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Schlagwort: mut
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Coming-out im Netz
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Couragierter Schnitt
Modedesignerin Lisa Haas, 25, entwirft ihre T-Shirts nach dem „Zero-Waste“-Prinzip. Sie will keine Ressourcen verschwenden und Stoffreste nicht unnötig wegwerfen.
Das Etikett hängt aus dem orangefarbenen Kragen. Es lugt nicht nur heraus, das Schild fällt bis weit in den Rücken, es ist deutlich sichtbar. „Courage“ steht dort in Großbuchstaben, Mut. „Das Etikett ist im Inneren eines Kleidungsstücks und normalerweise sieht man es nicht“, sagt Modedesignerin Lisa Haas, 25. „Es ist somit etwas Persönliches. Wenn ich etwas trage, in dem ich mich wohlfühle, dann habe ich ein sicheres Auftreten und genau dieses Gefühl möchte ich den Trägern vermitteln, daher auch der Schriftzug ‚Courage‘.“
Mut, der Ausdruck passt auch zur Designerin selbst. Sie entwirft ihre T-Shirts nach dem „Zero-Waste“-Prinzip. Das bedeutet, dass bei einer Produktion möglichst keine Ressourcen verschwendet und unnötig weggeworfen werden dürfen. In der Mode wären es etwa Stoffreste, die übrig bleiben und anschließend entsorgt werden müssen. Die Motivation, Kleidung nach diesem Prinzip zu entwerfen, hat sich während Lisas Modedesignstudiums an der Mediadesign Hochschule München entwickelt, als sie sich näher mit der Stoffverarbeitung und der Herstellung auseinandergesetzt hat. Und diesem Prinzip der Nachhaltigkeit will sie auch jetzt, nach Abschluss des Studiums, treu bleiben – doch damit hat sie es in der Branche schwer.
Lisa sitzt in den Räumen des Künstlerkollektivs „The Stu“, bei der junge Kreativschaffende aus den Bereichen Mode, Kunst, Musik oder Fotografie Räume für ihre Projekte nutzen können. Hier hat sie an ihrer ersten Kollektion gearbeitet. Das Prinzip „Zero Waste“ hat sich in der Mode noch nicht durchgesetzt: „Ich finde es schade, dass so viel Stoff weggeworfen wird. Man könnte aus der Menge weggeworfener Stoffe so viele neue Kleider nähen. Es wird am laufenden Band produziert und die Konzerne werfen Kleidung weg, anstatt sie weiterhin zu verwerten“, sagt Lisa.
Bei ihrer Kollektion entsteht aus einem großen, rechteckigen Stück Stoff ein T-Shirt. Der Stoff wird so geformt und geschnitten, dass kein Verschnitt entsteht. Das bedeutet, dass der gesamte Stoff für ein Kleidungsstück verwendet werden kann. Die Produktion nach diesem Prinzip ist neu und erfordert viel Übung. „Anfangs ist es sehr knifflig herauszufinden, auf welche Weise der Stoff geformt werden muss. Da kann es leider durchaus passieren, dass Verschnitte entstehen.“ Das Material, das sie für ihre Kleidungsstücke verwendet, ist „organic cotton“, ein umweltfreundlicher und ökologisch nachhaltiger Baumwollstoff. Diesen bezieht sie von Stoffherstellern, die sich darauf konzentriert haben, nachhaltige und transparente Mode zu produzieren: „Mir ist es wichtig zu wissen, woher die Klamotten stammen und die einzelnen Produktionsschritte zu kennen. Natürlich ist diese Mode teurer. Aber die Nachhaltigkeit macht es wett und die Kleidung hält länger.“
Doch es müssen nicht nur neue Stoffe sein, mit denen sie arbeitet. Auch die Stoffe von älterer Kleidung können für neue Kleidungsstücke verwertet werden, sagt Lisa. In ihrer Freizeit trägt sie gern lässige Männermode wie die Lederjacke oder die Anzughosen ihres Vaters, die sie dann nur leicht umschneidert. Auffallend sind auch die dicken Kreolen an ihren Ohren, die ihre Mutter in ihrer Jugend getragen hat. Sie wühlt gerne in den alten Kleidungsstücken ihrer Eltern und schaut, was sie davon tragen oder was sie aus den Stoffen machen kann. Ihr ist es wichtig, dass die Kleidung, die sie entwirft, klassisch ist: „Ich möchte Kleidung entwerfen, mit der man sich mit 18 oder 65 Jahren wohlfühlt und die auch bleibt.“ 18 oder 65? Wie soll so eine Kleidung denn aussehen?
