Ein ganz normaler Sommer

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Nick Yume wird am 1. Juli zusammen mit vielen anderen Münchner Newcomern beim Stadt-Land-Rock-Festival auf der Bühne stehen. Im Junge-Leute-Interview erzählt er von seinem ersten Hit und dem Konzert mit Rihanna vor 30 000 Zuschauern.

Nick Yume ist 21 Jahre alt und pendelt regelmäßig zwischen London, wo er gerade seinen Master macht, und München, wo er seine Musikkarriere verfolgt. Hier erzählt er von seinen musikalischen Ambitionen, seinem Auftritt auf dem Stadt-Land-Rock-Festival und davon, wie es ist, mit der ersten Single gleich einen großen Hit zu landen.

SZ: Nick, deine erste Single „Allein, Allein“ war gleich sehr erfolgreich, steht momentan bei 500 000 Klicks bei Spotify. Wie kam es dazu?
Nick Yume: Das war ja das Remake vom gleichnamigen Song von Polarkreis 18. Das hat sich in einem Songwriting-Camp ergeben, wo ich zufällig über Amadeus (Amadeus Böhm von Nicks Label Flowerstreet, Anm. d. Red.) war. Die Idee dabei war, Songs neu zu interpretieren. Witzigerweise waren da sehr viele verschiedene Produzenten, aber das Lied habe ich mit meinem eigenen Produzenten Michael Schlump erstellt. Und dann hat ein großes Label das direkt veröffentlicht, von meiner Seite lief das echt easy.

Das Lied wurde dann ja auch sehr positiv aufgenommen.
Ich fand das klasse! Was mich dann besonders gefreut hat, war, dass der Sänger von Polarkreis 18 mir persönlich bei Facebook geschrieben hat: „Hey, wollte nur sagen, dass ich das Lied gehört habe und es voll feiere.“ Das fand ich super, denn er hätte auch sein Okay für das Remake geben und es trotzdem schlecht finden können.

Du hattest vorher noch nichts veröffentlicht, deine erste EP war gerade erst in Arbeit. War der Druck danach sehr hoch?
Mir war relativ klar, dass es was komplett anderes ist. Schließlich kannten die Leute „Allein, Allein“ ja schon und konnten sofort drauf reagieren. Meine eigenen Sachen waren für mich etwas Separates, das eine war mein Zeug und das andere eben ein Remake. Natürlich packt man da auch eigene Kreativität rein, aber es ist nicht das gleiche wie ein eigenes Lied. Mir war also schon klar, dass wir nicht die gleiche Anzahl von Klicks und Aufmerksamkeit bekommen. Dafür sind mir meine eigenen Sachen natürlich umso wichtiger. Kurz darauf warst du ja dann auch Vorband für Rihanna in Bukarest. Das war natürlich der Wahnsinn, schließlich ist das alles innerhalb von nur drei Monaten in meinen Sommerferien passiert. Erst das Remake, dann direkt danach Rihanna. Über einen Kontakt von meinem Label haben wir eine Agentur kennengelernt, die Vorbands für so große Konzerte vermittelt. Als dann die Anfrage für Rihanna kam, dachte ich, das wäre ein Witz, und habe erst einmal nur gelacht. Es war dann aber kein Witz. Natürlich habe ich sofort zugesagt. Dann hieß es, in zwei Tagen fliegt ihr.

Und wie lief der Auftritt?
Die Erfahrung war natürlich unglaublich, es war schließlich ein riesiges Open-Air-Konzert vor dem Parlamentspalast in Bukarest. Ich glaube, ich war selbst noch nicht einmal als Gast bei so einem großen Konzert. Es war also das erste Mal, dass ich überhaupt so etwas gesehen hab – geschweige denn von der Bühne aus. Natürlich war ich überwältigt!

Hitsingle, Rihanna: Wie kehrt man dann nach so einem Sommer wieder in seinen Alltag zurück?
Ich hatte da gerade meinen Bachelor fertig und habe dann in den Master gewechselt. Das war erst einmal im Vergleich ziemlich langweilig. Aber ich bin dann häufiger mal nach München geflogen für ein paar Gigs und habe direkt angefangen, meine zweite EP zu schreiben.

Langweilig?
Um das alles ein bisschen einzuschränken: Abgesehen davon, dass ich eine coole Erfahrung hatte in diesem Sommer, hat das nicht so riesig viel verändert. Musik kann man nicht planen. Man sollte das machen, was man gerne macht, und hoffen, dass es gut ankommt. Aber wenn ich wieder so eine Chance hätte, würde ich sie natürlich ergreifen.

