On the road

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Bruno Fritzsche, 27, reist seit einigen Tagen durch Europa und dreht einen Dokumentarfilm über Straßenmusik. „A Global Joy“ nennt der Jungregisseur sein Projekt – Gitarrengeschrubbe als weltweites Vergnügen.

Seine Zuschauer staunen, wenn der Straßenmusiker mit seiner rauchigen, kraftvollen Stimme zu singen anfängt. Die Gitarre liegt dabei auf seinem Schoß, er bearbeitet die Saiten ähnlich wie die einer Zither. Zusammen mit der Mundharmonika entsteht ein verträumter Country-Sound. Der Sänger kommt aus Australien, trägt Dreadlocks und Filzschlapphut und heißt Tristan O’Meara. Er sitzt an einer Straßenecke in Würzburg, ist Straßenmusiker aus Leidenschaft und tourt um die Welt.

Nach genau solchen Persönlichkeiten wie Tristan O’Meara hält der Münchner Bruno Fritzsche (Foto: Nominal Film, Hawkins & Cross) Ausschau. Der Regisseur ist 27, dreht seit einigen Tagen einen Dokumentarfilm über Straßenmusik in Europa und bereist dafür den Kontinent. Das Reise-Mobil, ein dunkelblauer Van, ist vollgepackt mit Filmequipment – und für den Notfall ist auch eine Matratze dabei. „A Global Joy“ nennt Bruno sein Projekt: Straßenmusik als weltweites Vergnügen. Der Film soll Roadtrip und Musik-Film vereinen und von den Live-Auftritten der Künstler leben. „Wir suchen dafür nicht das, was du in der Fußgängerzone jeder x-beliebigen Stadt siehst: Wir suchen nicht den Akkordeonspieler oder die Panflöten-Indioband“, stellt der Regisseur schnell klar. „Wir suchen krasse Entertainer, die die Leute berühren – ob der vor 200 Zuschauern ‚Alle meine Entchen‘ mit der Plastikflöte spielt oder ob er total geil singt, das ist letztendlich egal.“ Hauptsache also, es unterhält – so wie die Auftritte des Australiers Tristan, Brunos erster Entdeckung auf seiner Reise.

Bruno selbst ist eigentlich Hannoveraner, nach dem Abi kam er 2008 für sein Filmregie-Studium an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation nach München – und blieb. Sein Geld verdient er mittlerweile als Freiberufler mit Werbefilmen. Das Interesse für den Dokumentarfilm ist parallel aber immer weiter gewachsen. Er wirkt lässig mit seinem Drei-Tage-Bart, er trägt weiße Chucks und ein schlichtes T-Shirt, unter dem am Oberarm ein Tattoo hervorblitzt. Trotz der legeren Erscheinung legt Bruno Wert darauf, dass man ihn erst nimmt: Er ist kein Student mehr, der die Schnapsidee einer Europareise mit klapprigem VW-Bus dazu nutzen will, einen semiprofessionellen Film zu drehen.

„A Global Joy“ ist auch nicht Brunos erster Dokumentarfilm: 2011 feierte seine erste Doku „Beautiful Struggle“ über die Veränderung der deutschen Hip-Hop-Szene beim Münchner Dokumentarfilmfest DOK.fest Premiere. Die Idee zum Straßenmusiker-Projekt kam ihm bereits parallel zu den Dreharbeiten des Hip-Hop-Films: „Ich fand es schade, dass wir dafür zwar jede Menge Rapper interviewt haben, aber nie bei den Konzerten dabei waren und Live-Musik einbauen konnten.“

Neben der Arbeit als Regisseur komponiert Bruno selbst Filmmusik und spielt in verschiedenen Bands. Die Bandbreite reicht von ruhig-akustisch über Punk bis Elektro und Dubstep. Die musikalische Offenheit in vielen Genres könnte ihm auch auf der Suche nach der großen Vielfalt der Straßenmusiker zugute kommen. „Und wenn wir zwischendurch keine Protagonisten finden, dann muss Bruno ran und wir stellen ihn in Nantes an die Straßenecke!“, scherzt Kameramann und Produzent Max Plettau.

„Er kam Anfang des Jahres mit der Idee zu ‚A Global Joy‘ auf mich zu“, erzählt Max. „Ich konnte mir das sofort vorstellen, das war genau die Filmidee, auf die ich gewartet habe.“ Jetzt, Mitte September, ging es für die beiden wirklich los. In der Zwischenzeit haben sie die Bayerische Filmförderung von sich überzeugt, recherchiert und die Route geplant. Erster Halt: das Stramu-Festival in Würzburg, das weltweit größte bühnenfreie Fest für Straßenmusik. „Die Qualität der Musiker war überraschend hoch“, sagt Bruno.