„Diese Frage kann man pauschal nicht beantworten“, sagt Lisa. „Jeder entscheidet individuell, was für ihn klassische Mode ausmacht und welche Kleidung man in 20 Jahren noch einmal tragen möchte. Ich verbinde klassische Mode mit Zeitlosigkeit.“ Auch ihre Mode ist klassisch – und doch fällt immer ein Farbtupfer auf. Bei den Shirts ihrer Kollektion ist es der orangefarbene Kragen. Sie selbst trägt häufig bunte Häkelketten – eines ihrer Markenzeichen, die sie auch in ihre Shirts integriert.
Lisa sitzt an ihrem Arbeitsplatz. Konzentriert schaut sie auf einen großen Stoff in roter Farbe. Neben ihr liegen ein Maßband und eine Schere. Sie überlegt sich, an welcher Stelle sie die Schere ansetzen soll, um ihn zu schneiden. Auf dem großen Tisch steht eine graue Nähmaschine und dahinter liegen bunte Stoffe und mehrere Häkelketten in kräftigen Farben wie rot, grün oder gelb. Ein gehäkelter Ring ist mit dem anderen verbunden und bildet eine Kette. „Für einen Ring brauche ich ungefähr 20 bis 30 Minuten. Durchschnittlich stelle ich für eine Kette, je nachdem wie lang sie ist, bis zu 50 Ringe her“, sagt die 25-Jährige, die an diesem Tag selbst eine solche Kette in den Farben Blau und Gelb trägt, ihren Lieblingsfarben. Der bunte Farbmix auf dem Tisch bildet einen starken Kontrast zu dem hellen und minimalistisch eingerichteten Raum. Lisa greift jetzt nach der Schere und schneidet den rechteckigen Stoff quer durch. Der erste Schritt ist getan – es wird so gut wie kein Stoffabfall entstehen.
Mit ihrer Abschluss- und T-Shirt-Kollektion hat sie sich bei Labels beworben, die nachhaltige Mode produzieren und bei denen die einzelnen Produktionsschritte transparent sind – bisher noch ohne Erfolg, denn dieser Markt und somit auch die Stellen sind überschaubar. Im High-Fashion-Bereich hat sich das Prinzip der Nachhaltigkeit noch nicht durchgesetzt. „Damit sich was verändert, muss eine Verlangsamung stattfinden“, sagt etwa Modefotograf Arton Sefa, der seit mehreren Jahren große Designer wie Vivienne Westwood oder Stella McCartney auf Modewochen begleitet. „Sobald eine Kollektion draußen ist, wird sofort die nächste produziert. Es bleibt kaum Zeit für ein Umdenken oder dafür, sich zu überlegen, wie man die Materialien am besten verwerten kann. Der Druck ist enorm.“
Es liegt aber auch an den Menschen, findet Lisa Haas. Für die Zukunft wünscht sie sich, dass sich die Leute mehr Gedanken darüber machen, was sie genau tragen, und dass ihnen bewusst werden sollte, dass sie nicht 20 T-Shirts für fünf Euro oder zehn Paar billige Hosen brauchen. Sie betont dabei auch, dass sie niemandem ein Schönheitsdiktat auferlegen möchte: „Die Leute sollen das tragen, was sie wollen“, sagt sie. Aber eines ist ihr wichtig: „Jedes Kleidungsstück ist etwas Besonderes und das soll auch so bleiben.“
Text: Serafina Ferizaj
Fotos: Robert Haas, Manuel Nieberle
Neustart
Drei junge Menschen krempeln ihr Leben komplett um – kündigen ihren Job, schmeißen die Uni. Warum tun sie das? Und was machen sie, wenn sie jetzt scheitern?