Jetzt hat nicht jeder 21-jährige Musiker schon vor 30 000 Menschen gespielt. Was sagen denn deine Kommilitonen in London zu deiner Musikkarriere? Haben sie dich irgendwie anders behandelt nach diesem Sommer?
Nein, eigentlich gar nicht. Das war ja auch der Wechsel vom Bachelor zum Master und ich bin an eine andere Uni gegangen. Dann hatte ich da neue Leute. Um ehrlich zu sein, wusste von denen nicht einmal jemand was davon. Irgendwann viel später im Jahr hat jemand meine Facebookseite gefunden und das gesehen – und dann haben die Leute natürlich angefangen zu fragen.

Du studierst in London, einem der musikalischen Zentren schlechthin. Wieso treibst du deine musikalische Karriere in München voran und nicht dort?
Ich bin in München aufgewachsen und habe hier schon immer viel Musik gemacht, in einer Schülerband und mit verschiedenen Akustiksachen. Als ich angefangen habe zu studieren, hat das aber aufgehört. Komplett per Zufall bin ich in einer langweiligen Vorlesung meinen alten Mail-Account durchgegangen – da war dann eine Mail von Amadeus. Als ich wieder in München war, haben wir uns ein bisschen unterhalten. Ab da hatte ich den Gedanken daran, wieder Musik zu machen, die ganze Zeit im Hinterkopf.

Du kommst zu unserem Stadt-Land-Rock-Festival: Was kann das Publikum von deinem Auftritt erwarten?
Hm, jetzt muss ich überlegen: dass meine Band cool ist! (Lacht) Mein Projekt fing ja als Studioprojekt an und erst dann haben wir uns überlegt, wie wir das auf der Bühne umsetzen können. Wir haben dann zwei wahnsinnig gute Musiker gefunden, Jakob Arnu und Florian Balmer. Das ist für mich das Coolste an unseren Gigs, dass ich mit zwei super Freunden spiele, die es auch noch wahnsinnig drauf haben. Ich glaube, die Leute sollten wegen unserer außergewöhnlichen Bühnenpräsenz kommen!

Das Stadt-Land-Rock ist das Festival für junge Münchner Newcomerbands auf dem Sommertollwood. Es findet heuer vom 29. Juni bis zum 1. Juli in der Half Moon Bar statt. Es werden jeden Abend von 19 bis 22.30 Uhr je vier Liveacts zu sehen sein, von Gitarren-Pop bis hin zu Elektrobeats. Am Eröffnungstag spielen Chuck Winter, Klimt, Nikolaus Wolf und Jordan Prince. Am Freitag folgen Mola, Liann, Matija und Wendekind. Flonoton, About Barbara, Nick Yume und Eliza beschließen am Samstag das Festival, das es nun schon zum 14. Mal gibt. Der Eintritt ist frei.

Interview: Philipp Kreiter

Foto: Keno Peer

Band der Woche: Oh Why

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Als Lukas Bernhard und Carla Pollak nicht mehr ausreichend zufrieden mit der Ausbeute beim Straßenmusizieren waren, gründeten sie just die Indie-Band Oh Why – den Sound der Straße haben sie sich aber teilweise erhalten.

Mit der eigenen Musik Geld verdienen, dieser Lebensplan ist für die meisten in überaus weite Ferne gerückt. Immerhin sind in den Neunzigerjahren – man mag es kaum glauben – Bands wie die Babes in Toyland mit Musik, die dermaßen weit ab vom Mainstream war, weltweit auf mittelgroßen Labels erschienen, die damals noch Vorschüsse zahlten, die so etwas wie ein Berufsmusikertum zumindest für eine gewisse Zeit finanzierten. Heutzutage ist die schnellste, sicherste und auch lukrativste Art mit der eigenen Musik Geld zu verdienen, auf die Straße zu gehen. Das erscheint erst einmal reichlich absurd, denn Straßenmusik ist immer eine Konzertdarbietung, zu der in den seltensten Fällen gezielt jemand kommt und deren Gewinn sich aus der Großzügigkeit der vorbeikommenden Zufallspassanten generiert. Dass ein Publikum einer Straßenmusikband mal eben gerne einen Betrag in den Hut wirft, der die Summe, die nach einem gestreamten Song auf Spotify auf dem Konto des Künstlers landet, in den meisten Fällen, auch wenn sie unter fünf Euro bleibt, übertreffen dürfte, ist eine der Absurditäten im heutigen Umgang mit der Wertigkeit von Musik. Dass Musiker wie Erol Dizdar, der von seiner Musik lebt und zwar hauptsächlich davon, dass er mit der Konnexion Balkon auf der Straße spielt und nicht davon, dass er mit den gerade doch auf eine gewisse Art gehypten Friends of Gas durch die Clubs des Landes tourt, bestätigt das. 

