Das Feierwerk ist für viele Münchner eine
der wichtigsten Anlaufstellen für Musik der härteren Gangart. Doch am Freitag tönten
elektronische Beats aus der Kranhalle. Künstler wie Kool&Kabul und Stefanie Raschke bringen alle zum Tanzen. Das kann nur eines bedeuten: Electronica-Abend
beim Sound of Munich Now Festival. Hier die Geschehnisse des Abends in der
Nachlese.
Um Punkt 22 Uhr läuten
die AutoBoys die lange Nacht der elektronischen
Musik ein. Das Münchner Duo spielt House, in dem sich leichte Lounge-Einflüsse
mit pumpenden Beats zu einer durchaus tanzbaren Symbiose verbinden. Zu Beginn
der Show befinden sich bloß ein paar verstreute Menschentrauben auf der
Tanzfläche; nach und nach tröpfeln dann aber immer mehr Leute, die zuvor wohl
bei der Sound-of-Munich-now-Labelshow von Alpinrecords und Südpolmusic waren,
in die abgedunkelte Kranhalle. Dementsprechend ist der Saal schon voll, als die
Uhr elf schlägt. Parallel zur Anzahl der Konzertbesucher steigt quasi per
Naturgesetz auch die Tanzbereitschaft, sodass sich immer mehr Leute im Einklang
mit den hypnotischen Klängen bewegen. Nebel flutet die Halle und lässt sie im
Lichte der Videoprojektionen zu weich umrissenen Schemen werden.
Auf die AutoBoys folgt Alma Gold. Ihre Musik besticht
durch gelegentlich aufblitzende, introvertierte Momente, in denen der treibende,
aber sehr komplex arrangierte Deep-House-Beat einem gehauchten Klavier das Feld
überlässt und Raum zum Atmen schafft. Alma Gold entdeckte in den 90er Jahren
dank Michael Jackson, Prince und Konsorten die elektronische Musik für sich.
Das lässt sich noch heute aus den melodiösen Gesangslinien, aufsteigenden
Melodien im Hintergrund und trotz ihrer Variationsfreudigkeit gut tanzbaren
Rhythmen durchaus heraushören.
Mitternacht nähert sich, und damit auch der Auftritt von Stefanie Raschke. Sie
begeistert mit Ausflügen in Ambientlandschaften, die sie aus in wechselnder
Geschwindigkeit oszillierenden Synthpads formt. Eine sehr sympathische
Performance, sie hat sichtlich Freude am elektronischen Spiel. Dementsprechend erreicht
auch die Stimmung im Publikum in diesem Augenblick einen Höhepunkt: Anfeuernde
Rufe und ausgelassenes Tanzen sind ein untrügliches Zeichen.
Kommen wir gleich zu einem weiteren Highlight des Abends: die
Visuals, zusammengestellt von den VJs Heiligenblut, Camelion und N/IV
& Pixolux. Sie verwandeln das Konzerterlebnis stellenweise in ein
regelrecht synästhetisches Erlebnis. Betritt man die Kranhalle, fallen einem
sofort drei Installationen ins Auge: die zwei großen Leinwände, der riesige
weiße Ball, der in der Mitte des Saals über den Gästen schwebt – und nicht zuletzt
eine abstrakte, an dekonstruktivistische Architektur erinnernde Skulptur, von dem Künstler WØRKFLØW.
Allesamt dienen sie als Projektionsflächen für die Beamer der VJs. So formen
sie zusammen ein faszinierendes Kaleidoskop, das sich im Takt der Musik bewegt.
Bei jedem Künstler ändern sich die Visuals. Bei Alma Gold beispielsweise
schweben blaue Lippen, die geradewegs aus der Anfangssequenz der Rocky Horror Picture Show zu stammen scheinen, über die schwarzen
Leinwände. Regenbogenfarbene Möbiusschleifen hypnotisieren die Zuschauer bei
Stefanie Raschke. Dieses Hin- und Herschwanken zwischen figurativen und
abstrakten Elementen durchzieht dabei die gesamte Videoshow. Sehr einfallsreich
sind auch die Projektionen auf dem weißen Ball; eine auf ihn projizierte Iris
lässt ihn wie einen riesigen Augapfel wirken, während im nächsten Moment ein
surrealistischer Ring über ihn zieht.
Hutenberger, der gegen 1 Uhr auf Stefanie Raschke
folgt, bringt die Menge mit seiner minimalistischen, für Clubs geeigneten
Electronica dann endgültig zum Ausflippen. Da kann wirklich niemand mehr
stillstehen. Hutenberger, der auch ein eigenes Label betreibt, beschreibt seine
Musik als „story-telling techno for adults“. Das Auf- und Abschwellen, der mit
filigranen Melodien garnierten Tracks, sorgt auf jeden Fall für tanzbare Musik.
Als Benna die Bühne betritt, haben sich die
Zuschauerreihen bereits etwas gelichtet; nichtsdestotrotz ist die Stimmung
unter den Ausharrenden fabelhaft. Dazu trägt auch Bennas Deep House bei, seine
Musik fällt durch besonders ausgeprägte, perkussive Elemente auf. Auf seiner
Soundcloud-Seite schreibt Benna, der bereits seit 2008 eigene Songs
veröffentlicht, dass einer Legende zufolge einmal eine Raverin bei einem seiner
Konzerte regelrecht „geschmolzen“ sei — das erklärt dann auch die zahlreichen
Pfützen auf der Tanzfläche.
Die Abmischung der Musik darf man trotz gelegentlich
übersteuernder Bässe übrigens auch getrost als gelungen bezeichnen — dazu ist
sie auch nicht zu laut. Das ebnet den Weg für absurd wirkende Gespräche unter
den Besuchern: Es gäbe zu „wenig Nihilisten“. Na ja.
Kool
& Kabul, der Benna nachrückt, vertreibt jede Müdigkeit, die sich im Laufe
der Nacht angesammelt haben könnte mit den spannenden, sphärischen Elementen in
seinem Techno. Es wird warm in der Kranhalle. Ein Gast hat das wohl vorhergesehen
und trägt einen Strohhut zur äußerst anmutigen, mit Leopardenfellmuster
verzierten Hose. Allgemein sind die Konzertgäste erfreulich vielfältig:
Obligatorische Turnbeutelträger und auch einige Menschen, die man sonst eher
auf Hardcore-Konzerten trifft, tanzen da im Einklang mit älteren
Semestern.
Den Abschluss des Abends
liefern Moritz Butschek mit
sehr eingängigem EDM und Maxim
von Terntieff mit entspanntem
House. Dann sind alle müde. Es ist sechs Uhr. Und eine skurrile Nacht ist zu Ende
gegangen. In einem Jahr wird der Wahnsinn weitergehen. Mit allen
Regenbögen, Pfützen und pumpenden Beats. Maxime Weber
Fotos: © Käthe deKoe