Das Münchner Quartett Vorteilspack spielt auf ihrem zweiten Album „Dreamconstruct“ sphärisch verwunschene Popmusik. Akustik-Gitarre, Klarinette und Schlagzeug, unterlegt mit Bass und Synthesizer – fantasievoll und überraschend!
Der Bezug zur südosteuropäischen Volksmusik gab Blasinstrumenten in der Popmusik einen neuen Sinn. Zuvor tauchten diese – abseits von Funk- und Soul-Produktionen – fast nur noch im Ska auf. Als hektisch hüpfende und vorlaute Instrumentalstimmen, die Ende der Neunzigerjahre eine seltsame Liaison mit verzerrten Punk-Gitarren eingingen. Abseits dessen waren die Blasinstrumente dank des Musikantenstadls fest im Alpin-Kitsch gefangen. Doch irgendwann nach der Jahrtausendwende entdeckten westeuropäische Musiker die treibenden Wechselbässe der Volksmusik – jedoch eher in Moll statt im obligaten C-Dur gespielt. Die Inspiration kam vom Balkan und von Filmen wie „Schwarze Katze, weißer Kater“. Der Erfolg dieser Gruppen, deren bekannteste Vertreter La Brass Banda wurden, machte aus den neuen Klängen eine neue Bewegung der Popmusik, schließlich durfte dann auch die bayerische Volksmusik wieder ein Einfluss sein, was zu so skurrilen und eigenen Gruppen wie Kofelgschroa führte. Und mittlerweile hängen Blasinstrumente so fest in diesen musikalischen Assoziationen, dass die junge Münchner Band Vorteilspack noch einmal richtig überraschen kann.
Das Quartett, das ursprünglich aus dem westlichen Münchner Umland stammt, könnte laut Besetzung genau eine dieser Neo-Volksmusik-Gruppen sein. Doch die Musiker nutzen ihre Instrumente (Akustik-Gitarre, Klarinette und Schlagzeug) anders: Sphärisch verwunschene Popmusik spielen sie auf ihrem zweiten Album „Dreamconstruct“, das sie im vergangenen Sommer veröffenlichten. Lang gezogene Songs, in denen man Einflüsse von Portishead über Bon Iver bis The Notwist hört, und die weit entfernt sind von der verschrobenen Umpfta-Romantik manch einer der Bayern-Beat-Bands.
Damit jedoch dieser zurückgenommene, atmende Klang mit einer derartigen Besetzung gespielt werden kann, brauchten Vorteilspack ein wenig Einfallsreichtum und einen Synthesizer als Kitt. Denn die Töne der Klarinette und der Akustik-Gitarre sind erst einmal sehr konkret, klar definiert und ohne viel Nachhall oder eine große klangliche Breite. Doch die beiden Sänger und Gitarristen Max Grüner und Jakob Schuster haben schon seit Schulzeiten gemeinsam musiziert – und waren dabei immer mit einer gewissen Experimentierfreude zu Gange: Zu Hause haben sie damals schräge Gitarrenklänge, Stimmen und ab und an auch Geschrei aufgenommen, mit verschiedenen Effektgeräten verfremdet und daraus ihre Songs geschmiedet. Doch durch diesen Prozess sei es dann ziemlich bald „endgültig unmöglich“ gewesen, „diese Klänge live umzusetzen“, erzählt Max. Erst als Jonas Dannecker mit der Klarinette hinzu kam, konnten sie ihren Songs eine aufführbare Form geben: Der begann die klanglichen Lücken mit dem Blasinstrument zu füllen und den „einfach nur sehr fantasievoll zusammengespielten Gitarren“ ein rhythmisches Fundament zu geben. Und seit Elias Finsterlin mit Bass und Synthesizer einstieg, bekam die Musik trotz der immer noch hörbaren akustischen Zerbrechlichkeit Fülle.
An dieser Herangehensweise liegt es nun wohl auch, dass die Musik der Anfang-20-Jährigen nun so eigen klingt. In der Stilfindungsphase, die jede Band zu Beginn des jeweiligen Zusammenspiels durchmacht, haben sich Vorteilspack nicht auf klangliche Vorbilder bezogen, sondern die Musik, die bereits da war, der Frage unterworfen, was es denn brauche, um sie zu vervollständigen. Eine Mühe, die sich gelohnt hat. Denn auch wenn die Band ihren Namen etwas unsexy von einer Nudelverpackung abgelesen hat: Die Musik, die sie machen, öffnet das Gehirn des Zuhörers – einfach weil sie weder zu gewollt Trends hinterher rennt, noch überintellektualisiert kompliziert wirkt.
Stil: Neo-Akustik
Besetzung: Max Grüner (Gitarre,
Gesang), Jakob Schuster (Gitarre, Gesang), Jonas Dannecker (Klarinette,
Drums, Gesang), Elias Finsterlin (Bass, Synthesizer)
Aus: München, Germering, Gilching, Herrsching
Seit: 2013
Internet: vorteilspack.bandcamp.com
Von Rita Argauer
Foto: Lorenz Zitzelsberger