Unter diesen Voraussetzungen hat die junge Münchner Band Oh Why also erst einmal ganz instinktiv die richtige Bühne gewählt, als die Gründungsmitglieder, der Gitarrist Lukas Bernhard und die Sängerin Carla Pollak, 2013 begannen, in Münchens Innenstadt zu musizieren. Doch – und hier liegt die Crux – schon wegen des fehlenden Stroms in der Fußgängerzone bleibt die Musik in den Klangmöglichkeiten von Grund auf beschränkt. Und so eine Atmosphäre, wie sie die Band heute in den Anfang ihres Songs „Planet 9“ legt, ist auf der Straße ohne anständige Verstärker kaum aufzubauen. Denn um so ein mystisches Ambient-Rauschen zu erzeugen, braucht es Gitarrenverstärker, die die Töne verzerren und verhallen. Da braucht es aber auch Mikrofone, die das Straßenmusik-Relikt Cajón (die Holzkiste, auf der ein Trommler sitzt und die klingt wie ein Schlagzeug) verstärken und verfremden. Und da braucht es im Idealfall die Bühne eines Clubs, eine Nebelmaschine und entsprechende Scheinwerfer, um die Band auch optisch passend zu den Klängen in Szene zu setzen. Oh Why lernten nach und nach diese erweiterten Möglichkeiten für die Darbietung ihrer Musik zu schätzen: Also kam zuerst der Schlagzeuger Vincent Crusius dazu, später dann noch Bass und Keyboard. 

Die Möglichkeiten, einfach auf der Straße zu spielen, wurden von den Musikern, die alle Anfang 20 sind und in München studieren, so zwar rapide eingeschränkt, Carlas dunkel belegte Alt-Stimme aber bekam einen musikalisch interessanteren Untergrund: Irgendwo zwischen Neunzigerjahre-Indie-Rock und einem Gespür für lang aufgebaute Atmosphären, verabschiedeten sie sich endgültig vom kurzweiligen, nachmittäglichen Shopping-Soundtrack auf dem Marienplatz und traten in den Dschungel der Münchner Indie-Band-Szene ein. Hier müssen sie jedoch an etwas anderem feilen: Man muss herausstechen, sich eigen und besonders machen. Daran arbeiten Oh Why gerade, live immer wieder in diversen Konzerten, und im Studio an ihrer ersten EP, die im Laufe des Jahres erscheinen soll.  

Text: Rita Argauer

Foto: Alexandra Kuth

Schöner hören

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Der Medienkaufmann, Schlosser, Regieassistent, Barkeeper und Kabelträger Michael Wolf hat seine Passion gefunden: Er setzt Musiker in München in Szene, mit Filmen ohne einen einzigen Schnitt

Ächzen von Holz dringt durch die kalte Winterluft. Als Michael Wolf das Tor zur Scheune öffnet, fällt eine ganze Ladung Staub auf seine sauber gekämmten Haare und auf die schwarze Lederjacke. Doch ihn stört das nicht, ein kurzer Blick zur Seite beruhigt ihn: Seine Kamera liegt noch immer gut geschützt in der Ecke, die hat nichts abbekommen. Das ist auch gut so, nicht nur weil sie Michaels wichtigstes Arbeitsgerät ist. Auch die Live-Session, die der Münchner gleich mit dem Augsburger Folk-Trio John Garner in dieser alten, verlassenen Scheune im tiefsten Oberbayern abhalten wird, hätte es sonst nicht gegeben.

Michael ist Filmemacher. Im August gründete er die „Monaco Sessions“ und setzt seitdem Künstler an ungewöhnlichen oder einfach schönen Orten der Stadt in Szene. Auf den Olympiaberg hat er seine Kamera schon mitgenommen, auch in den Nymphenburger Schlosspark. Und nun in diese modrige Scheune, die neben der modernen Filmtechnik wirkt, als entspränge sie einer anderen Welt.

Nicht nur Münchner Musiker seien zu diesen Sessions eingeladen, sagt er später draußen, während er sich an einer Tasse Tee die Hände erwärmt. „Auch die von außerhalb, die für ein Konzert hierher kommen und Lust auf eine kleine Session haben.“ Das sind Münchner Originale wie Lucie Mackert und Peter Fischer. Aber auch den britischen Sänger Ryan Inglis hat er schon vor seine Kamera gebracht, genauso wie die Amerikanerin Joanna King. 

