Modedesigner mit Hammer und Säge: Philipp Fuß und Stefan Urbainczyk produzieren Fliegen aus Holz. Bei Familienfeiern und Hochzeiten können sie damit immer Punkten. Bald wollen die beiden Jungunternehmer ihr Sortiment noch um Einstecktücher und Manschettenknöpfe erweitern.
Steht eine Familienfeier an, geht das Gefrage los: Was soll ich anziehen? Schränke werden aufgerissen, die Kleidung wird durchwühlt und schließlich panisch ein Großeinkauf beschlossen. Anders ist das bei Philipp Fuß, 27: Für das passende Accessoire geht er in den Keller. Er legt ein Stück Holz auf die Werkbank. Setzt die Bandsäge an und fräst es in Form einer Schleife. Das Sägemehl legt sich wie Blütenstaub auf seine Hände. Philipp schleift und poliert. Solange bis sie fertig ist: die Fliege aus Holz. Seit 2013 verkauft er zusammen mit Stefan Urbainczyk, 30, die Designerstücke unter dem Namen HerrFliege.
Alles begann während eines Kinoabends. Philipp konnte es mal wieder nicht lassen: Er suchte nach Filmfehlern und ärgerte sich über Johnny Depps Krawatte, die im Wind hin und her flatterte. Es sollte ein Accessoire geben, das immer gut aussieht, egal bei welchem Wetter oder Anlass, dachte sich der Student damals. Er recherchierte im Internet und stieß auf eine amerikanische Webseite mit Holzfliegen. „Philipp und ich waren davon so begeistert, dass wir gleich loslegten“, sagt Stefan. Zu der Zeit ahnten sie jedoch noch nicht, wie schwierig es sein würde, ihre Idee in die Tat umzusetzen.
Fusi und Urbi – wie sich die Freunde selbst nennen – sind ein eingespieltes Team. Sie kennen sich seit Schulzeiten, sind fast Nachbarn. Und doch sind sie sehr unterschiedlich: Stefan, dunkler Lockenkopf und Medieninformatik-Student, ist der Ruhepol des Duos. Philipp, blond mit spitzbübischem Grinsen, redet viel und gerne. Er studiert Architektur. Was beide verbindet, ist die Liebe für das Handwerkliche: „Wir sind Bastler“, sagt Philipp und schiebt seine braunmelierte Brille zurück auf die Nase.
Tatsächlich war das Projekt Holzfliege anfangs nicht mehr als eine Spielerei. Für die ersten Prototypen mussten die Freunde improvisieren: Das Werkzeug kam von Stefans Opa, die Nähmaschine von Philipps Mutter. Sie zeichneten die Schnitte, formten das Holz und polierten die Kanten. Philipps Modellbauerfahrung aus dem Architekturstudium half ihnen dabei. Weit größere Schwierigkeiten hatten die beiden mit dem Stoff. Wenn die Studenten sich an die Nähmaschine setzten, war Philipps Mutter nicht weit: Sie zeigte ihnen, wie man richtig absteckt und eine saubere Naht setzt. „Bis das erste Modell fertig war, dauerte es Wochen“, sagt Stefan Und: „Die ersten Fliegen sahen schrecklich aus.“
Tragen wollten sie ihre Kreationen trotzdem: Bei jeder Hochzeit, jedem Familienfest banden sie sich die braunen Schleifen um den Hals. Und die Resonanz bei Freunden und Verwandten war groß: Viele fragten nach und wollten selbst ein Modell haben. „Profit oder Vermarktung waren vorher nie ein Thema. Wir produzierten die Fliegen nur für uns selbst“, sagt Philipp. Die große Nachfrage stimmte sie schließlich um: Sie gründeten einen Onlineshop und kauften sich neue Maschinen. Aber die anfängliche Euphorie verflog schnell. Im ersten halben Jahr verkauften sie keine einzige Fliege. „Wir wussten nicht, ob wir je wieder einen Cent von den Investitionen sehen würden“, sagt Stefan. Doch schließlich lief das Geschäft an.
Ihr Showroom waren die Hochzeiten. Philipp erinnert sich: „Dort trafen wir immer neue Leute. Wir stachen mit den Fliegen heraus.“ Jeden Monat trudelten bei den Jungunternehmern mehr Bestellungen ein. Sie vergrößerten ihr Sortiment, verschönerten die Homepage. Dort bieten die Studenten im Moment 23 verschiedene Modelle an. Ob Bambus, Eiche oder Esche, mit kariertem oder einfarbigem Stoff – beim Online-Konfigurator können Kunden auch ihre eigenen Kreationen entwerfen.
Aber manchen Kunden ist das nicht individuell genug, sie schicken ihr eigenes Holz. Eine Winzerin bestellte eine Fliege aus alten Weinreben. 45 Jahre lang trugen sie Trauben, jetzt sollten sie zum Schmuckstück werden. Das Holz war bereits morsch und wenig elastisch – eine Herausforderung für Stefan und Philipp. Wenig später meldete sich ein Geigenbauer. Das Holz, das von der Produktion übrig blieb, wollte er später um den Hals tragen.
Die Nachfrage wächst, und das ganz ohne Werbung und Marketing. „Wir vertrauen auf Mundpropaganda“, sagt Philipp „Es ist ein Nischenprodukt und das soll es auch bleiben.“ Die beiden Münchner setzen auf Qualität: Jeder Produktionsschritt ist Handarbeit. Von der Auswahl des Holzes bis zum Schlagen der Ösen. Das kostet Zeit. Der Spagat zwischen Student und Jungunternehmer ist nicht immer einfach. Nicht selten müssen sie den Sportkurs oder eine Party sausen lassen. Wenn eine Bestellung reinkommt, verschwinden die beiden in Stefans Keller. Sie produzieren nur nach Bedarf. Vor Weihnachten stießen sie an ihre Grenzen: „Teilweise arbeiteten wir bis 4 Uhr in der Früh.“
Von dem Einkommen aus dem Start-up können die beiden bisher nicht leben. Auch sind sie inzwischen nicht mehr allein auf dem deutschen Markt. Mehrere Anbieter haben Holzfliegen in ihr Sortiment aufgenommen. Einschüchtern lassen sich die jungen Gründer davon nicht. Im Gegenteil: Sie tüfteln bereits an neuen Produkten. Einstecktücher und Manschettenknöpfe sind in Planung – natürlich mit Holzapplikationen. Schließlich sei Holz, so sagt Philipp, ein Material, mit dem man ein Leben lang Freude habe.
Foto: Erwin Urbainczyk
Von: Michaela Schwinn