Ein musikalisches Karussell

Beim Konzertabend „Freundschaftsbänd“ covern neun Bands gegenseitig ihre Songs. Heraus kommen nicht nur Gegröle und Gelächter, sondern Lieder mit überraschend neuem Sound und unerwarteten Melodien.

Gelächter und Gegröle im Publikum. Gerade stimmt Chuck Winter in perfektem Deutsch das Cover des Songs „Mary Jane“ an. Es lachen die Urheber des Werkes, die Reggae-Band Kraut und Ruhm. Denn das Original des Songtextes ist auf Bairisch verfasst. Und als Chuck Winter nach ein paar Zeilen doch noch in den Dialekt wechselt, kann es die Band kaum fassen und singt lautstark aus dem Publikum mit. Denn Chuck, halb Amerikaner und halb Münchner, hat nie Bairisch gelernt und sich den Dialekt nur durch das Hören des Songs angeeignet.

Es sind Momente wie diese, die den Konzertabend „Freundschaftsbänd“ im Cord Club zu etwas Besonderem machen. Bereits zum dritten Mal covern sich am Samstag auf der von der „SZ Junge Leute“ und dem Münchner Label Flowerstreet Records veranstalteten Festival neun Bands gegenseitig. Das Prinzip dabei gleicht einem musikalischen Karussell: Eine Band legt einen eigenen Song vor, der von der nächsten Gruppe oder auch solo völlig neu interpretiert wird. Danach geben diese Musiker wiederum ein eigenes Werk zum Covern frei.

„Viel mehr Farbe bekommt man an einem Abend nicht“, stellt Amadeus Böhm, Gründer von Flowerstreet Records, fest. Denn das Lineup der dritten Ausgabe glänzt stärker denn je mit musikalischer Diversität. Von Reggae auf Bairisch über Indie-Rock und Electro-Pop bis hin zu Grunge, von der Solokünstlerin zur sechsköpfigen Band, von der zart gezupften Gitarre bis zur Drummachine ist jede Nuance dabei.

So ist das Publikum wenig überrascht, als Katrin Sofie F. und der Däne direkt im Anschluss Chuck Winters Nummer „Hipbones“ einmal um 180 Grad drehen. Die Harmonien werden durch eine markante Bassline ersetzt, die Melodie weicht gesprochenem Text. Hätte man den Song nicht fünf Minuten davor im Original gehört, wäre er wohl problemlos als Kreation des Spoken Beat-Duos durchgegangen.

„Ich habe kein Wort verstanden, trotzdem mochte ich den am liebsten“, sagt Zuhörer Dustin Hayes aus Kansas, der gerade in München Urlaub macht und rein zufällig auf die Veranstaltung gestoßen ist. Er meint damit Katrin Sofie F.s Song „Rabota Rabota“, mit dem sie der covernden Band eine ganz besondere Herausforderung stellt. Denn der Song besitzt weder Melodie noch Harmonie. Eine Kleinigkeit jedoch für Heroine Twin, die – als wäre es keine große Sache – mal eben ein paar rockige Riffs auf den Text komponieren und ihn damit in eine Neunzigerjahre-Grunge-Nummer verwandeln. Katrin Sofie F. ist begeistert: „Es ist schön, den Song mal mit Melodie zu hören.“

Doch auch andere Bands stehen vor großen Herausforderungen. Sei es Singer-Songwriterin Melli Zech, die als jüngste Künstlerin des Abends das Arrangement von King Pigeons „Blood Seas“ von kompletter Bandbesetzung auf eine einzige Gitarre herunterbrechen muss, oder das Duo Willing Selves, das direkt im Anschluss auf Melli Zechs „Hold On“ einen elektronischen Beat produzieren und die Melodie teils gesungen, teils gerappt vortragen. Als es ans Covern der Electro-Pop-Nummer „Carousel“ von Chaem geht, wird auch ein musikalischer Routinier wie Zlatko Pasalic, Sänger der Stray Colors, schon mal nervös. Doch vom technischen Anspruch des Songs ist nichts zu hören, das Balkanpop-Duo spielt ihn souverän locker, genau wie ihr eigenes Programm. Für Martina Haider alias Chaem selbst geht damit ein Wunsch in Erfüllung: „Ich hab mir überlegt, wer mich covern sollte, und da fielen mir die Stray Colors als erstes ein.“

Auch diese sind mehr als zufrieden mit der Coverversion ihres Songs „Fall Too Much“. Direkt zu Beginn des Abends haben King Pigeon „eine astreine Indie-Nummer draus gemacht. Wenn das damals so im Atomic Café gelaufen wäre, wäre ich voll abgegangen“, schwärmt Sänger Zlatko.

Als am Ende des Konzertes Katrin Sofie F. Heroine Twin zur gelungenen Interpretation des Covers gratuliert, Veranstalter Amadeus Böhm die Stray Colors spontan an der Percussion unterstützt und der Gitarrist aus Chuck Winters Band von Kraut und Ruhm Schulterklopfer für die gelungene Performance bekommt, wird auch der Titel des Abends klar: „Freundschaftsbänd – ein Abend der Bändfreundschaften“.

Text: Maximilian Mumme

Fotos: Johannes Simon

Neuland: Freundschaftsbänd

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Alle Bands und Künstler haben eins gemeinsam: Sie sind aus München. Doch sie unterscheiden sich: in ihrem Stil. Was ist, wenn man nun die Songs untereinander mischt? Genau, es entsteht ein ganz neuer Song. Das gibt es nur beim Konzertabend Freundschaftsbänd.

