Die Münchner Studenten Amelie Bauer, 24, und Fabian Lieke, 26, entwickeln mit ihren Freunden den Stadtführer “Alternativ unterwegs”. Damit möchten sie den Menschen der Stadt eine nachhaltige und
ökologische Lebensgestaltung erleichtern.
Hofbräuhaus, Kaufingerstraße, Viktualienmarkt – ist das
München? Dass die Stadt sehr viel mehr als diese Touristenorte zu bieten
hat, wollen Amelie Bauer, 24, und Fabian Lieke, 26 (Foto: Alina Kroos) mit ihrem Projekt „Alternativ unterwegs“
zeigen. Amelie erklärt: „Wir wollen Orte und Menschen präsentieren, die
München irgendwie anders deuten, cooler und lebenswerter machen. Wir
sind aus der Öko-Ecke und wollen die ökologischen Seiten der Stadt
zeigen.“ Zusammen mit sieben weiteren Redaktionsmitgliedern arbeiten die
beiden Studenten ehrenamtlich an einem alternativen Stadtführer,
hauptsächlich für Münchner, die ihre Stadt neu entdecken möchten.
Vom Second-Hand-Laden bis zum veganen Restaurant und politischen
Initiativen werden unterschiedlichste Orte und Projekte vorgestellt, die
einem die alternative Lebensgestaltung leichter machen sollen.
Doch was bedeutet eigentlich „alternativ“ leben? Mit der Definition
habe sich auch die Redaktion schwer getan, erzählt Amelie: „Wir wollten
nicht von vornherein etwas ausschließen. Vielleicht sind die
abgefahrensten Sachen alternativ. Letzten Endes heißt alternativ nur
anders.“ Ob etwas in den Stadtführer kommt oder nicht, entscheiden sie
im Team demokratisch. Dabei orientiert sie sich an Kriterien, wie
nachweisbares ökologisches und nachweisbares soziales Engagement.
Unterstützt werden keine Ketten und Konzerne, betont Amelie: „Wer zu
groß ist, braucht uns nicht.“
Flohmärkte, Bioläden, neue vegane und vegetarische Restaurants –
nachhaltig zu leben scheint in Mode zu sein. Das führt dazu, dass
verschiedenste Unternehmen und Geschäfte die Chance sehen, Profit damit
zu machen. Deshalb hinterfragt die Redaktion genau, wer wirklich für die
gute Sache kämpft. Natürlich habe „Alternativ unterwegs“ nicht die
Kapazitäten, ein neues Ökosiegel zu schaffen, erklärt Fabian: „Harte
Kriterien wie Siegel sind aber auch falsch. Es geht uns darum, dass
jeder das tut, was er tun kann. Das Entscheidende ist, dass jemand mit
Herzblut an der Sache hängt. Glaubwürdigkeit ist dabei das Wichtigste.“
Nachhaltigkeit ist dabei nicht nur an ökologische Kriterien gebunden,
sondern auch daran, dass sich jeder über den eigenen Konsum Gedanken
macht. München ist voll von Kleidung, Möbeln und elektronischen Geräten.
Eigentlich müsse man sich fast nichts neu kaufen, merkt Amelie an.
Deshalb hat auch sie ihren Toaster zum Verschenken ins Internet
gestellt.
„Alternativ unterwegs“ soll nicht nur eine Hilfe für diejenigen sein,
die ihr Leben umweltbewusst gestalten möchten. Der Stadtführer soll
auch Denkanstöße geben. So erhält der Leser nicht nur Tipps zum Ausgehen
und Einkaufen, sondern findet Anregungen zu
Weiterbildungsmöglichkeiten, Vorträgen und Veranstaltungsreihen.
