Hilfe mit Tiefgang

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Nicola Gärtner und Amir Aboueldahab organisieren als „Ingenieure ohne Grenzen“ ein Wasserprojekt in Afrika.

München – Die „Wassermusik“ von Händel wäre eine passende Musikauswahl für das Benefizkonzert von „Ingenieure ohne Grenzen“ – schließlich verbessern die 20 TU-Studenten die Wasserversorgung in einem abgelegenen Tal in Marokko. Aber die Ingenieure setzen auf Modernes: Für das Konzert am 16. Dezember in der Glockenbachwerkstatt (Einlass 19 Uhr) konnten sie fünf Bands gewinnen, unter anderem Triska aus München. Spenden in Höhe von 7000 Euro haben sie schon gesammelt, der Erlös aus dem Konzert wird nun komplett hinzukommen. Ein Gespräch mit Nicola Gärtner, 22, und Amir Aboueldahab, 26, über die Hintergründe des Projekts und Wassermelonen.

SZ: Wem genau wollt ihr mit eurem Wasserprojekt helfen?
Amir Aboueldahab: Im Tafraoute-Tal in Marokko leben circa 60 bis 70 Berberfamilien. Die betreiben Subsistenzlandwirtschaft und ziehen tageweise mit ihren Ziegenherden in die Berge. Sie haben Wasserprobleme, weil es dort drei Jahre lang nicht ernsthaft geregnet hat. Eine Trekking-Touristin, die zufällig im Tal war, hat sich an „Ingenieure ohne Grenzen“ gewandt. Und wir fanden das Projekt spannend.

Warum engagiert ihr euch gerade dafür?
Amir Aboueldahab: „Ingenieure ohne Grenzen“ ist ja ein deutschlandweiter Verein, aber das ist das erste Wasserprojekt von uns hier in München. Das war für viele eine Motivation. Dieses Thema spricht zum Beispiel Bauingenieure an …

Nicola Gärtner: … oder Umweltingenieure wie mich (lacht). Wir beschäftigen uns im Studium viel mit Wasserbau und Problemen bei der Wasserversorgung. Wir haben hier das Glück, extrem gute Bildung zu erhalten. Da kann man auch mal etwas zurückgeben.

Wie sieht das Projekt genau aus?
Amir Aboueldahab: Die Anfrage war erst einmal, dass wir mehr und tiefere Brunnen bohren sollen. Im Oktober waren wir im Tal, haben Brunnen vermessen und uns überlegt, welche Alternativen es gibt. Wir haben vor Ort festgestellt, dass es vor zwei Monaten geregnet hatte – die Leute hatten also Wasser.

Problem gelöst.
Amir Aboueldahab: Wir haben gemerkt, dass die Leute das Wasser sofort verbrauchen, wenn sie welches haben. Einer hat angefangen, Wassermelonen (Frucht mit circa 96 Prozent Wassergehalt, d. Red.) anzubauen, um sie zu verkaufen. Das ergibt wenig Sinn, damit verkauft man quasi das Wasser auf dem Markt.

Woher kommt dieser Umgang mit Wasser eurer Meinung nach?
Amir Aboueldahab: Das Hauptproblem ist, dass kein Bewusstsein dafür da ist, wie sich Grundwasser verhält. Die Menschen denken, dass das Wasser weg ist, wenn sie es nicht sofort verbrauchen. Es geht uns darum, zu sensibilisieren: Grundwasser, das sie jetzt nicht verbrauchen, ist nach einem Jahr auch noch da. Hier versuchen wir anzusetzen. Mittlerweile sind wir an dem Punkt, wo wir davon ausgehen, dass es eher ein Bildungsprojekt zum Thema Wasserwirtschaft werden wird.

Damit wären die ursprünglichen Planungen hinfällig.
Amir Aboueldahab: Wir versuchen, flexibel zu sein und ergebnisoffen an das Projekt heranzugehen. Das sieht man: Wir haben fünf Technologien ein Jahr lang ausgearbeitet und eigentlich alle wieder verworfen. Die gründliche Vorbereitung von verschiedenen Lösungen war trotzdem wichtig – und mir macht es Spaß, so zu arbeiten. Aber: Wir haben auf diesem Weg auch ein paar Leute verloren, die sich ganz intensiv mit einer Technologie auseinandergesetzt haben.

Geht ihr davon aus, dass das Bildungsprojekt allein das Wasserproblem schon lösen kann?
Amir Aboueldahab: Aktuell gehe ich davon aus. Es ist schwer abzuschätzen, weil wir noch nicht hundertprozentig wissen, wie sich das Grundwasser in diesem Bereich verhält. Um das zu klären, werden wir erst einmal die Daten auswerten, die wir bei der Erkundung gesammelt haben.

Wie problematisch ist es, dorthin zu gehen und zu sagen: „Ihr macht das falsch. Wir zeigen euch, wie es besser geht.“?
Amir Aboueldahab: Es fühlt sich problematisch an. Wir haben bei der Erkundung aber festgestellt, dass die Menschen dort das wollen. Sie haben bei ganz alltäglichen Dingen gefragt, wie sie das jetzt machen sollen. Sie waren fast unsicher, weil sie uns eine völlig überhöhte Kompetenz zugesprochen haben, was alles im Leben angeht.

Welche technischen Komponenten sind in eurem Projekt eigentlich noch übrig?
Amir Aboueldahab: Eine handwerkliche Lösung wäre zum Beispiel, Pumpen der bestehenden Brunnen auf Solartechnik umzurüsten. Das würde den Familien den Druck nehmen, so viel Geld für Treibstoff ausgeben zu müssen. Dann müssten sie – plakativ gesagt – weniger Wassermelonen anbauen.

Beim Benefizkonzert spielen fünf Bands. Wie groß ist deren Interesse?
Nicola Gärtner: Gerade erst hat sich eine der Bands gemeldet. Die Musiker schreiben derzeit ihre Anmoderation und haben sich wirklich Gedanken über das Projekt gemacht und sehr konkrete Fragen gestellt. Das hat mich beeindruckt.

Interview: Katharina Hartinger