Band der Woche: Young Chinese Dogs

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Die Young Chinese Dogs zertrümmern mit ihrem neuen Album “Great Lake State” ihren ehemaligen Vorsatz, nur so viele Instrumente in einen Song zu packen, wie die drei Bandmitglieder selbst tragen könnten. Der zusätzliche Ballast an Instrumenten ist nun allerdings eine Bereicherung, denn so können Birte Hanusrichter, Oliver Anders Hendriksson und Nick Reitmeier opulente Geschichten von einem sehnsuchtsvollen Lebensgefühl weit weg von München erzählen.

Glaubensbekenntnisse muss man ab und an über den Haufen werfen, um weiterzukommen. Denn erst durch den Bruch mit dem Alten wird Platz für Neues frei. In der Pop-Musik spielen sich derartige Glaubenskriege oft an den Fronten zwischen Authentizität und Inszenierung ab. Das ist natürlich alles von außen betrachtet nicht so ein großer Unterschied: Denn die vermeintliche Echtheit manch einer Punk-Kapelle ist ebenso gut inszeniert wie die Bubblegum-Welt einer Katy Perry. Und die würde andererseits auch nicht ohne den Verweis auf die Echtheit ihrer Person so durchschlagenden Erfolg haben, weil dann die Identifikation mit ihr bei vornehmlich Teenager-Mädchen nicht mehr funktionieren würde. Die Münchner Band Young Chinese Dogs (Foto: Florian Huber) hat dennoch ihr Credo auf ihrem neuen Album „Great Lake State“ ziemlich zertrümmert.

Die Trümmer wirken auch nur deshalb so groß, weil sie zu ihrem vorherigen Album mit einer großen Vehemenz eine einzelne Aussage in die mediale Welt geschossen haben: „Wir spielen nur so viele Instrumente, wie wir selbst tragen können.“ Ein Straßenmusiker-Spleen, der in der künstlerischen Selbstkasteiung Authentizität verspricht, und der die Band um die Schauspielerin und Sängerin Birte Hanusrichter und ihre beiden Kollegen Oliver Anders Hendriksson und Nick Reitmeier weit gebracht hat: ein Vertrag beim Label Motor, ausgedehnte Tourneen, Musik für Fernsehproduktionen (in denen Birte zum Teil auch selbst spielte) und Gesangseinlagen für den Kinderfilm „Der kleine Drache Kokosnuss“.

Das neue Album, das am Freitag, 21. August, offiziell erscheint und das die Band am gleichen Tag live im Münchner Theatron vorstellt, hat nun rein gar nichts mehr von dem Charme des kleinen Mannes, von dem sie auf dem Vorgänger erzählten. Die opulente Produktion von Oliver Anders Hendriksson ist glatt und voller Glanz, die Tracks sind aufwendig instrumentiert – von wehmütigen Streichern zu bluesig-verzerrten Gitarren. Man kann sich die Bandmitglieder gut vorstellen, wie sie schwer bepackt unter dem Gewicht all dieser Instrumente zusammenbrechen, beim Versuch, um ihre Authentizität zu kämpfen. Oder aber, man gesteht ihnen die künstlerische Freiheit zu, ist nicht so kleinkariert und beachtet die Entwicklung. Denn die Opulenz der Produktion ist künstlerisch konsequent. Auf „Great Lake State“ erzählen die Young Chinese Dogs Geschichten von einem Lebensgefühl, das von ihrem Alltag in München mehr als weit entfernt ist.

Der US-amerikanische Staat Michigan trägt den Spitznamen „Great Lake State“, die fünf großen Seen sind so riesig, dass dort Gezeiten beobachtet werden; außerdem gehören die Niagara-Fälle dazu. Und die Young Chinese Dogs klingen tatsächlich so, als würden sie in einer Bar in einer Kleinstadt des mittleren Westens auftreten, in der ordentlich getrunken und auch sonst wenig Rücksicht auf Verluste genommen wird. Nick und Birte singen weiterhin inbrünstig zusammen, buhlen um das Publikum, Bilder von „Natural Born Killers“ zu „Wild at Heart“ kommen einem in den Kopf. Country im Pop-Folk-Gewand ist das, der auch nicht vor Klischees wie den „Dirty little Boys“ und den „Dirty little Girls“ zurückschreckt, die sich gegenseitig betrügen. Ein Song-Zwillingspaar übrigens, der eine im 4/4-Takt, der andere ein 6/8-Takt, basierend auf der gleichen Melodieführung.

Ja, das Album ist vielmehr ein Kopfkino als die Pseudo-Authentizität der Folk-Bewegung. Damit ist die Band auch näher an den US-Theater-Poppern July Talk als an Münchner Straßenmusikanten. Und das ist auch gut so, denn Rollen sind dazu da, sie zu tauschen. Und Abwechslung bringt das allemal. 

