Smartphone oder Lernstoff? Die Ablenkung durch das Handy ist groß. Deswegen haben Johannes Stolberg, 21, und Benjamin Gilg, 23, eine Konzentrationshilfe entwickelt – ausgerechnet eine App.
Eine schöne junge Frau in einer Bibliothek: Sie steht auf einer Leiter, reckt sich so sehr nach einem Buch, dass man unter ihr knappes Kleidchen sehen könnte. Doch genau dort, wo der Betrachter einen wohlgeformten Po vermutet, bedeckt ein Schild ihr Gesäß, Aufschrift: „Stay Focused“. Mit diesem Bild bewerben Johannes Stolberg, 21, und Benjamin Gilg, 23, ihr gleichnamiges Start-up: Die App „Stay Focused“ soll Studenten dabei helfen, sich beim Lernen besser zu konzentrieren.
Konzentrationsstörend ist nach Ansicht der beiden Physikstudenten vor allem eines: das Smartphone, das beim Lernen zur echten Konkurrenz für schnöde Wissenschaftstexte wird. Nur mal kurz drauf gucken. Immer und immer wieder. Die App der beiden jungen Männer soll das nun verhindern: Der Nutzer legt einen Zeitraum fest, in dem er ungestört lernen möchte, und stellt dann ein, welche Funktionen des Telefons in der Zeit unterbunden werden – Anrufe, SMS, Apps.
Klingt zunächst nicht anders als der Flugzeugmodus, den die meisten Smartphones integriert haben. Aber: Bei ihrer App könne man alles viel präziser einstellen, erklärt Benjamin. „Wenn man zum Beispiel einen wichtigen Anruf erwartet, kann man diesen zulassen, wohingegen beim Flugzeugmodus einfach alles geblockt ist“, sagt er, „außerdem wird eine Liste aller auf dem Handy installierten Apps angezeigt, aus der man dann ganz genau auswählen kann, welche gesperrt werden sollen.“ Und: Wer vor Ende der festgelegten Lernzeit wieder auf das Handy zugreifen will, muss erst einen sehr langen Text abtippen, um das Telefon wieder freizuschalten.
Unterstützung für ihr Vorhaben haben die beiden Physiker beim so genannten „Fünf-Euro-Business“ bekommen. Das ist eine Initiative, die junge Unternehmensgründer wie Johannes und Benjamin in der Anfangsphase unterstützt – so zum Beispiel mit Hilfe von Wirtschaftscrashkursen und der Zuteilung eines Wirtschaftspaten, der die Jungunternehmer berät.
Etwas Eigenes machen, ein Start-up gründen und sehen, was daraus wird, das ist vor allem Johannes wichtig. Der 21-Jährige trägt einen dunklen Pullover und ein Karohemd, ist etwas zurückhaltender, hört viel zu, während sein Kollege Benjamin spricht. Dennoch weiß er, was er will: „Wir sind ja beide Physiker und wollten einfach mal etwas anderes machen. Ich will nicht am Ende aus meinem Studium rausgehen und sagen müssen‚ ich habe nur Physik gesehen.“ Benjamin nickt zustimmend.
Die Idee für die App kommt natürlich aus der eigenen Erfahrung: „Wir sind beim Lernen wirklich dauernd abgelenkt“, gibt Benjamin zu. Und anscheinend sind die beiden damit nicht allein: Circa 1500 Mal ist die App bisher heruntergeladen worden, 50 Prozent der Nutzer kommen aus Amerika. Die Kundenzufriedenheit ist unterschiedlich, wie die Rezensionen im Google Play Store zeigen, wo die App gratis zum Download steht. Der Markt hier ist allerdings etwas eingeschränkt: Stay Focused gibt es nur für Android, eine iPhone-Version wird auch nicht folgen, da Apple den Zugriff auf andere Apps nicht zulässt.
Jedoch haben die beiden Physiker schon längst eine zweite App auf den Markt gebracht. Mit „Care 4 your kid“, das vom Konzept her an die erste App angelehnt ist, können Eltern die Handynutzung ihrer Kinder kontrollieren. „Es gibt viele Apps, die Kinder in ihrer Handynutzung einschränken, aber keine von denen sperrt konkret Funktionen, wie zum Beispiel, dass man ein bestimmtes Spiel nur eine halbe Stunde am Tag spielen kann“, sagt Benjamin. Anders als die Lern-App, die sich durch Werbung finanziert, ist diese Anwendung allerdings kostenpflichtig.
Auch eine dritte App ist schon in Planung. Zuvor wartet auf die zwei Studenten allerdings noch eine Hürde: die Bachelor-Arbeit, die dieses Semester geschrieben werden muss. Auch dafür lassen sie sich dank ihrer App nicht vom Geblinke ihres Telefons verleiten. Die einzige potenzielle Ablenkung: Die Bibliotheksnutzerin im kurzen Rock, die auf der Leiter steht und den Bachelor-Kandidaten ihren Po präsentiert. Dagegen gibt es keine App, aber das ist auch gut so.