Beauty-Redakteurin ➢ Musikerin
Sie hatte einen festen Job. Einen unbefristeten Vertrag in einer Branche, in der eine Festanstellung zur Seltenheit geworden ist. Und trotzdem spürte sie diese innere Unruhe. Wenn Verena Lederer, 25, davon spricht, beschreibt sie diesen Zustand als „inneren Kampf“.
Vielen dürfte Verena als Musikerin und unter ihrem Künstlernamen Klimt bekannt sein. Erst vor Kurzem veröffentlichte sie ihre neue Platte „Dear Sirens“ bei einem Konzert im Lost-Weekend. „Es waren sogar ein paar meiner ehemaligen Kollegen da“, sagt sie. „Und meine Mutter hat zu mir gesagt, dass sie stolz auf mich ist.“ Dass all das hätte möglich sein können, das hätte Verena vor ein paar Jahren nicht gedacht. Denn bevor sie sich dazu entschied, sich voll und ganz der Musik zu widmen, sah ihr Leben ganz anders aus.
Noch während Verena den Studiengang Ressort-Journalismus in Ansbach belegte, ging sie für ein Praktikum bei einem Frauenmagazin nach München. Dort wurde ihr nach Ende des Praktikums eine befristete Redakteursstelle angeboten: Beauty-Redakteurin. Zu diesem Zeitpunkt war sie gerade Anfang 20. „Ich habe dort wohl einen echt guten Eindruck hinterlassen“, sagt sie. Sie nahm das Angebot an, denn solche Stellen sind hart umkämpft. Sie schloss ihr Studium ab, schriebt ihre Bachelorarbeit, wurde finanziell unabhängig. Als der befristete Vertrag auslief, bekam Verena von ihrem Frauenmagazin das Angebot für einen unbefristeten Vertrag. Und sie unterschrieb. Das war Anfang 2017.
„Ich habe mich natürlich schon darüber gefreut“, sagt sie. Doch mit der Freude kamen auch die Zweifel. „Ich habe mich gefragt: Ist das wirklich das, was du willst?“, sagt sie. Man muss wissen: Verena nutzte schon damals jede Minute in ihrer Freizeit, um Musik zu machen. Ihr Musik-Projekt Klimt gab es schon seit 2015. Sie haderte mit sich selbst „Man muss sich das mal vergegenwärtigen: Ich musste nicht einmal ein Volontariat machen, was normalerweise üblich ist, um dort hinzukommen, wo ich war“, sagt Verena. Sie fühlte sich manchmal auch so, als wäre sie undankbar, weil die Euphorie einfach doch nicht so groß war. „Mir hat etwas gefehlt. Das habe ich sehr lange für mich behalten, bis ich es meinen engsten Freunden erzählt habe.“ Mit „es“ meint Verena eben diesen Wunsch, Musikerin zu werden, mit Klimt durchzustarten, sich nur noch auf die Musik zu konzentrieren. Ihre Freunde hätten sie dazu ermutigt und an sie geglaubt, aber „meine Eltern waren total schockiert von der Idee“, erzählt sie.
Trotzdem entscheidet sie sich für die Musik. „Ende Mai 2017 habe ich gekündigt. Das war die anstrengendste und aufregendste Zeit in meinem Leben“, sagt Verena. Es sei eine regelrechte innere Tortur gewesen. „An einem Tag bin ich aufgewacht und war unglücklich, am nächsten Tag war es wieder okay“, eine Achterbahn der Gefühle also. „Am Ende ging es mir aber mit der Entscheidung wirklich besser. Weil ich es mir so auch selbst zugestanden habe“, sagt sie.