Ob das die verbleibenden Wochen so bleiben wird? Es ist eine sehr ungewisse Reise. Doch genau das soll auch zum Kunstgriff des Dokumentarfilms werden: „Es ist ein Film über das Suchen und Finden.“ Sie wollen ernste Anekdoten der Straßenmusiker genauso erzählen wie ihre eigene Reisegeschichte. Die Filmemacher werden selbst zu Protagonisten.

Die Geschichte des Films kann im Übrigen jeder beeinflussen. Denn eine Besonderheit von „A Global Joy“ ist die Interaktivität des Projekts. Auf der Suche nach Musikern verlässt sich Bruno auch auf Tipps von Leuten vor Ort oder aus der Heimat. Bei vielversprechenden Ratschlägen wollen die beiden von ihrer Route abweichen. Zusätzlich hat sich Bruno Unterstützung durch den Münchner Radiosender afk M94.5 gesichert. Programmleiter Wolfgang Sabisch war schnell überzeugt von der Idee: „Das Projekt ist für mich etwas Besonderes, weil es zum einen etwas sehr Vertrautes – nämlich Musik – mit Abenteuerlust und Neugierde auf etwas Neues verbindet.“

Als letzte verlässliche Quelle dienen Bruno unterwegs die Straßenmusiker selbst. Die sind untereinander sehr gut vernetzt: Man weiß, wer in anderen europäischen Städten die Straßen rockt. „Gerade haben wir zum Beispiel eine Musikerin aus Köln getroffen, die meinte, wir sollen unbedingt nach Nantes“, erzählt Bruno. „Wir haben eine ganze Liste mit Straßenmusikern von ihr bekommen.“

Für die gesamte Reise hatte der Regisseur vorab nur einen einzigen festen Termin vereinbart. In Paris trafen sie den Straßenmusiker Gyraf, der in Paris bekannt ist wie ein bunter Hund – oder besser: eine bunte Giraffe. Seit sieben Jahren tritt der Mann im Giraffenkostüm in den Straßen der Metropole als One-Man-Band auf – meist am Brunnen von Saint Michel nahe der Kathedrale Notre-Dame. Einen Tag lang begleitete das Filmteam den Musiker mit dem Schlagzeug auf dem Rücken und der Gitarre in der Hand durch die Stadt.

In den nächsten Tagen geht es nach Spanien und von dort nach Italien. Nach ein paar Wochen Verschnaufpause machen sich Bruno und Max Ende Oktober dann auf nach Osteuropa, wahrscheinlich mit den Stopps Prag, Budapest und Belgrad. In allen Orten vermutet Bruno nach der Vorrecherche eine besonders bunte, aktive Straßenmusik-Szene. Das Spannende soll im Dokumentarfilm dann letztlich auch der Unterschied zwischen den Ländern sein. Der Jungregisseur freut sich vor allem auf Madrid: „Paris und Barcelona verbindet man irgendwie automatisch mit Straßenmusik“, erklärt er. „Aber in Madrid erlebt man, glaube ich, noch ein paar Überraschungen und individuelle Künstler.“

Am Ende soll aus den Liedern der Straßenmusiker auch eine Live-CD entstehen. Geplant ist es als Charity-Projekt, der Erlös soll dann zum Beispiel der Organisation „Music for Kids“ zugute kommen. Wenn alles nach Plan läuft, sind CD und Brunos zweiter Dokumentarfilm im Frühjahr 2015 reif für das bundesweite Publikum – vorausgesetzt, es findet sich ein Verleih. Was er für eine Wirkung beim Zuschauer erzielen will, weiß der Regisseur aber jetzt schon: „Wenn man nach dem Film aus dem Kino kommt, soll man am besten dem nächsten Straßenmusiker einen Fünf-Euro-Schein in den Hut werfen, weil man so Lust auf Straßenmusik hat.“ Elisabeth Kagermeier

Auf seiner Reise verlässt sich Bruno auf Tipps von Menschen aus ganz Europa. Wenn ihr auch einen guten Straßenmusiker kennt, könnt ihr den Filmemacher über die Facebook-Seite von “A Global Joy” erreichen und dort auch Videos der bisherigen Entdeckungen ansehen.