Asien war, habe ich dort die verrücktesten Sachen erlebt. Als ich nach Hause kam, habe ich mich mit Freunden getroffen und wollte wissen, wie es denen geht: Der eine hat sich gerade für ein Studium eingeschrieben, der andere beginnt ein Praktikum – und ich saß nur daneben und dachte mir: Das ist doch auch ein schönes Leben. Gleichzeitig war ich aber überglücklich über das, was ich zuvor erlebt hatte.

Du hast mit Remixen angefangen, gerade hast du deine erste eigene Single veröffentlicht. Wann hast du angefangen, selbst Songs zu schreiben?

Ich habe zuerst die Remixes veröffentlicht, ich habe aber zur gleichen Zeit auch schon Originale geschrieben. Nur war der Qualitätsanspruch an meine eigenen Sachen deutlich höher als bei den Remixen, deswegen habe ich die meisten am Anfang zurückgehalten. Später hat mich dann mein Verlag mit tollen Musikern und Sängern im Studio zusammengebracht, damit ich das auch qualitativ hochwertig produzieren konnte. Ich wollte auf den Moment warten, an dem die Originale ein Fortschritt zu den Remixes sein konnten.

Du veröffentlichst auf einem Major-Label und bist in einem großen Verlag. Dein Management aber übernimmt das kleinere Münchner Szene-Label Gomma. Warum?

Das war genau die Balance, die ich gesucht habe. Mathias Modica von Gomma hat mich vor längerer Zeit angeschrieben, er dachte, ich sei ein amerikanischer DJ auf Tour in München. Dann hat sich aber herausgestellt, dass wir seit 21 Jahren im gleichen Viertel leben. Mathias hat mich beraten, wollte mir helfen, einen Manager zu finden, bis sich herausstellte, dass er eigentlich der ideale Manager für mich ist. Ich bin das Gegenteil von dem, was sie sonst mit Gomma machen, die sich ja immer bewusst vom Mainstream abgesetzt haben.

Wenn man deine Remixes und deine Musik hört, ist dieser Indie-Bezug aber auch noch spürbar …

Ich finde beide Welten spannend, ich war aber auch immer hin- und hergerissen, wo ich jetzt wirklich hingehen soll. Letztlich ist mir klar geworden, dass man vielleicht auch beides machen kann. Wenn man von beidem etwas nimmt, kann man das zu etwas Neuem zusammenbringen.
Was nimmst du aus dem Mainstream, was kommt aus dem Indie?
Zum Beispiel meine aktuelle Single. Martin Kelly, der Sänger, kommt eigentlich aus dem Indie-Bereich. Ein Schotte, der mit Gitarre Folk-Lieder spielt, und der jetzt in einem Dance-Song erscheint. Und das war ja auch das, was ich mit den Remixen gemacht habe: Ich habe clubbige Beats unter musikalische Indie-Strukturen gelegt. Und das ergibt eine moderne Mischung aus House, Indie, Folk und Shoegazer-Sound.

Wo siehst du deine musikalische Zukunft? Als DJ oder als Pop-Produzent?

Eher als Produzent. Ich möchte auch ein Live-Set bauen. Wenn man James Blake oder Radiohead live sieht, ist das inspirierend. Das tollste DJ-Set kann einen aus den Socken hauen, das tollste Live-Set ist aber noch einmal sehr viel emotionaler.

Wie reagiert deine klassisch musizierende Familie mittlerweile auf deine Musik?

Wirklich sehr interessiert. Wir haben Abende, an denen wir uns hinsetzen und die Musik analysieren und dann kommt die Kritik, die zum Teil auch sehr harsch ausfallen kann. Sie sehen aber auch, dass mich das persönlich erfüllt, was ich da mache.

Gibt es Überschneidungen für dich zwischen der Klassik und dem Pop?

Ja, teilweise schon. Meine Musik ist nicht vergleichbar mit dem Anspruch einer Symphonie. Aber die Instrumentierung oder die Melodien – ich versuche da viel aus der klassischen, vor allem aus der romantischen Musik mitzunehmen. Die Musik, die ich jetzt mache, wird ja auch öfter als melancholisch beschrieben, so eine Rotwein-Stimmung. Wenn ich in meiner Kindheit und Jugend andere klassische Musik gehört hätte, also zum Beispiel Wiener Walzer, dann klänge wohl auch meine Musik anders.

Interview: Rita Argauer