Der 25-jährige Medienkaufmann will aufstrebenden Künstlern eine Plattform bieten „auf der sie gehört werden“, wie er sagt, und auch ein Porträt seiner Heimatstadt schaffen. „München hat so viele wunderschöne Orte“, schwärmt er. Da falle die Suche nach neuen Plätzen zum Drehen selten schwer. Michael macht selbst Musik, bis vor wenigen Jahren spielte er Gitarre, schrieb und sang die deutschen Texte der Pop-Rock-Band Lucky Melange. Von daher weiß er, wie schwer es sein kann, als Musiker Fuß zu fassen. „Ich wäre damals froh gewesen, wenn jemand eine Session mit uns gemacht hätte“ sagt er. Die Band löste sich aus einem Mangel an Probe- und Aufnahmemöglichkeiten auf.

Doch Zweifel an seinem Lebensweg kommen bei ihm keine auf. Michael ist kein Mensch, der sich von der Vergangenheit einholen lässt. „Ich stehe auch eigentlich nicht so gerne auf der Bühne und im Rampenlicht“, sagt er. Eines hat er aus seiner Zeit als Musiker auf jeden Fall gelernt: „Du kannst nie erwarten, dass dir Erfolg einfach vor die Füße fällt.“

Und mit diesem Grundsatz versucht der 25-Jährige nun, sich selbstständig zu machen. Der Wechsel hinter die Kamera war nie so wirklich geplant. Die Biografie des Münchners liest sich als langer Weg zur Selbstverwirklichung: Nach einer Schlosser- und Schweißerlehre arbeitete er mehrere Jahre als Praktikant und Auszubildender in einer Filmproduktionsfirma, jobbte als Regieassistent, Barkeeper und Kabelträger. „Das mit dem Filmen hatte mich inzwischen gepackt“, sagt Michael und so bewarb er sich für einen Platz an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF). Über einen Freund kam er auf die Idee, selbst Videos zu produzieren. „Ab da fing ich an, mir zu YouTube Gedanken zu machen. Und da mich die HFF nicht wollte, dachte ich mir, ich mache mein eigenes Ding.“ 

Das Filmen brachte er sich selbst bei, „mit viel Einsatz geht das schon“, sagt er und lacht. „Es kommt vor allem darauf an, einen cineastischen Blick zu entwickeln und sich dann einfach von seinem Unterbewusstsein leiten zu lassen.“ Große Pioniere wie Hitchcock nennt Michael da als Vorbilder genauso wie zeitgemäße Videoprojekte, etwa die „Mahogany Sessions“. 

Deren Einfluss auf seine Arbeit ist kaum abzustreiten: „Die Nähe zum Künstler in den Sessions hat mich sofort beeindruckt“, sagt er. Wie beim Vorbild aus Großbritannien passt Michael den Drehort an den jeweiligen Musiker an. Seine Videos kommen ganz ohne Schnitt aus. „One-Take-Prinzip“ nennt er das: „Jeder Schnitt würde das Video verfälschen und künstlich wirken lassen.“ Das Ganze ist zwar nicht wirklich neu – unter anderem drehten bereits die deutsche Indie-Band Kraftklub oder die Kanadierin Kiesza Musikvideos ohne Schnitt. Michaels Herangehensweise ist aber doch eine eigene. Die ungeschnittenen Aufnahmen wirken sehr intim, er selbst beschreibt sie als „ehrlich“.

Auch Kilian Unger alias LIANN ist nach zwei Videos beeindruckt: „Ich habe ihm vertraut bei der Kameraarbeit, und das hat sich gelohnt“, sagt der Singer-/Songwriter über die Aufnahme seines Songs „Chicago“ am Sendlinger Tor. Und wenn man merkt, wie elegant ein Close-Up der Gitarrenbünde in die Totale übergeht und die Musik mit der Umgebung verschwimmt, dann bekommt man eine Ahnung davon, wie viel Arbeit in diesen Filmen steckt.

Die sollen sich zukünftig auch auszahlen: Mit der Hilfe von Sponsoren hofft Michael, sich selbstständig machen und sich so ganz auf das Filmen konzentrieren zu können. „Und dann würde ich gerne auch Interviews machen und eigene Konzerte organisieren, um die Monaco Sessions als Marke weiter auszubauen.“

Ob er sich auch irgendwann einmal einen Wechsel zurück vor die Kamera und auf die Bühne zutraut? Michael schmunzelt. „Ich versuche langsam, wieder selbst etwas Musik zu schreiben“, sagt er und spricht von „Singer-/Songwriter-Zeug im Sportfreunde-Stiller-Stil“. Für die Monaco Sessions käme diese Musik dann allerdings nicht in Frage. „Höchstens mit einer Maske“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Vielleicht blendet das Rampenlicht einfach weniger stark – durch eine Kameralinse betrachtet. 

Text: Louis Seibert

Foto: Ryan Inglis