Zeichen der Freundschaft: Unser Sommer

Unter besonderen Bedingungen entstehen oft auch besondere Freundschaften, meint unsere Autorin. Und wenn das, was einen früher zusammengehalten hat, nicht mehr ist, dann wird es Zeit für einen Neuanfang. Zeit für Band zwei.

Es ist 2 Uhr morgens und wir sitzen zusammen im Bus. Heimweg. Draußen schneit es und ich bin
müde, ein wenig neben mir stehend. Die Party ist noch lange nicht vorbei, doch wir sind fertig für
heute. Noch schweigen wir, sind beide in unsere eigenen Gedanken vertieft. Nach einigen Minuten
beendet mein heiseres Flüstern die Stille: „Irgendwie vermisse ich das, weißt du? Die Sommerzeit,
die vielen müden Sonntage, die Augenringe, diese Alles-Egal-Haltung, manchmal sogar den
ätzenden Liebeskummer, die Gefühle und Gedanken.“ – ein kurzes Schweigen folgt bevor Lara
antwortet: „Ich irgendwie auch.“
Ohne meiner Freundin in die Augen zu schauen, weiß ich ganz genau an was sie gerade denkt.
Wir erinnern uns, jede für sich. An die vielen Nächte, die sich bis in den nächsten Morgen zogen,
an unsere Mitternachtsgespräche oder an Katersonntage mit Kaffee, Obstsalat und Sonnenschein.
An unseren Sommer. 

Lara und ich kennen uns noch nicht all zu lange, dafür aber schon sehr, sehr gut. Irgendwie war da
mal die Rede von Mathenachhilfe und einige Monate später saßen wir um ein Uhr morgens
zusammen auf der kleinen Terrasse, tranken Weißwein und sprachen über das Leben, die Liebe
und den Sommer. Das war Zufall. Glück im Unglück. Zwei Mädchen, eine Menge Liebeskummer
und etwas zu ernst genommenes Drama. Das Ende der Klausurenphase und der Wunsch, einfach
Mal loszulassen. Jung zu sein. Unzählige Nächte haben wir durchgefeiert, solange getanzt bis die
Füße weh taten. Am nächsten Morgen dann Geschichten erzählt. Wochenende für Wochenende.
Wie unter Strom. Erinnerungen in Bildern fest gehalten. Selfie, Smile, Klick! Alles ist gut! Wir sind
jung, wir sind frei und lebendig! 

Doch irgendwie war vieles davon nur Ablenkung, Show. Denn wenn es ein Uhr, zwei Uhr, drei Uhr
morgens wurde und wir zusammen auf der kleinen Terrasse saßen, da war es nach langer Zeit Mal
wieder still um uns herum. Ein letzter Atemzug, Zigarettenqualm und ich sah meiner besten
Freundin in die Augen. Wurde ehrlich und lies die Maske fallen. Wir saßen oft so da und schütteten
Herz und Kopf aus. Weil wir einander verstanden, nachempfinden konnten, was die andere gerade
durch machen musste. Das waren die ehrlichen Momente zwischen den lauten Abenden und dem
Lachen, das oftmals aufgesetzt war. Zusammen lernten wir Stärke zu beweisen. Fassaden zu
bauen. Reichten einander das nötige Werkzeug dafür. Doch mit dem Herbst kamen
Veränderungen und wir schlossen gemeinsam unser Sommerbuch, zogen Schlussstriche, trafen
letzte Entscheidungen, um mit einem neuen Band zu beginnen. 

Band zwei sozusagen. Denn uns steht das letzte Schuljahr bevor. Man kann ganz oft das Wort
„Abitur“ lesen und viele Fragezeichen schmücken die noch leeren Seiten. Das werden andere
Geschichten, vielleicht ein Stück weit erwachsener und weniger traurig. Ohne Show und ohne
Fassaden. Ohne so viele Tränen. Hoffentlich. Doch auch wenn wir den Sommer oft vermissen und
es nun 2 Uhr morgens ist und draußen weiße Flocken auf den Boden fallen, so wissen wir, dass es
wichtig war etwas zu beenden, um einen Neubeginn zu wagen. Also machen wir weiter, mit Band
zwei und vielen neuen Protagonisten in unserem Buch. Mit neuen Hürden und einem neuen
Sommer. Und es wird wieder Augenringe geben, Nächte die im Morgengrauen enden und Lara
und mich mit jeder Menge Fotos und Geschichten.

Text: Anastasia Trenkler

Foto: Yunus Hutterer