Und jetzt? Sie sei wieder mehr auf die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern angewiesen, denn mit ihrer Musik verdient sie noch nicht genug. „Außerdem habe ich noch ein Netz aus mehreren Nebenjobs“, sagt Verena. Sie hat angefangen, ein zweites Mal zu studieren, diesmal Musikwissenschaften und Philosophie. Und wenn das mit der Musik so gar nicht klappt? „Einen Plan B gibt es nicht. Das ist vielleicht auch das Geheimnis. Ich habe ja eine abgeschlossene Ausbildung, vielleicht komme ich irgendwann wieder in den Journalismus“, sagt sie. Jetzt steht aber erst einmal eine dreiwöchige Tour durch Italien an.
Text: Ornella Cosenza
Student ➢ Globetrotter
Lasse Korbanka, 25, kratzt sich im Nacken. Er macht das sehr oft, vielleicht auch, um sich zu entspannen. Zur Ruhe zu kommen ist gar nicht so einfach. Den November verbrachte er in Berlin, die vergangenen Wochen in Kiel und Hamburg.
Acht Semester lang studierte Lasse an der LMU Kunst und Multimedia im Bachelor. Ohne Abschluss. Jetzt ist er Mitte 20. Sein Ziel ist es, in kurzer Zeit so viel Geld wie möglich zu verdienen, um einen Sprinter zu seinem neuen Zuhause auf vier Rädern umzufunktionieren. Startschuss für den neuen Lebensabschnitt ist Dezember 2018. Bis dahin müssen mindestens 7 000 Euro in die Spardose. Deshalb nimmt Lasse neben Moderationsjobs auch Tätigkeiten als Model und Komparse an.
Die ersten drei Semester liefen beim ihm noch ziemlich gut. Im vierten Semester kam dann der Werkstudentenjob dazu: Grafiker in einer großen Unternehmensberatung. „Die Arbeit hat unglaublich Spaß gemacht, ich habe so viel mehr gelernt als in der Uni.“ In den Semesterferien arbeitete er als Vollzeitkraft. Zurück an der Universität kam ihm alles „ein bisschen unprofessionell und nicht zielorientiert vor“. Aus diesem Grund stellte er das Studium hinten an. Manchmal verbrachte er mehr Zeit bei der Arbeit als ursprünglich vereinbart. Das wirkte sich auf seine Studienleistungen aus. Lasse grinst. „In der Uni hatte ich diesen Drive nicht“, sagt er.
Der entscheidende Moment, das Studium abzubrechen, kam im achten Semester bei der Anmeldung der Abschlussarbeit. Der Druck wurde größer, die Anzahl der bestandenen Prüfungen blieb gleich. Die Anmeldung der Abschlussarbeit boxte Lasse dann noch mit der Mindestanzahl der benötigten Punkte durch. Dann verließ ihn der Kampfgeist. „Ich glaube, wenn ich die Bachelorarbeit durchgezogen hätte, dann hätte ich auch das Studium gemacht.“ Einen Ratschlag von außen holte er sich nicht. Vielmehr hatte er das Gefühl, von anderen nicht verstanden zu werden. Er traf die Entscheidung mit sich selbst und zog einen Schlussstrich. Bis heute bereut er es nicht. Schlaflose Nächte hatte er keine. „Es ist eine extrem große Energieverschwendung, wenn man Sachen bedauert.“
Wer studiert, erwartet nach dem Abschluss bessere Berufsaussichten. Das hat Lasse während seiner Zeit an der Universität beobachtet. Die Realität ist aber eine andere, gerade in kreativen Berufsfeldern. Neugierde und Wissenshunger sind ein Muss. Bei vielen seiner ehemaligen Kommilitonen, die ihr Studium erfolgreich beendet haben, vermisste er genau das. Stehenbleiben darf niemand, das gilt auch für ihn. Der Abbruch des Studiums bedeutet nicht, mit dem Lernen aufzuhören.
Unterstützung für seine Entscheidung, das Studium abzubrechen, bekam er von seinem besten Freund. Das half ihm, optimistisch zu bleiben – und es erleichterte ihm, seiner Familie den Entschluss mitzuteilen. Vor allem seinem Vater. Lasse macht eine kurze Pause. „Es war fast wie eine Beichte“, sagt er. Sein Vater hatte bereits eine Ahnung, er reagierte verständnisvoll und unterstützend. Zukunftsängste hat er keine. Bis jetzt ist er immer über die Runden gekommen, warum sollte sich das ändern?
