Bitte recht freundlich

Die Münchnerinnen Laura Ofenreiter, Ruby Weidemann und Miriam Zenger haben das Magazin „quite something“ gegründet – zu lesen gibt es nur positive Geschichten.

Zwei Esel stehen mit geschlossenen Augen aneinandergeschmiegt zusammen. Der eine hell, der andere dunkel. Dieses Bild ziert das Cover der ersten Ausgabe von quite something, einem neuen Print-Magazin, mit dem die Gründerinnen Laura Ofenreiter, 26, Ruby Weidemann, 25, und Miriam Zenger, 32, für mehr Optimismus kämpfen. Das Heft soll Standhaftigkeit demonstrieren und die positiven Dinge im Leben vorantreiben. 

Die drei jungen Frauen wollen auch ihr Magazin vorwärtsbringen. Sie sitzen am azurblauen Esstisch in Lauras Wohnung vor Muffins, veganer Erdbeertorte, Brezeln und einem Notizbuch mit der Aufschrift „Happy“, denn so beginnen sie immer mit der Arbeit. „Durch meine Diplomarbeit hatte ich die Idee für ein Magazin, das ausschließlich positive Dinge transportieren sollte“, sagt Laura. Danach hat sie immer wieder überlegt, wie und mit wem sich dieses Projekt realisieren lasse – „und bei Ruby und Miriam wusste ich, mit ihnen kann ich das umsetzen“, sagt Laura. Mit ihrem gemeinsamen Herzensprojekt, sagen sie, bringen sie Endorphine auf Papier. Die Artikel in dem in Karton eingefassten Heft haben Überschriften wie „Die Suche nach dem Glück und wie ich es ganz unachtsam gefunden habe“, „Bühnenluft & Gegenwind“ oder auch „Wozu Warum?“

Die Autoren sind überwiegend Freunde und Bekannte des Trios, aber auch Menschen, die sie in anderen Medien als Inspiration empfunden haben. „Wir haben die meisten von ihnen direkt angeschrieben und gefragt, ob sie für uns schreiben wollen. Irgendjemand kannte immer wieder einen anderen mit einer inspirierenden Geschichte“, sagt Laura. So findet sich in der ersten Ausgabe von quite something auch der Text einer Autorin, in dem sie erzählt, wie sie mit gerade einmal 19 Jahren die Diagnose Ataxie bekommt. Eine Krankheit, bei der eine Lähmung droht und die Lebenserwartung auf nur 50 Jahre sinkt. Auf den ersten Blick keine besonders fröhliche oder aufbauende Geschichte. Aber: Die junge Frau erzählt, wie sie die Krankheit erst verdrängt, in ein Tief fällt und sich schließlich erfolgreich zurück ins Leben kämpft. „Uns war wichtig, dass die Leser aus den Geschichten etwas Positives mitnehmen können. Manchmal weiß man gar nicht, wie toll der eigene Nachbar ist und das es helfen kann, sich öfter über schöne Ereignisse auszutauschen“, sagt Ruby.

Finanziert wurde das erste Magazin mittels Crowdfunding, Werbung gibt es nicht. Interviews heißen in quite something „heart to hearts“. „Die Gesprächspartner in unseren heart to hearts sind immer auf der gleichen Ebene, sie reden sehr offen und persönlich miteinander, deshalb nennen wir sie nicht Interviews“, erklärt Ruby.

Immer wieder die guten Seiten zu erkennen, ist etwas, das sie für sich perfektioniert haben, denn als positives Ereignis würde jeder andere ein verpasstes Mumford & Sons-Konzert, wegen dem man extra nach Island geflogen ist, sicher nicht bezeichnen – Laura und Ruby schon. Dass sie in allem etwas Gutes sehen können, wirkt nicht gekünstelt. „Wir haben alles gegeben, um noch pünktlich zu kommen, aber es war einfach nichts zu machen“, sagt Laura. Und alles versucht haben sie wirklich. Als die Durchsage kam, dass ihr Flug von München nach Island ausfällt, hing Laura keine zehn Sekunden später am Telefon und hat den Flug umgebucht. Trotzdem kamen sie nicht mehr rechtzeitig. „Dafür haben wir Nordlichter gesehen und die beste Zimtschnecke der Welt gegessen“, erzählt Laura und tut so, als ob sie sich eine Träne wegwischen müsste. Alle lachen. 