Weihnachten ist die Zeit des Schenkens. Schon gut eine Woche vor Heiligabend jedoch machen sich neun Bands ein ganz besonderes Geschenk: Am Samstag, 16. Dezember, covern sie sich gegenseitig bei der bereits dritten Ausgabe des Konzertabends „Freundschaftsbänd“, der von der Junge-Leute-Seite der SZ zusammen mit dem Münchner Label Flowerstreet Records veranstaltet wird.

Das Line-up, bestehend aus den Münchner Bands und Künstlern Chuck Winter, Stray Colors, Willing Selves, Kraut & Ruhm, Melli Zech, Chaem, Katrin Sofie F. und der Däne, Heroine Twin und King Pigeon, glänzt stärker denn je mit Diversität. So darf sich das Publikum sicherlich auf den ein oder anderen Stilwandel freuen – von Balkan-Sound über Indie-Rock, Electro-Pop und Grunge bis hin zu bayerischem Reggae.

Freundschaftsbänd, Samstag, 16. Dezember, Cord Club, Sonnenstraße 18, Beginn 20 Uhr, Eintritt 7 Euro.

Text und Grafik: Max Mumme

Band der Woche: Melli Zech

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Melli Zech macht ihre Musik ganz der Nase nach: sie singt und spielt was ihr gerade so einfällt und richtet sich nicht nach bestimmten musikalischen Idealen. Das macht ihre Musik umso schöner.

Idealismus wird im Popgeschäft oft belächelt. Schlicht, weil derjenige, der sich ernsthaft mit seiner Musik für etwas einsetzt, eben bisweilen nicht sonderlich cool rüberkommt. Die Coolen, das sind die Abgebrühten, die sich nicht aus der Gelassenheit bringen lassen. Und cool ist nun einmal spätestens seit den Siebzigerjahren zum doch recht präsenten Diktum der Popwelt geworden. Natürlich gibt es Ausreißer wie die Wut der Punks oder die oft beißende Sozialkritik mancher Hip-Hop-Acts. Doch das bisweilen etwas naive Hoffen und gleichzeitige Pochen auf eine bessere Welt, das die Hippies in den Sechzigerjahren noch voller Überzeugung aufs Tableau gebracht haben, das ist dahin.

Vielleicht überrascht auch deshalb die Attitüde von Melli Zech (Foto: Tobias Windfeldt-Schmid). Die erst 17-jährige Münchner Songwriterin wirkt auf den ersten Blick naiv. Sie liebe die Musik, wie sie nicht müde wird, zu betonen. „Für mich ist Musik alles. Mein ganzes Leben dreht sich um sie.“ So einfach drückt sie das aus. Und so einfach geht sie auch an ihre Musik heran. Mit sechs Jahren bekam sie ihre erste Gitarre geschenkt, seitdem hat sie Unterricht. Später brachte sie sich noch selbst das Klavierspielen bei und probierte sich an anderen Instrumenten. Doch vor allem begann sie, Songs zu schreiben. Und auch hier ist eine gewisse Unbefangenheit spürbar: Melli macht nicht Musik, weil sie sich irgendeinen Stil von einem bekannten Künstler abgeschaut hätte, sie schreibt Songs, die ihr gerade so einfallen. Wild ist natürlich die Mischung bisweilen. Etwa, wenn das mit ruhiger und belegter Sprechstimme vorgetragene „Addiction“ von dem im hüpfenden Reggae-Off-Beat gehaltenen „Memories“ abgelöst wird. „Was ist ein eigener Sound eigentlich?“, fragt Melli hingegen, denn irgendwie sei doch alles schon einmal da gewesen. Deshalb gar nicht weiter über so etwas nachdenken, sondern eben einfach Songs schreiben, die stimmig sind, überzeugend.

Doch ganz so leichtfüßig, wie diese Herangehensweise ist, ist Mellis Weg zur Musik dann doch nicht vonstatten gegangen. Als Kind habe sie eine ernste Blut-Erkrankung gehabt, die sie glücklicherweise besiegen konnte. Allerdings mit dem Ergebnis, dass sie in der ersten Klasse fast taub gewesen sei. Eine Operation half, aber auch der Tipp eines Lehrers ihrer Sprachförderschule, dass Melli doch ein Instrument lernen sollte, um über die Musik das normale Hören und vor allem auch Lesen und Schreiben zu lernen. Eine dementsprechend enge Bindung hat Melli zu ihrer ersten Gitarre aufgebaut. Dass Musik also ein Teil ihres Lebens bleiben sollte, war klar. Sie absolvierte eine Tontechnik-Ausbildung und schloss ein paar weitere Kurse über Popmusik an. Später möchte sie jedoch eine Ausbildung zur Sozialpädagogin machen, um Kindern Musik nahezubringen und ihnen zu helfen. Das ist idealistisch und im bisweilen oberflächlichen Pop-Geschäft auch richtig mutig. 

Stil: Songwriter / Pop
Besetzung: Melli Zech (Gitarre, Gesang)
Aus: München
Seit: 2015
Internet: www.soundcloud.com/melli-zech

Text: Rita Argauer

Foto: Tobias Windfeldt-Schmid