Auf Einladung der Junge-Leute-Seite spielen Matthew Austin & Matilda ein WG-Konzert in der Studentenstadt, bei dem nicht nur der Ausblick begeistert.
Stille. Am Ende des Abends dauert sie einige Augenblicke länger als sonst bei Konzerten. Als wollte das Publikum die letzten sanften Töne der vergangenen Stunde noch ein bisschen länger festhalten, bevor sie sich endgültig verflüchtigen und der Auftritt vorbei ist. Der Stimme von Mat Austin, 27, dem Cello von Matilda, 18, noch ein bisschen länger zuhören. Und dann brandet Applaus auf.
Noch früh am Abend herrscht Betriebsamkeit im 18. Stock der Studentenstadt München. Boxen und Verstärker werden aufgebaut, Couch-Elemente im Gang
verteilt, die Lampen abgeklebt. Hier wohnt Maximilian Mumme, 22. Er hat bei der Verlosung der Junge-Leute-Seite der Süddeutschen Zeitung ein Konzert von Mat Austin und Matilda gewonnen. Max spielt selbst in einer Band und kennt sich mit der notwendigen Technik aus. Er will, „dass an dem Abend alles perfekt funktioniert“.
Es ist durchaus ein ungewöhnliches WG-Konzert, schließlich wohnen in dieser „WG“ 32 Leute. Doch das typische Gefühl lässt sich trotzdem beobachten, etwa als zwei Bewohner für das ganze Stockwerk Abendessen zubereiten – wozu natürlich auch die Band eingeladen wird. Entsprechend angetan sind die beiden Musiker dann auch von der Location und der Atmosphäre, fasziniert betrachten sie den Siebzigerjahre-Charme des Betonbaus, in dem zahllose Studentengenerationen Bilder und Illustrationen auf den Wänden hinterlassen haben. Auch der Ausblick begeistert Musiker wie Gäste.
Mat und Matilda musizieren erst seit etwas mehr als einem Jahr gemeinsam, er spielt die Gitarre und singt, sie begleitet ihn mit Cello oder Bass. Zusammengefunden haben sie eher durch Zufall, bei einem Bandwettbewerb ergab es sich, dass sie zusammen antraten – und sie gewannen prompt. Seitdem spielen sie gemeinsam einen ruhigen, aufs Wesentliche beschränkten Folk, was in Verbindung mit dem Auftreten der beiden sympathisch aus der Zeit gefallen wirkt.
Der 18. Stock hat sich mittlerweile gut gefüllt, die Sitzplätze auf den Couches sind vergeben, auch die umfunktionierten Biertische sind bis auf den letzten Platz besetzt. Wirklich nervös wirken die beiden Musiker nicht, aber: „Ich bin gespannt, wie unsere Musik hier ankommt und wie sie zur Atmosphäre passt“, sagt Matilda. Und auch das Publikum ist gespannt, schon beim Soundcheck sind die 50 anwesenden Leute mucksmäuschenstill, das erste Mal Gelächter, als Gastgeber Max dann informiert: „Leute, das ist nur der Soundcheck, ihr könnt weiterreden.“
Doch auch Mat weiß, wie er die Leute bei Laune hält. Beim ersten Song sagt er lässig ins Mikrofon und grinst: „Das Lied ist über die amerikanische Politik.“ In dem Stil gehen seine Ansagen weiter. Mit trockenem englischem Humor trifft er den Nerv des Publikums, das sich an seinen etwas vernuschelt-knurrigen Einwürfen sichtlich erfreut. Durch Zufall sitzt er direkt unter einem Wandtattoo der Tower Bridge, Mat ist aus Manchester und erst seit wenigen Jahren in München. Deshalb entschuldigt er sich auch wiederholt für sein Deutsch oder erheitert die anwesenden Studenten mit ein paar Takten aus „Hurra, die Welt geht unter“ der Berliner Rap-Combo K.I.Z.
Aber das Konzert wie auch die Band leben von der Chemie zwischen Mat und Matilda. Wenn sie spielen, sehen sie sich meistens gegenseitig an und geben dem Publikum das Gefühl, Teil eines sehr intimen Auftritts zu sein. Sie vermitteln dabei einen ähnlichen Eindruck wie Alison Mosshart und Jamie Hince von The Kills, bei denen es auch immer so aussieht, als würden sie nur für sich spielen. „Wir spielen nicht nur für das Publikum, sondern mit dem Publikum“, beschreibt Matilda die Stimmung, die sie erzeugen wollen.
An diesem Abend, den Max als „eines der größten Events, die je bei uns stattgefunden haben“ angekündigt hat, funktioniert das sehr gut. Das Publikum hängt Mat an den Lippen, folgt jeder Bewegung von Matildas Bogen. Viele, die das noch sehr junge Duo nicht kannten, sind begeistert, sagen Dinge wie: „Die sind ja richtig gut“ oder gar: „Das war das perfekte Konzert für mich.“ Und auch, dass die Aufzüge immer wieder aufgehen und verdutzte Leute ihren Kopf in den Gang stecken, schadet der Stimmung nicht. Auf dem Stockwerk sind die einzigen Trockner im Haus, aber es geht dann doch keiner mit seiner nassen Wäsche quer durch das Konzert.
So ungewöhnlich die Location ist, so trägt sie doch viel zum Charme des Abends bei. Deshalb schlägt Mat auch vor, man sollte das regelmäßig machen, etwa einen YouTube-Kanal mit „18th floor sessions“ starten. Und dann ist sie auch schon da, die Stille am Ende. Der Applaus. Und die lautstarken Rufe nach einer Zugabe. Aber Mat grinst nur, er kennt sein studentisches Publikum: „Ich freue mich auf den nächsten Auftritt. Jetzt spielt Bierpong!”
Von: Philipp Kreiter
Fotos: Moritz Ossenberg-Engels
Weitere Einblicke gibt es in der Bildergalerie auf der Facebook-Seite der Jungen Leute.