Ein junges Kollektiv klärt über Kolonialgeschichte auf, Musiker schreiben zusammen einen Song – Nachrichten aus dem jungen München.
Von Nicole Salowa und Luca Lang
München Lebt. Menschen und mehr.
Ein junges Kollektiv klärt über Kolonialgeschichte auf, Musiker schreiben zusammen einen Song – Nachrichten aus dem jungen München.
Von Nicole Salowa und Luca Lang
Hohe Mieten, wenig Raum: München ist kein gutes Pflaster für Subkultur. Moritz Ebnet und Julian Borngräber, beide 25, versuchen es jetzt anders. Ohne kommerziellen Druck.
Ein kleines Häuschen, vier auf vier Meter, unter einer Bahntrasse nahe am Kolumbusplatz. Drumherum ein kleiner Gemeinschaftsgarten, auf Neudeutsch: Urban-Gardening. Daneben steht ein Dixie-Klo – das also soll sie sein, die Hoffnung für junge, experimentierfreudige Münchner? Wenn hier von Häuschen die Rede ist, ist schon alleine das eine maßlose Übertreibung. Schuppen trifft es eigentlich besser. Der Holzverschlag erinnert eher an Schrebergarten als an etwas, das man Haus taufen würde. Und doch: Was hier geschieht, könnte eine Alternative zur teilweise festgefahrenen Kulturszene in München sein.
Moritz Ebnet und Julian Borngräber, beide 25 Jahre alt, hatten vor einiger Zeit eine Idee. Sie wollten „einfach was machen“. Das klingt als solches nicht gerade revolutionär: junge Leute, die sich ausprobieren wollen – einfach wild drauf los, ohne festes Ziel. Aber was aus der Idee wurde, hat mehr Potenzial als man vielleicht vermuten mag: eine neue Form, in München Kultur zu organisieren, nicht kommerziell und im kleinen Rahmen.
Zuerst aber zurück zu der Idee. Angefangen hat alles mit einem kleinen Heimkino in Moritz’ Keller, für sich und seine Freunde. Für Moritz, der sich schon lange für Kino begeistert und bereits ein Open-Air-Kino in Rosenheim veranstaltet hat, ein logischer Schritt, seinen Tatendrang auszuleben. Seitdem das Kino eingerichtet ist, trifft sich der gesamte Freundeskreis hier regelmäßig zum Filme schauen, zum abhängen und diskutieren. So ist eine Gruppe von jungen Menschen entstanden, die etwas schaffen wollten. Schnell war klar, dass noch mehr möglich ist. „Und wie es halt so ist, hat sich was ergeben“, sagt Moritz. Dabei grinst er über das ganze Gesicht. Denn genau zu dieser Zeit hatte sein Vater einen Schuppen als Abstellraum gemietet. „Wir wussten von dem Raum, sind hier irgendwann im November völlig übermüdet reinmarschiert – und fanden es richtig gut. Danach sind wir begeistert um die Ecke Schweinebratenessen gegangen und haben überlegt, was wir daraus machen könnten.“
Entstanden ist ein kleiner gemütlicher Raum, in dem die Freunde ihre Kreativität ausleben können. Es ist zwar nicht viel Platz und ein Eck des Raums dient immer noch als Abstellkammer – doch was aus dem Schuppen wurde, ist durchaus ansehnlich. Links neben der Eingangstür stehen Plattenspieler und Mischpult, daneben eine alte, schlichte Couch. Gegenüber ein paar Kinosessel. Die Wände sind anthrazitfarben gestrichen, bis auf die Rückwand. Dort, hinter der Bar, hängt noch immer eine Tapete mit Mohnblumenmuster. Sie stammt noch aus der Zeit, als das Häuschen ein Obststandl war und gibt dem Projekt seinen Namen: Mohnbar.