Das Handy leuchtet auf, möglicherweise ein neues Jobangebot. Schnell tippt Lasse eine Nachricht. Mit dem Abbruch des Studiums musste er auch seine Werkstudententätigkeit beenden. Deshalb die vielen Jobs. Sein Ziel lässt er nicht aus den Augen. „So weit fahren, wie der Sprinter durchhält.“ Unterwegs möchte er sein Leben mithilfe von Film und Fotografie finanzieren, das geht von überall – und dafür braucht er auch kein abgeschlossenes Studium. Welchen Job er nächste Woche hat? Wo er sich im nächsten Monat aufhalten wird? Er weiß es noch nicht, es ist ihm auch egal. Dennoch ist er sich seiner Selbst sicherer denn je.
Text: Eser Aktay
Student ➢ DJ
Am Ende blieb nur noch der Weg zum Arzt. Ein Jahr lang hat Kiawash Sallehsari, 22, mit sich gehadert, hat mit Freunden diskutiert, hat sich immer wieder überlegt, was er denn nun tun soll. Er spürte eine innere Unruhe, war antriebslos, kam Tag für Tag nur schwer aus dem Bett. Er quälte sich in die Vorlesungen. Die Zweifel wuchsen, ob Ingenieurwissenschaft das richtige Studium für ihn sei. „Einerseits bin ich von Naturwissenschaften und Technik weiterhin begeistert, ansonsten hätte ich nicht mehrere Semester lang studiert und die Prüfungen geschrieben“, sagt er. „Ich habe aber gemerkt, dass ich nicht mehr aus Überzeugung studiert habe. Es hat sich nicht richtig angefühlt, so viel Energie darin zu investieren, obwohl ich wusste, dass mir das Studium finanzielle Sicherheit und Erfolg bringen würde. Wenn ich in der Bibliothek war oder im Vorlesungssaal mir die Folien der Dozenten angesehen habe, haben mir der Antrieb und die Motivation gefehlt. “
Aber warum? Kiawash ließ sich untersuchen, doch körperlich war mit ihm alles in Ordnung: „Die Ärztin meinte, dass diese Antriebslosigkeit eher daher kommt, dass mich etwas beschäftigt und ich gestresst bin“, sagt er. Kiawash ist sich sicher, dass es an dem inneren Widerspruch lag zwischen dem, was von ihm erwartet wurde und dem, was er eigentlich machen wollte. Denn während des Studiums ist er auf elektronische Musik aufmerksam geworden – nicht als Clubbesucher, sondern als Musikproduzent.
Die Möglichkeit, mit minimalistischer Musik den eigenen Sound zu kreieren, sagte ihm sehr zu, vor allem Genres zu kombinieren, die an sich gegensätzlich sind, gefiel ihm: Heute spielt er einen Mix aus House und Down Temple mit Einflüssen von Rock-Elementen, orientalischer Musik und Sounds der Achtzigerjahre. Aber das Musikgeschäft ist schwierig, Aussicht auf Erfolg gering. Deswegen eine Karriere aufs Spiel setzen? Er hat oft mit guten Freunden über seine Situation gesprochen, alle haben ihn von der Entscheidung abgeraten, das Studium zu schmeißen. Er beschreibt es als ein Gefühl von „me against the world“ – er stellte sich gegen den Rat seiner Freunde.
Mittlerweile ist er sich sicher, damit das Richtige getan zu haben. Es gab Momente, in denen er sich gefragt hat, ob die Entscheidung nicht doch noch die falsche war: Nicht nur, weil er nun nachts viel unterwegs ist, wenn er auflegt. Sondern weil es auch schwierig ist, in der Musikszene anzukommen. Anfangs hat er auf Studentenpartys aufgelegt. Inzwischen ist er regelmäßig im Kunstblock Balve zu hören, einer Plattform in Laim für kulturellen und sozialen Austausch. Er hatte auch schon Gastauftritte im Harry Klein und in der Minna Thiel. Geld verdient er mit seiner Musik noch nicht, aber das ist ihm egal.