Die Heiterkeit der drei jungen Frauen ist ansteckend. Aber kracht es denn nie untereinander? „Nein. Wenn eine von uns einen schnippischen Kommentar ablässt, dann meist nur, weil sie müde oder hungrig ist“, sagt Ruby. In den letzten Wochen vor dem Druck der ersten Ausgabe waren sie fast durchgängig bei Laura. Haben Texte redigiert, das Design finalisiert und ihr den Kühlschrank ausgeräumt, nicht mal dabei gab es Stress.

Außer den Danksagungen und der Einleitung haben Ruby, Laura und Miriam nichts in ihrem Magazin selbst geschrieben. Sie verstehen sich als Artdirectorinnen, nicht als Autorinnen. „Es könnte aber sein, dass eine von uns doch mal etwas schreibt und der Text dann aufgenommen wird. Vielleicht hat diese Person auch schon ein paar Texte geschrieben, sich aber noch nicht getraut“, witzelt Laura. Alle grinsen. Denn das „vielleicht“ steht für „sicher“ und mit „Person“ ist Ruby gemeint. Auf diese Weise kann sie laut über das reden, was sie sich sonst nur denkt. Denn so lustig jede einzelne von ihnen ist und so sehr sie alle hinter ihrem Projekt stehen, so schüchtern sind sie, wenn es darum geht, sich selbst darzustellen. In den sozialen Netzwerken laden sie keine Bilder von sich beim Sport, vor einem Sonnenuntergang oder in stylishen Outfits hoch. Authentizität ist ihnen wichtig. Die Geschichten in ihrem Magazin sind genau so passiert, nichts ist erfunden.

Aber gibt es denn wirklich nichts Negatives in ihrem Leben? „Klar geht jede von uns auch durch schwere Zeiten, aber wir entscheiden uns immer wieder bewusst, den Fokus auf das Positive zu legen“, erklärt Laura ihren ungebrochenen Optimismus. Ruby hat zwar keinen Kontakt zu ihrem Vater, was sie schade findet. Aber das sei kein Grund für sie, sich selbst zu bemitleiden: „Ich werde oft gefragt, wie es so ist, ohne Vater aufzuwachsen. Ich kenne es nicht anders, dafür habe ich eine starke Mutter. Von daher will ich auch nicht traurig darüber sein.“ Mit ihrem Magazin haben sie für sich eine Lücke in ihrem Leben geschlossen. Es ist eine Art Glückspille in schweren Zeiten. Schlecht drauf? Magazin rausholen, lesen und glücklich sein.

Text: Isabel Prössdorf

Foto: Robert Haas

Zeichen der Freundschaft: Nächtliche Bildinterpretation

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Bildinterpretationen behandelt man irgendwann einmal im Unterricht. Eigentlich. Unsere Autorin und ihre beiden Freundinnen analysieren dagegen Werbeplakate an Bushaltestellen und machen sich das zum abendlichen Ritual.

Das samtene Fell des Friesen schimmert silbern im Licht des vollen Mondes. Der kleine Junge, der dem Pferd nur bis etwa zur Brust reicht, streckt vorsichtig die Hand aus, um die Nüstern des majestätischen Tiers zu berühren. Thea, Jasmine und ich nähern uns voller Erwartung. „So meine Lieben“, bricht Thea das Schweigen, „was werden wir heute in diesem Kunstwerk entdecken?“ Die
romantische Szene zwischen schwarzem Pferd und kleinem Jungen in Regenparka wiederholt sich an jedem unserer gemeinsam verbrachten Abende, an deren Ende Thea und ich Jasmine nach Hause begleiten. Auf einem überdimensionalen Werbeplakat an einem Bushäuschen, genau an der Stelle,
an der Jasmine sich von uns verabschiedet, um die Straße zu ihrem Wohnhaus zu überqueren.

