Vorliebe fürs Stöckchenspiel

Hundewelpen sind ja so süß. Und Anne liebt ihren Mopswelpen Oskar. Bis er anfing, zu Hause das Zölibat einzuführen.

Die Natur ist ein geschicktes Biest. Kleine Hundewelpen beispielsweise sind so niedlich, dass man ihnen einfach nicht die Gurgel umdrehen kann – seien sie auch noch so rotzfrech. Während Thomas und ich am Küchentisch sitzen und frühstücken, schaut Anne wehleidig auf ihren fünf Monate alten Mopshund Oskar, der neben ihr auf dem Sofa liegt und leise schnarcht. Kein Wunder, dass er müde ist: Die vergangene halbe Stunde hat er in Annes Wohnung alles zerlegt, was ihm zwischen die Zähne gekommen ist. „Wenn er schläft, ist er echt brav“, sagt Anne und krault ihn liebevoll zwischen den Ohren. Oskar furzt. Anne seufzt. In den vergangenen zwei Wochen hätte sie ihn so manches Mal gerne aus dem Fenster geworfen. Anne wohnt im vierten Stock.
 Ganz normal, sagt Thomas. Thomas ist Annes Nachbar und selbst mit einem kleinen Hund aufgewachsen. Dass die ersten Wochen und Monate mit einem neuen Vierbeiner größeren Psychoterror bedeuten können als die Seitenbacher-Werbung im Radio, weiß er aus Erfahrung. Oskar furzt schon wieder. Anne seufzt noch einmal. Im Grunde stört sie der Welpenwahnsinn auch gar nicht so extrem. Nur eine Sache macht ihr tatsächlich zu schaffen, und das ist Basti, ihr Freund. Genauer gesagt ist es der Sex mit Basti, der sich problematisch gestaltet. Seit nämlich der kleine Oskar bei Anne eingezogen ist, hat sich der so gut wie erledigt. Sagen wir es so: Oskar hat eine Vorliebe fürs Stöckchenspiel. Und dass an Bastis Stöckchen nun mal ausschließlich Anne ran darf, ist ihm schwer begreiflich zu machen. Aus Sorge um sein Holz traut Basti sich inzwischen nicht mal mehr, die Hose auszuziehen: textilverstärktes Zölibat.
 Wir müssen lachen. Thomas erzählt von der Katze seiner Exfreundin Jana, die ähnlich keuschheitsverstärkend unterwegs war. Zwar habe die kein übermäßiges Interesse an den gemeinsamen Bettspielen gezeigt, dafür aber jedes Mal einen vorwurfsvollen Haufen in den Hausflur gesetzt, wenn sich Jana damals mit Thomas länger als fünf Minuten ins Schlafzimmer zurückzog. Die Sache ging so weit, dass Thomas einmal eine Stoppuhr neben das Bett stellte, um ja rechtzeitig mit allem fertig zu sein, bevor die Katze wieder ein Geschäft abwickeln würde. Nach zwei Minuten kehrten Jana und er zur Katze zurück. Die schnurrte, leckte sich die Pfote und rollte sich zu ihren Füßen zusammen. Thomas nahm sie auf den Schoß und kraulte sie zwischen den Ohren. Die Natur ist wirklich ein geschicktes Biest.

Lisi Wasmer

Nelson Heinemann – alter Schlachthof

Der Mops und die Anarchie – Nelson Heinemann versucht mit seiner Kunst, das Alltägliche in einen ästhetischen Kontext zu setzen.

Breitbeinig posiert Hündin Boo Boo. Hinter ihr ein „Anarchie“-Graffito – Wandbilder, wie es sie gelegentlich an den Mauern des alten Schlachthofs zu entdecken gibt. Beim Spazieren ist der Schnappschuss entstanden. „Da musste nichts inszeniert werden.“ Die Hündin signalisiere „pure Anarchie“, sagt Nelson Heinemann, 26. Der Kunst- und Medieninformatikstudent ist dem industriellen Charakter des Viertels verfallen. „Ich mag den alten Charme“, sagt der Student. Das Alltägliche in einen ästhetischen Kontext zu setzen, gefällt ihm. Menschen interessieren ihn beim Fotografieren weniger.

Seit Kindertagen zeichnet und malt Nelson. Später kam die Fotografie hinzu. In den vergangenen Jahren hat er angefangen, beide Elemente miteinander zu verknüpfen. Zurzeit ist sein eigentliches Medium vorrangig die Malerei. Hinzu kommt 3D-Modeling und Fotomontage. Davon wird es im kommenden Jahr mehr zu sehen geben. Natalie Mayroth

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