Band der Woche: Neon Black

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Sie eifern Nirvana nach und spielen trotzdem so echt, als hätte es die letzten 15 Jahre nicht gegeben. Neon Black kombinieren Hard Pop mit rockigen Gitarren und überzeugen mit viel Energie.

Nirvanas Album „Nevermind“ veränderte die Geschichte der Popmusik. Ja, das gibt es tatsächlich, diesen Pathos, dass man eine solche Veränderung an einem einzigen Werk ausmachen kann. Natürlich mussten die Verhältnisse dafür stimmen, natürlich leisteten Bands wie die Pixies, die Melvins oder Sonic Youth Vorarbeit. Doch mit „Nevermind“ wurde Punk plötzlich Pop. Ohne Abbruch auf einer der beiden Seiten, „Nevermind“ ist für undergroundige Anti-Establishment-Heros genauso vertretbar wie für Pop-Hörer, die einen Hang zu verzerrten Gitarren haben. Schlicht, weil sich auf „Nevermind“ Songstrukturen und Melodien finden, die in Eingängigkeit und Feinsinnigkeit den Beatles nahe stehen. Und trotzdem schwere Wut, dröhnende Gitarren und Gebrüll benutzt wird, um diese Melodien umzusetzen. 

Einen wesentlichen Anteil, dass das so aufging, hat ein gewisser Butch Vig. Der hat das Album aufgenommen und produziert. Und der spielte eigentlich Schlagzeug, in einer Band namens Garbage. Die hatten ihren einzig richtig großen Erfolg mit „The World is not enough“, einem James-Bond-Song, der überhaupt nicht nach dem typischen James-Bond-Song klingt, das war aber eine Zeit nach „Nevermind“. Doch Garbage begründeten ein Genre, das damals den Namen Hard Pop trug. Harter Pop, also etwas, das irgendwo die Eingängigkeit von Pop verspricht, aber eben, nachdem Nirvana brüllend die Macht des Punks demonstriert hatten, auch versuchte, ein bisschen unbequemes Rock-Flair mit in den Pop hinein zu konstruieren.

In München ist nun mit Neon Black eine Band aufgetaucht, die genau nach diesem Hard Pop klingt, den es schon so lang nicht mehr gibt. Denn spätestens seit die Cardigans Mitte der Nullerjahre „Super Extra Gravity“ veröffentlicht haben, setzten sie dem Genre ein Ende. Hard Pop ist darauf spezialisiert, danach konnte nichts mehr kommen, denn mehr Raum zum Entwickeln gab es in diesem Genre nicht.  

Eigentlich ist diese Musik erstaunlich einfach gestrickt: Eine klassisch-männlich besetzte Rockband wird hinter eine Sängerin gestellt. Singer-Songwriter-Emotionalitäten werden mit Rockinsignien verknüpft. Bei den Cranberries genauso wie bei den Cardigans, bei No Doubt oder eben bei Garbage. Es gab auch singende Männer, die solche Musik machen (Bush etwa), doch das nannte man seltsamerweise nicht so, das war eher Soft Rock, statt Hard Pop.

Die Münchner Neon Black klingen nun ein bisschen, als hätte es die vergangenen 15 Jahre nicht gegeben. Und das macht ihren großen Charme aus. Denn die Musik des Quartetts um die Sängerin Tina Fischer klingt nicht, als würde es diese alten Bands wieder aufleben lassen wollen. Sie klingen eher so, als hätten sie diesen Musikstil, der auch mal ausufernde Gitarrensoli kennt, die dann mit eingängig-hymnischen Gesangslinien kombiniert werden, gerade erst erfunden. In der Live-Version des Song „Nothing is certain“ hört man das wunderbar. Da wird jede Rock-Gitarre, die zum Gesang hin schiebt, da wird jedes rhythmisches Pushen noch als echte Kraft empfunden und nicht als Zitat eines längst veralteten Stilmittels verwendet.

Neon Black spielen in dieser Besetzung seit einem Jahr zusammen, im Oktober 2015 stieg Tina als Sängerin in das bestehende Trio der Jungs an Gitarre, Bass und Schlagzeug ein. Die Red Hot Chili Peppers zum Vorbild gründeten sie die Band, mit der sie dann im vergangenen Jahr am Muc-King-Wettbewerb teilnahmen. Die Energie, die sie haben, ist großartig. Wenn sie die nun noch ein wenig weiter drehen und die Musik ein wenig eigener wird, könnte das auch über Jugendzentren hinaus funktionieren. Und Zeit für eine neue „Nevermind“ ist sowieso.

Stil: Hard Pop
Besetzung: Tina Fischer (Gesang), Felix Mayr (Gitarre), Jonas Mayr (Bass, Piano, Ableton), Marco Kreuzer (Schlagzeug)
Aus: München
Seit: 2015
Internet: www.facebook.com/neonblackmunich

Von: Rita Argauer

Foto: Sven Pichlkostner