Zugegeben, an dem Abend, an dem wir zum ersten Mal bemerkten, wie realistisch, interessant und detailliert uns das für eine britische Bank werbende Plakat vorkam, waren wir alle etwas angesäuselt vom Rotwein. Dennoch nehmen wir die Aufgabe der Bildinterpretation seither sehr ernst. „Ich glaube, der Regenparka steht dafür, gewappnet zu sein für schlechte Zeiten“, sagt Jasmine heute mit gerunzelter Stirn. Ich kichere. „Oder seine Mama war einfach super nervig – nach dem Motto: nimm deine verdammte Jacke mit, sonst erkältest du dich noch, wenn du schon wieder dieses Pferd am Strand besuchst“, gebe ich zu Bedenken. Meistens hat jedoch Thea die beste Interpretation auf Lager, denn sie ist mit Abstand die lustigste von uns dreien. Jasmine schafft es hingegen immer wieder, am aufgeräumtesten und zugleich verplantesten zu sein und ich – ich backe den besten Kuchen und habe zu meinem eigenen Unverständnis ständig irgendein neues Männerproblem zu besprechen, das mich völlig überfordert. Manchmal kommt mir unsere Freundschaft selbst vor, wie eine sehr romantische Fotografie (von denen ich mittlerweile auch so viele habe, um ein ganzes Zimmer damit tapezieren zu können – Erinnerungen an all die verrückten Dingen, die wir während des vergangenen Jahres unseres gemeinsamen Studiums in Oxford erlebt haben). Ich habe die beiden Kanadierinnen (aus unterschiedlichen Provinzen – was wichtig ist!!!) gleich am ersten Tag des Semesters kennengelernt, als wir als einzige ein bisschen verloren am von unserer Fakultät organisierten Buffett standen und nicht so recht wussten, wie wir am besten höflichen Small-Talk mit all den distinguierten Professoren führen sollten. Natürlich könnte man sehr fatalistisch behaupten, der erste Tag an jeder Uni würde einfach determinieren, mit wem man für den Rest des Jahres befreundet ist. Ich glaube jedoch stur, dass es mehr als Zufall sein musste, genau diese beiden jungen Frauen auf einmal kennenzulernen. Denn ich glaube an romantische Gemälde und die Kraft des Schicksals, vor allem wenn es um zwischenmenschliche Begegnungen geht. Während Thea, Jasmine und ich in vielen Dingen sehr unterschiedlich sind, sind wir in ebenso vielen Dingen genau gleich. Beispielsweise teilen wir seit neun Monate die Überzeugung, nicht ganz so genial zu sein, wie man es eigentlich sein sollte, wenn man einen Platz an einer „Eliteuniversität“ ergattert hat. Genauso wie die Beobachtung, dass wir viele der bierernsten Traditionen und Ansprüche und Rituale und Diskussionen in Oxford nicht ganz ernst nehmen können. Deshalb können wir uns gegenseitig zugleich Rettungsanker und Stimmungsbombe sein, wenn es um Ratsch, Tratsch, gemeinsame Abendessen, Theater-, Kino-, und Konzertbesuche und nicht zuletzt therapeutische Gesprächsrunden geht. Wenn ich unsere Freundschaftsdynamik
interpretiere, so wie wir mehrmals wöchentlich das Bushäuschen-Plakat interpretieren, würde ich zu dem Schluss kommen, dass die Tatsache, dass Thea und ich Jasmine Abend für Abend nach Hause begleiten – weil sie eben ein bisschen ängstlicher ist als wir – als Zeichen dafür gesehen werden
kann, dass wir füreinander da sind, egal wann, egal wo und dass wir es schaffen, den anderen ernst zu nehmen, ohne jemals den Humor zu verlieren. Genau deshalb kann ich es mir auch nur mit diesen beiden Menschen vorstellen, mitten in der Nacht zum gefühlt hundertsten Mal vor einem Bushäuschen im Norden Oxfords zu stehen und die tiefenpsychologischen Absichten eines Werbefotografen zu analysieren.


