Optimale Verwertung

Tonnen für die Tonne? Vier Studentinnen haben eine App zur Müllvermeidung erfunden. Das Patent ist angemeldet.

Wir kaufen. Wir essen. Wir vergessen. Pro Jahr landen dem World Wide Fund For Nature zufolge weltweit 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel im Müll. Tonnen für die Tonne. In Deutschland sind das jährlich 82 Kilogramm Nahrungsmittel pro Person. Oft wird dabei nicht darauf geachtet, ob diese auch wirklich schlecht geworden sind. Und genau diese Unaufmerksamkeit wollen jetzt Jana Imling, 21, Franziska Reitinger, 21, Teresa Rumpler, 22, und Christiane Schweda, 20, ändern. Mit einer App.

Sie sind Studentinnen des Studiengangs Design und Innovationsmanagement der AMD in München und sagen: „Unsere Lösung ist eine App, die dem Nutzer hilft, seine Lebensmitteleinkäufe optimal zu organisieren und zu verwerten. Damit wollen wir jedem Menschen die Möglichkeit geben, selbst ein Stück zur Weltverbesserung beizutragen.“

Jana, Franziska, Teresa und Christiane tragen Jeans, einfache Blusen, T-Shirts und Sneakers, wenig bis kein Make-up. Kaum gestylt, ganz natürlich. Die vier jungen Frauen wirken bodenständig. Die Haare sind vom Fahrradfahrtwind verweht, die Blusen knittrig aufgrund der langen Pendelstrecken auch über München hinaus. Sie wirken ein wenig gestresst von den vielen Nebenjobs, die man im teuren München für die teure Akademie dankend annimmt, um sich neben der finanziellen Unterstützung der Eltern auch etwas leisten zu können. Eltern, denen man – wie jeder andere Student auch – gerne mal den Kühlschrank plündert. Und während man meist nach den Lebensmitteln auf Augenhöhe greift, stoßen die vier Studentinnen auch immer wieder auf Lebensmittel, die (weit) über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus abgelaufen sind. 

„Man stellt die Dinge einfach rein, oft aus Faulheit und vergisst dann die älteren Nahrungsmittel nach vorne zu räumen. Irgendwann beginnt dann das große Wegschmeißen“, sagt Teresa. Dass sich die vier einmal während ihres Studiums mit dem Problem der Lebensmittelverschwendung genauer beschäftigen würden, hätten sie anfangs nicht gedacht. Und dass sie daraus auch noch eine Herzensangelegenheit entwickeln würden, die nun weit über ihr Studium hinausgeht, war ihnen ebenso wenig bewusst.

Alles begann in der Lehrveranstaltung „Normatives und ethisches Management“. Die Studierenden sollten innovative Konzeptideen mit Marktreife entwickeln. Es galt eine Idee auszuarbeiten, die ein soziales Problem löst, und der Welt und dem Menschen hilft. Eine Idee, die das Zeug zu einem profitablen Geschäftsmodell hat. Also machten sich die vier jungen Frauen Gedanken.
Von einer App für geflüchtete Menschen bis hin zur Wassereinsparung in öffentlichen Einrichtungen war vieles dabei. Denken macht hungrig – und irgendwann sind sie auf den Kühlschrank gekommen, oder vielmehr auf die Lebensmittelverschwendung.

„Man braucht nur einmal einen Blick in die eigenen vier Kühlschrankwände zu werfen“, sagt Christiane. „Zu viel wird frühzeitig grundlos weggeschmissen, obwohl man die Dinge noch verwerten könnte. Wir wollen das Konsumverhalten der Menschen verändern und ein Umdenken in der Gesellschaft erzielen.“ Die Zielsetzung der vier Studentinnen: Sie wollten eine Lösung finden, die dauerhaft etwas bewirken und die Situation verbessern kann. So kamen sie auf die Idee, eine eigene App zu entwickeln, die sie „Save the Food“ nannten.

Beim Öffnen von „Save the Food“ soll zuerst ein Kühlschrank zu sehen sein. Darunter ist eine Leiste mit verschiedenen Funktionen abgebildet. In der Mitte befindet sich ein Scanner für den Barcode, mit dem die verschiedenen Lebensmittel eingelesen werden müssen. Dafür soll man das jeweilige Produkt vor die Kamera des Smartphone halten, um den Bar- oder QR-Code zu erfassen. Wenn der Code nicht erkannt werden kann oder es sich um Lebensmittel handelt, die nicht mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehen sind wie zum Beispiel Gemüse und Obst, dann soll die manuelle Eingabe des Datums möglich sein. Auch die Anzahl eines Produktes lässt sich dadurch eingeben. Hat man ein Produkt erfolgreich erfasst, wird automatisch ein Wecker gestellt, mithilfe dessen dann eine Pop-up-Nachricht daran erinnern soll, wann die Lebensmittel ablaufen.

„Das Tolle an der App soll sein, dass wir nicht nur das Bewusstsein der Menschen im Umgang und Konsum mit Lebensmitteln verbessern wollen. Wir wollen auch einen emotionalen Nutzen für den User schaffen: Die App soll nicht nur den Hinweis liefern, dass etwas abläuft, sondern gleichzeitig auch Rezeptideen. So kann man vorhandene Lebensmittel vor dem endgültigen Verfall retten, aber auch zu leckeren Gerichten kombinieren“, sagt Jana. Durch die Verwendung eines Rezepts, wird dann das jeweilige Produkt aus diesem „Weckersystem“ herausgelöscht.

„All unsere Freunde sind begeistert von der Idee. Wir stoßen immer wieder auf
positiven Zuspruch“, sagen die vier Studentinnen stolz. Stolz sind die Erfinderinnen auch auf ihre bereits erfolgte Patentanmeldung. Im nächsten Schritt stehen sie nun vor der Herausforderung, die Apptatsächlich umzusetzen und zu programmieren. Von einer kleinen Idee ist schon lange nicht mehr die Rede. Es gilt nun, das große Projekt endgültig in die Tat umzusetzen.

Und wie sieht es mittlerweile in ihren Kühlschränken aus? Was muss dort immer vorrätig sein? Sie überlegen nicht lange. „Teresa ist eine absolute Ketchup-Liebhaberin, Jana isst gerne viel mit scharfem Senf, Christiane schmiert Mayonnaise auf alles und ich liebe Erdnussbutter“, sagt Franziska. Alles Dinge, die sich lange halten und die man bei täglichem Gebrauch wohl weniger schnell vergisst.


Text: Laura-Marie Schurer

Foto: Privat