Aber eigentlich ist es auch egal, wie es innen aussieht. Denn zentral ist, was drinnen passiert. Der gesamte engere Freundeskreis wirkt mit. Sie veranstalten kleine, um nicht zu sagen winzige Konzerte oder legen zusammen auf. „Es ist ein Ort des Austauschs“, sagt Julian. „Um Party geht es nicht“, fügt Moritz hinzu. Freunde spielen beispielsweise vor kleinem Publikum ihre eigenen Lieder. Jeder, der etwas Künstlerisches macht, kann sich hier ausprobieren. Von Kultur oder gar Subkultur wollen die beiden aber nichts wissen, denn Kultur klingt zu hochgestochen, fast schon arrogant. Einfach tun, was Spaß macht, „ohne es sich auf die Fahne zu schreiben“, ist die Devise.
Die Gruppe geht weit über Julian und Moritz hinaus. Mittlerweile sind sie „zu sechst oder zu siebt“, sagt Julian. Das ist aber nur der engere Kreis. Bereits jetzt scheint nicht mehr so klar zu sein, wer genau was beigesteuert hat. Ein richtiges Gemeinschaftsprojekt eben. Und das zeichnet die Mohnbar auch aus. Denn öffentlich läuft hier nichts – und das ist die Besonderheit: Alle Veranstaltungen sind nur für Freunde zugänglich. Privat also. Nicht, weil sie keine Lust darauf hätten, sondern weil es nicht anders geht. „Wer etwas öffentlich machen möchte, muss eine riesige Latte an Auflagen erfüllen“, erklärt Moritz. Versicherungen, Genehmigungen, Lizenzen. „Außerdem steigen die Kosten ständig.“
All das hat er schon persönlich miterlebt. Freunde von ihm hatten versucht, das „Maxim“, ein Kino in der Landshuter Allee, zu erhalten. Vor kurzem musste es schließen. Der finanzielle Druck war einfach zu groß. Das Projekt „Mohnbar“ in seiner derzeitigen Form kann also nur bestehen, weil es nicht kommerziell ist. Es gibt keine Lohnzahlungen und keine laufenden Kosten – mit Ausnahme des Dixie-Klos. Jeder, der mitarbeitet, macht das freiwillig und zahlt manchmal sogar drauf. Die „Mohnbar“ läuft komplett unkommerziell und war von Anfang an so konzipiert. „Ich habe das Gefühl, dass in den Köpfen der Leute verankert ist, dass alles einen Nutzen haben muss, Geld bringen muss“, sagt Julian.
Für ihn ist die logische Konsequenz aus dem Platz- und Kostendilemma in München, Dinge privat zu organisieren. Einigermaßen kostendeckend, aber nicht gewinnorientiert. Julian schweift ab. Er beginnt zu schwärmen vom Berlin der Neunzigerjahre, von Daniel Pflumm, einem Künstler, der auch angefangen hat wie sie: mit einem Leerstand. Daraus wurde eine Galerie, später ein Club. Einfach das, was ihm Spaß gemacht hat. Natürlich ist der Maßstab anders. Zwischen dem Ostberlin der Wende und München liegen Welten. Doch man versteht ein bisschen, worum es geht, wenn sie alle zwei Wochen die Mohnbar öffnen.
Schade nur, dass das eben nur sehr wenige miterleben können. Aber auch darüber hat sich Moritz bereits Gedanken gemacht. Er hat die Idee, einen Verein zu gründen, „wie einen Kegelklub oder eine Fußballmannschaft“. Dann könnte das Ganze ein bisschen größer werden. Außerdem bietet ein Verein weitere Vorteile: bei Versicherungen, oder wenn man Zuschüsse beantragt.
Sollte das klappen, wäre eine solche Organisationsstruktur auch für andere denkbar, die etwas machen wollen und Subkultur in München weiter voranbringen wollen. Die Idee, mehr privat oder als Verein zu organisieren – nicht kommerziell versteht sich –, birgt einiges Potenzial für München. Aber alles zu seiner Zeit. Denn natürlich haben die beiden bereits andere Pläne, die zuvor umgesetzt werden müssen. Eine achtköpfige Funkband aus Japan soll bald in der Mohnbar auftreten. „So viele Leute passen hier niemals rein“, sagt Moritz und grinst verschmitzt. „Vielleicht machen wir einfach einen Biergarten draus.“
Von: Lukas Haas
Foto: Nico Pfau