Text: Theresa Parstorfer

Foto: Yunus Huttere

Zeichen der Freundschaft: Klingelalarm

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Theresa hat eigenltich immer frisch gebackenen Kuchen zuhause. Ihr Freund Miguel weiß das, und steht nicht selten unangemeldet vor der Tür und klingelt Sturm. Trotz aller Unterschiede, gibt es keinen Menschen, dem Theresa lieber Kuchen auf den Teller häufen würde. Eine weitere Kolumne aus unserer Reihe “Zeichen der Freundschaft”.

Er steht einfach vor meiner Tür. Angekündigt nur vom ohrenbetäubenden Klingeln meiner Türglocke. Und meistens einer merkwürdigen Ansage durch die Sprechanlage: „Hier ist der Rettungsdienst, wir haben gehört, dass bei Ihnen ein Feuer ausgebrochen ist?“, „Hier der örtliche Metzger, Sie haben 10 kg Pferdefleisch bestellt?“

Meistens verstehe ich den Witz erst, wenn er vorbei ist, und ich einmal wieder auf ihn hereingefallen bin. Dann sitzt Miguel auch schon an meinem Esstisch und klopft sich mit seiner dünnen Hand auf seinen dünnen Schenkel vor Lachen. „Du hast es wirklich geglaubt.“ Ich ziehe eine finstere Miene und hebe den Zeigefinger „Aufpassen, oder du kriegst keinen Kuchen.“ Das zieht. Immer.

Manchmal witzelt Miguel, er würde nur zu mir kommen, weil er weiß, dass die Wahrscheinlichkeit zumindest nicht klein ist, in meiner Küche nicht nur mich in Jogginghose, sondern auch einen Kuchen anzutreffen. Apfelschmand, Käse-Pfirsich-Mohn, Kirsch-Streusel oder Karotte-Ananas-Walnuss.

Aber interessanterweise weiß ich, dass für Miguel meine Kuchen nur an zweiter Stelle, nach meiner Gesellschaft stehen. Das weiß ich, obwohl Miguel und ich ständig darüber streiten, ob Keira Knightly jetzt hübsch ist oder nicht, ob es fies ist, über dicke Menschen zu lästern oder ob es in Ordnung ist, an Halloween kleine Kinder zu Tode erschrecken, indem man sich eine dieser Messerattrappen aufsetzt, die aussehen, als hätte einem jemand den Kopf gezweiteilt. Ich weiß, dass Miguel mich mag, nicht nur weil er mir die schönste Zeichnung einer Ballerina zu Weihnachten schenkt oder mich mit dem Fuchs aus „Der kleine Prinz“ vergleicht. Das weiß ich, weil er der erste Mensch ist, bei dem ich nicht Angst habe, er könnte mich aufgrund meiner Aussagen verurteilen. Und weil er auf der anderen Seite der erste Mensch ist, dem ich es verzeihen kann, dass er Keira Knightly wunderschön findet, Übergewicht abstoßend und Kinder-Erschrecken am liebsten zur olympischen Disziplin erheben würde.

Und vielleicht weiß ich es auch, weil er trotz all unserer Unterschiede in unregelmäßigen Abständen unangekündigt an meiner Tür klingelt und ich ihm liebend gerne nicht nur ein, sondern zwei oder drei Stück Kuchen auf seinen Teller hebe.

Von: Theresa Parstorfer

Foto: Yunus Hutterer