Nicht vielen Bands gelingt dieser schnörkellose Übergang von einem zum anderen Stil. Orion and the First Day of Aries schon: schließlich ist ihr Genre am besten mit Akustik-Hardcore zu beschreiben.
Der größte Reiz elektronisch verstärkter Instrumente liegt in der Möglichkeit, den Klang zu verfremden. Eine Geige klingt wie sie klingt, da spielt vielleicht noch die Art, wie der Bogen geführt wird, eine gewisse Rolle. Doch die grundlegende Klangästhetik bleibt gleich. In der Popmusik scharten Musiker seit den späten Sechzigerjahren jedoch regelrechte Armadas von kleinen bunten Boxen vor ihren Füßen: Effektgeräte, die zwischen Verstärker und Instrument geschlossen werden und den Klang in mittlerweile fast jede erdenkliche Richtung hin verändern können: Verzerrer sind die bekanntesten, es gibt aber auch alle möglichen Arten von Hall- und Delay-Geräten oder Octaver, die die Tonhöhe verschieben und Flanger, die die Stimmung des Instruments minimal modulieren. Bevor das hier nun in all zu großen Tech-Talk ausartet, muss klar gemacht werden, wie stilprägend diese Effektgeräte für die jeweilige Epoche der Popmusik sind, schlicht, weil jede Epoche eigene und neue Effektgeräte hervorbrachte. Also, wenn man heute ein Delay-Gerät aus den Achtzigerjahren benutzt, dann färbt das ganz subtil und gleichzeitig sehr grundlegend den Klang der Band.
Anders ist das bei Akustik-Projekten. Denn: akustische Instrumente werden nicht verstärkt und wenn doch, dann sollen sie immer noch möglichst akustisch klingen – Effektgeräte sind hier nicht erwünscht. Anders ist das bei Orion Schweitl. Der hat gerade eine kleine Sammlung von seinen auf der Akustik-Gitarre komponierten und meist solo aufgeführten Songs unter dem Namen Orion And The First Day of Aries (Foto: Maximilian Schieder) veröffentlicht. Und was den Sänger und Gitarristen von den vielen Songwritern abhebt, die alle hübsch-melancholische Melodien zu Gitarrenpickings singen, ist, dass Orion Effektgeräte benutzt. Etwa, um eine zweite Gitarrenstimme zu verhallen, die im Song „Collecting Colors“ über den Grundakkorden schwebt und die Musik in eine im besten Sinne eigenartige Stimmung taucht. Oder ein Delay, das in stehenden Akkorden für einen leicht zitternden Nachhall und unerwartete Fülle sorgt. Orion rückt seinen Akustik-Pop so durch allerhand technische Spielereien im Laufe der EP sowieso weit weg von den üblichen Songwriter-Mühlen.
Die Voraussetzung für diese Verschiebungen liegt jedoch nicht nur in den Effektgeräten. Denn Orion kommt eigentlich aus der Hardcore- und Punk-Szene. Mit seiner jüngsten Band Sandlotkids hat er diesen Einfluss ganz großartig mit seinem melodischen Talent verbunden. Nun sind bei seinem Solo-Projekt die Melodien an der Oberfläche gelandet. Dabei genieße er es, selbst und alleine über die Ästhetik seiner Musik entscheiden zu können, live vermisse er jedoch das Bandgefüge und gemeinsam auf der Bühne zu stehen. Orion ist auf eine gewisse Weise gleichzeitig hingebungsvoll und voller Slacker-Haltung. So will er einerseits sein Leben mit Musik gestalten, andererseits gibt er zu, dass die Songs auf seiner EP nie erschienen wären, wenn ihn nicht ein Freund überredet hätte, die Lieder aufzunehmen. Seine Musik gewinnt aus diesem Gegensatz von Mitteilungsbedürfnis und Teilnahmslosigkeit ihren besonderen Reiz. Da ist einerseits die unaufgeregte Dominanz von Gitarre und Gesang. Da fahren aber andererseits fast in jedem Song durchaus überraschende Elemente dazwischen: Etwa eine Bläserlinie. Oder ein synkopiert-zitternder Schlagzeug-Beat. Dass diese Musik, die doch so viele Grenzziehungen verweigert auf Hardcore-Festivals, wo Orion bereits auftrat, ebenso funktioniert, wie auf einer Wohnzimmer-Konzerte-Tour, die er plant, bestätigt das.
Stil: Akustik / Hardcore
Besetzung: Orion Schweitl (Gesang, Gitarre, Produktion)
Seit: 2010
Aus: München
Internet: www.orionandthefirstdayofaries.bandcamp.com
Text: Rita Argauer
Foto: Maximilian Schieder