Stil: Country / Pop / Folk

Besetzung: Nick Reitmeier (Gesang, Gitarre), Oliver Anders Hendriksson (Gitarre), Birte Hanusrichter (Gesang, Keys, Percussion)

Aus: München

Seit: 2011

Internet: www.youngchinesedogs.com

Rita Argauer

Foto: Florian Huber

Der Einfluss aus dem Irish Pub

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Unsere Band des Jahres Young Chinese Dogs ist mit ihrem Debütalbum „Farewell to Fate“ auf großer Deutschlandtournee. Zwischen Radioauftritt und Soundcheck fand Sängerin Birte Hanusrichter Zeit für ein Gespräch mit der SZ-Jugendseite. Am Samstag spielt die Band im Münchner Feierwerk.

Im vergangenen Jahr haben Nick Reitmeier, Oliver Anders Hendriksson und Birte Hanusrichter (Foto: Florian Huber) ihr erstes Album Farewell
to Fate veröffentlicht.
Dafür wurden sie bei dem Berliner Label Motor Music unter Vertrag genommen. Die
Münchner benutzen seit ihrer Gründung 2011 nur Instrumente, die sie selbst
tragen können. Mit Gitarren, Trommel, Kinderklavier, Akkordeon, Mundharmonika
und ihren Stimmen bringen sie akustischen Indie-Folk auf die Bühne. Auf der
aktuellen Tour spielen sie Klassiker wie This town is killing me, Sweet
little Lies und die
neue Single Don‘t talk about. Außerdem
kann das Publikum auf bisher unbekannte Lieder vom neuen Album gespannt sein.

SZ-Jugendseite: Ihr tourt gerade mit eurem
Album „Farewell to Fate“ durch Deutschland. Wie ist es, als Headliner und nicht
mehr als Vorband zu spielen?

Birte Hanusrichter: Man darf erst später trinken, weil man später
mit Spielen fertig ist. Und man muss früher da sein, weil man als erstes den
Soundcheck macht. Es gibt aber auch Vorteile: Man hat den größeren
Backstage-Raum und darf so lange spielen, wie man möchte.

Die Vorbereitungen für euer
zweites Album laufen. Werden eure Zuschauer schon neue Lieder hören?

Wir haben einige neue Songs geschrieben und
spielen auch schon vier davon auf der Tour. Diese Lieder werden auch auf dem
neuen Album sein.

Was ist wichtiger: die
Konzerte oder das Album?

Wir haben schon viele Songs für das neue
Album. Jetzt konzentrieren wir uns auf die Konzerte, fahren durch die Gegend
und spielen. Währenddessen feilen wir noch an den neuen Liedern, aber alles
ohne Stress.

Am Samstag spielt ihr im
Feierwerk in München, quasi ein Heimspiel. Macht das für euch einen
Unterschied?

In gewisser Weise macht es einen Unterschied,
weil wir in München angefangen haben. Natürlich haben wir da unsere ältesten
und treusten Fans, die die Texte am besten auswendig können und alles
mitsingen. In anderen Städten haben wir das auch erlebt, das hat uns sehr
gefreut. In München ist das aber noch mehr. Wir treffen dort viele Freunde und
Leute, die schon seit unserem ersten Konzert dabei sind.

Ihr macht akustischen
Indie-Folk. Bleibt ihr eurem Stil auf dem neuen Album treu?

Wir bleiben unserem Stil auf jeden Fall treu.
Sachen, die wir auf Tour erlebt haben, beeinflussen uns aber natürlich. Wir
waren zum Beispiel in Irland unterwegs. Dabei entstanden zwei neue Trinksongs,
die tatsächlich sehr stark nach Pub klingen. Wir benutzen auch dieselben
Instrumente wie immer. Ein bisschen experimenteller wird es vielleicht, aber
eigentlich haben wir es wie immer gemacht: Wir fahren rum, spielen, und das,
was uns begegnet, wird eingebaut.

Woher stammt die Idee, nur
Instrumente zu benutzen, die ihr selbst tragen könnt?

Wir hatten anfangs keinen Proberaum, deshalb
mussten wir flexibel sein. Wir konnten uns die Instrumente einfach über die
Schulter werfen und irgendwo spielen: bei jemandem von uns zu Hause, draußen an
der Isar, überall.

Was habt ihr für die Zeit
nach der Tournee geplant?

Im Sommer werden wir auf Festivals unterwegs
sein und viel live spielen. Währenddessen experimentieren wir an unseren neuen
Songs und schreiben sie fertig. Irgendwann, wenn es kalt wird, können wir ganz
in Ruhe ins Studio gehen und die Lieder aufnehmen.

Interview: Jenny Stern