Außerdem werden Leute und Organisationen verschiedenster Art
vorgestellt, die „was Gutes machen und die Stadt weiterbringen“, erklärt
Amelie, wie zum Beispiel der Verein zur Erhaltung der Isarwelle. Auch
wer selbst ehrenamtlich aktiv werden möchte, erhält im Stadtführer
Empfehlungen. Darüber hinaus soll auch erklärt werden, wie man seine
eigene Demonstration organisiert oder eine eigene Kleidertausch-Party
veranstaltet. Die Inhalte und Ziele sind klar, an der Form wird noch
gearbeitet.
Seit nun fast drei Jahren sind Amelie und Fabian befreundet. Sie
haben sich über die Jugendorganisation vom Bund Naturschutz
kennengelernt als sie dort zusammen an einer Kampagne gegen die dritte
Startbahn am Münchner Flughafen gearbeitet haben. Die Motivation zu so
einem Stadtführer kommt also nicht von ungefähr. Fabian ist seit elf
Jahren bei den Grünen, war mitunter auch im Landesvorstand und hat somit
schon lange einen guten Einblick in die Szene. Er studiert momentan
Geschichte und vergleichende Kultur- und Religionswissenschaft. Amelie
studiert Politikwissenschaft und Soziologie und hat bereits einige
Second-Hand-Läden in kleinen Seitenstraßen entdeckt, bei denen sie
hauptsächlich ihre Kleidung kauft. Natürlich spielt Ernährung bei diesem
Thema eine wichtige Rolle, so achten beide beim Einkauf, sofern es ihre
finanzielle Lage als Studenten zulässt, auf regionale Angebote und
Bio-Produkte.
Ein Problem sei, dass viele in der Öko-Szene zu radikal seien,
erklärt Amelie: „Viele sagen, wenn du Fleisch ist, dann gehe das schon
mal gar nicht. Genau diesen Eindruck wollen wir vermeiden.“ Die
Redaktion ist dabei ziemlich gemischt. Strikter Vegetarier oder
Fleischesser – keiner wird ausgeschlossen. Jedes Mitglied hat seine
eigene Herangehensweise
: Es gibt diejenigen, die sich mehr mit dem ökologischen Aspekt
beschäftigen und diejenigen, die ihr Wissen im Bereich Kultur und Kunst
gesammelt haben. Sie wollen zeigen, was es für alle Angebote gibt, dann
kann jeder selbst entscheiden, was er davon umsetzen möchte: „Wir
möchten niemandem vorschreiben, wie er leben soll, sondern einfach nur
der lässige Ökofreund in deinem Freundeskreis sein“, sagt Amelie.
Der Stadtführer ist in erster Linie ein Herzensprojekt und „social
enterprise“, wie Fabian betont, aber dennoch nicht nur ein Spaßprojekt.
Das Buch soll, neben dem Online-Auftritt in abgespeckter Form, auf jeden
Fall gedruckt mit vielen Bildern und Interviews erscheinen. Das ist
natürlich auch mit hohen Kosten verbunden. Deshalb haben Amelie und
Fabian mit ihrem Freund Florian Sperk ein Unternehmen gegründet: die
Gartenlaube UG. In der Gartenlaube von Florian und seiner Freundin Hanna
finden auch die Redaktionssitzungen statt. Finanzieller Profit ist
sicherlich nicht das Ziel, die Erstattung der Druckkosten wäre für die
Studenten aber durchaus wünschenswert.
Das Team von „Alternativ unterwegs“ hat eine Vision, erklärt Fabian:
„Die Idee geht über das Buch hinaus. Über das Internet soll das Projekt
am Leben erhalten werden, abschließen kann man es nicht. Schön wäre es
auch, es mit den Leuten weiter zu führen, die das Buch gelesen haben.“
Der Stadtführer soll im Frühling 2015 erscheinen, wenn der Winter vorbei
ist, die Leute wieder langsam aus ihren Betten kriechen und Lust haben,
unterwegs zu sein und die Stadt zu entdecken.
Gabriella Silvestri
Foto: Alina Kroos
Weitere Informationen unter http://www.alternativ-unterwegs.de/