Band der Woche: VKKO

Wie kann man heute noch revolutionäre Musik machen? Das Verworner-Krause-Kammerorchester kommt schon nahe dran – denn sie spielen Techno. Dass diese Kombination gar nicht so abwegig ist, zeigt die Stimmigkeit ihrer Kompositionen.

Zuletzt war das mit der Ausbildung der verschiedenen Kunsthochschulen in Deutschland ein bisschen kompliziert. Während in München etwa der Akademie der Bildenden Künste in überraschender Regelmäßigkeit mit Lisiena oder Nalan mit die avanciertesten Pop-Acts der Stadt entsprangen, sonderten die Jazz-Klassen der Musikhochschule plötzlich Mainstream-Pop-Bands ab, etwa Moop Mama oder den studierten Jazz-Bassisten Martin Brugger, der als Occupanther feine elektronische Musik veröffentlicht, die durchaus ein breiteres Publikum erreichen dürfte. Eine Hochschule für Popmusik gibt es in München nicht, diesbezüglich fehlt also der Vergleichswert. Aber die Kompositionsklassen der Musikhochschule blieben sich bisher dabei ihrer eigentlichen Fachrichtung als einzige ziemlich treu: Die dort Studierenden komponieren neue klassische Musik, die sie in Noten aufschreiben und die dann von anderen, die ihr Instrument studiert haben, gespielt werden. So ist das auch beim Verworner-Krause-Kammerorchester, kurz VKKO. Die beiden Musiker Claas Krause und Christopher Verworner studieren Komposition in München, schreiben ihre Stücke in Partituren und dirigieren ein Ensemble, das diese Stücke dann spielt.

Als zuletzt gut 2000 Menschen, die für gewöhnlich ein Konzert der Münchner Philharmoniker besuchen, im Gasteig ankamen, schallte ihnen brechend lauter Techno entgegen. Doch auf der Bühne stand weder ein Computer, noch ein Mischpult – sondern eine ganze Menge Blechbläser, und ein wild aussehender, junger Dirigent trieb sie an, zu hochenergetischem und trotzdem harmonisch sehr trockenem Sound. Das Klassik-Publikum blieb stehen, denn irgendwie funktionierte diese Band nach den Codes der Klassik (Notenständer, akustische Instrumente, ein Dirigent). Das VKKO, das hier eine straßenmusikalische Intervention der Hochkultur vollzog, klang nur völlig anders: jung, frisch und neu. Eigentlich so, wie man das von Neuer Musik heutzutage erwarten könnte. „Wir lieben die Neue Musik mit ihrer klassischen Tradition“, sagen die Komponisten Claas und Christopher, aber sie würden eben auch Radiohead, den Berghain-Techno-Sound und britische Bass-Musik lieben. Also schreiben sie für das VKKO Musik, die sie selbst gerne hören und die es bisher so noch nicht gibt.

Bei solchen Mash-up-Geschichten besteht natürlich auch immer die Gefahr, beliebig zu werden. Und die Musik des VKKO begibt sich ständig in diese Grenzgebiete. Da wird plötzlich in bester Portishead-Manier gesungen, während ein Streichquartett darunter fast nach einem James-Bond-Soundtrack klingt, nur um dann wieder von Brass-Sätzen zerrissen zu werden. Doch Claas und Christopher schreiben seit 2014 für das VKKO, man hört den Songs an, dass da mittlerweile eine Routine in der Mischung der verschiedenen Stilistiken vorhanden ist, die die Musik fließend, natürlich und nicht zerhackt oder zu gewollt klingen lässt. „In der jetzigen Generation gibt es kaum Komponisten, die nicht auch Popmusik lieben“, sagt Claas, wenn man ihn auf den Gegensatz von neuer klassischer Musik und Popmusik anspricht. Außerdem sehe er ebenfalls den Einfluss der Avantgarde auf die Popkultur. Es gilt also, die Schubladen zu verlassen und aus den Möglichkeiten der Musik, die es heutzutage gibt, „gute, relevante Kunst zu machen“, sagt Claas. Die Vehemenz, die der Musik vom VKKO dabei inne liegt, die ist sowohl in der Popmusik als auch in der Neuen Musik ungewöhnlich und ausgesprochen mitreißend. Sie mögen die „raue Kraft“ der Technoshows und Rockbands und würden auch bei einem Konzert in der Philharmonie die „Notenständer zerschreddern“. Dass das passiert, darauf kann man sich nur freuen. 

Stil: Neue Musik /Pop
Besetzung: Claas Krause (Live-Elektronik, Gitarre, Dirigat), Christopher Verworner (Dirigat, Zündschnur, DSI Mopho) – dazu ein Orchester
Aus: München
Seit: 2014
Internet: www.kammerorchester.eu

Text: Rita Argauer

Foto: VKKO

Neuland: Benefizkonzert

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Mit Musik Gutes tun, dass ist die Idee hinter dem Benefizkonzert, das Sonja Lachenmayr, Anna Sicklinger und Max-Joseph Niederfeilner für den 20. und 24.März mit 100 Studenten der Musikhochschule München organisieren. Oberbürgermeister Dieter Reiter hat die Schirmherrschaft für beide Konzerte übernommen.

Praktische Projekte sind nicht im Lehrplan des Studiengangs Chorleitung an der Musikhochschule München vorgesehen. Sonja Lachenmayr und Anna Sicklinger, beide 23, haben trotzdem schon gemeinsame Chor-Abende ins Leben gerufen. Im August 2015 begann die Planung eines weiteren Projekts. Zur Unterstützung holten sie den Musik-Lehramtsstudent Max-Joseph Niederfeilner, 26, mit ins Team. Das Konzept wurde immer konkreter, gleichzeitig stieg aber auch die Zahl der Flüchtlinge – und die drei sahen sich außerstande, ein „x-beliebiges Konzert“ zu veranstalten, ohne Bezug zur Flüchtlingsthematik. Die Idee Benefizkonzert war geboren. Die ausgewählten Stücke stammen größtenteils von dem französischen Komponisten Gabriel Fauré. Um den Bezug zur Gegenwart herzustellen, fragten sie aber auch den Kompositionsstudenten Leonhard Auenhammer. Er schrieb das Stück „Weh dem, der keine Heimat hat“. Obwohl die zwei Aufführungen (20. und 24. März, jeweils um 20 Uhr) in den Semesterferien stattfinden, fand das Trio über 100 mitwirkende Studenten. Der komplette Ertrag aus dem Konzert wird an den gemeinnützigen Verein Orienthelfer gespendet. 

Sonntag, 20.3.2016, 20.00 Uhr
Sankt Margaret, Margaretenplatz 5c, 81373 München

Donnerstag, 24.3.2016, 20.00 Uhr
Großer Konzertsaal der Hochschule für Musik und Theater München
Arcisstraße 12, 80333 München

Von: Jacqueline Lang

Foto und Video: Hochschule für Musik und Theater