Um sich seinen Musikertraum finanzieren zu können, arbeitet er in einem Café. „Ich werde so lang nebenbei arbeiten wie notwendig, damit ich meinen Lebensunterhalt bestreiten kann, aber ich werde keinesfalls die Musik aufgeben, nur um mehr Geld verdienen zu können.“ Und wenn sein Traum nicht wahr wird? Kiawash hat keinen Plan B. „Wenn ich viel Zeit und Herzblut darin investiere, um diesen Traum wahr zu machen, dann wird es auch funktionieren“, sagt er. „Wenn es nicht funktioniert, dann heißt es, dass ich nicht genug dafür getan habe.“
Text: Serafina Ferizaj
Fotos: Sophie Wanninger, Stephan Rumpf
250 Zeichen Demokratie: Heute mit Annemarie Eckardt
Am 24. September ist Bundestagswahl. Wir haben politisch engagierte
junge Erwachsene gefragt, warum es gerade für junge Menschen so wichtig
ist, wählen zu gehen. Heute mit Annemarie Eckardt.
„Wir haben eine
Verantwortung gegenüber der Demokratie. Es ist ein Privileg wählen zu dürfen –
nutzen wir es. Das erfordert Mut, aber „Herrschaft des Volkes“ funktioniert
nur, wenn wir die Verantwortung wahrnehmen. Ich entscheide gerne selbst über
meine Zukunft, deshalb gehe ich wählen“.
– Annemarie Eckardt, Sprecherin des
Filmprojektes „Mut zum Kreuz – Ergreif Partei“
Foto: Mut zum Kreuz
Mein München – Dachauer Straße
Mut ist ein wichtiger Begleiter im Leben, auch für Yunus Hutterer. Der 18-Jährige fotografiert leidenschaftlich gerne und hat sich entschieden Foto und Design zu seinem Beruf zu machen. In großen roten Lettern ist der Mut auf seiner Fotografie von der Dachauerstraße zu sehen, wo Stillstand und Bewegeung aufeinander treffen.
Mut ist ein großes Wort. Man braucht Mut, um Dinge zu tun, die vielleicht nicht dem einfachsten Weg entsprechen. Dinge und Wege, die abseits von Gleisen liegen. Mut ist ein großes Wort, das oft im Kleinen liegt.
Auf dem Pathos-Gelände an der Dachauer Straße ist Mut auch ziemlich groß. An der Außenwand eines Gebäudekomplexes leuchtet er den nächtlichen Passanten entgegen.
Künstler können hier arbeiten, ausstellen, ihre Träume verwirklichen und den Mut haben, andere daran teilhaben zu lassen.
Für Yunus Hutterer, 18, ist es ungewöhnlich, ein Foto wie dieses zu machen, bei dem so viel „Ruhe und so viel Unruhe“ zugleich abgebildet ist. Ein Freund von ihm läuft durch das Bild und gleichzeitig sind die Lichter der Straßenbahnlinie und der Autos und vor allem das rote Leuchten des Mutes so fest und so eingefroren.
„Das ist vielleicht ein Bild, das nicht so typisch ist. Generell und auch nicht für mich“, sagt Yunus. Aber genau das habe ihn gereizt. Auch einfach mal etwas anderes zu machen.
Mut ist es vielleicht auch, sich als 18-Jähriger dafür zu entscheiden, „in die Foto- oder Design-Richtung“ zu gehen, ohne zu wissen, ob man davon irgendwann einmal die Miete zahlen wird können. Mut braucht man. Nicht nur kurz vor dem Jahreswechsel, wenn man sich für gute Vorsätze entscheiden muss, sondern das ganze Jahr über. Aber
man kann ja am Anfang mal damit
beginnen, ein bisschen mehr Mut zu haben.
Von Theresa Parstorfer