Theresa hat eigenltich immer frisch gebackenen Kuchen zuhause. Ihr Freund Miguel weiß das, und steht nicht selten unangemeldet vor der Tür und klingelt Sturm. Trotz aller Unterschiede, gibt es keinen Menschen, dem Theresa lieber Kuchen auf den Teller häufen würde. Eine weitere Kolumne aus unserer Reihe “Zeichen der Freundschaft”.
Er steht einfach vor meiner Tür. Angekündigt nur vom ohrenbetäubenden Klingeln meiner Türglocke. Und meistens einer merkwürdigen Ansage durch die Sprechanlage: „Hier ist der Rettungsdienst, wir haben gehört, dass bei Ihnen ein Feuer ausgebrochen ist?“, „Hier der örtliche Metzger, Sie haben 10 kg Pferdefleisch bestellt?“
Meistens verstehe ich den Witz erst, wenn er vorbei ist, und ich einmal wieder auf ihn hereingefallen bin. Dann sitzt Miguel auch schon an meinem Esstisch und klopft sich mit seiner dünnen Hand auf seinen dünnen Schenkel vor Lachen. „Du hast es wirklich geglaubt.“ Ich ziehe eine finstere Miene und hebe den Zeigefinger „Aufpassen, oder du kriegst keinen Kuchen.“ Das zieht. Immer.
Manchmal witzelt Miguel, er würde nur zu mir kommen, weil er weiß, dass die Wahrscheinlichkeit zumindest nicht klein ist, in meiner Küche nicht nur mich in Jogginghose, sondern auch einen Kuchen anzutreffen. Apfelschmand, Käse-Pfirsich-Mohn, Kirsch-Streusel oder Karotte-Ananas-Walnuss.
Aber interessanterweise weiß ich, dass für Miguel meine Kuchen nur an zweiter Stelle, nach meiner Gesellschaft stehen. Das weiß ich, obwohl Miguel und ich ständig darüber streiten, ob Keira Knightly jetzt hübsch ist oder nicht, ob es fies ist, über dicke Menschen zu lästern oder ob es in Ordnung ist, an Halloween kleine Kinder zu Tode erschrecken, indem man sich eine dieser Messerattrappen aufsetzt, die aussehen, als hätte einem jemand den Kopf gezweiteilt. Ich weiß, dass Miguel mich mag, nicht nur weil er mir die schönste Zeichnung einer Ballerina zu Weihnachten schenkt oder mich mit dem Fuchs aus „Der kleine Prinz“ vergleicht. Das weiß ich, weil er der erste Mensch ist, bei dem ich nicht Angst habe, er könnte mich aufgrund meiner Aussagen verurteilen. Und weil er auf der anderen Seite der erste Mensch ist, dem ich es verzeihen kann, dass er Keira Knightly wunderschön findet, Übergewicht abstoßend und Kinder-Erschrecken am liebsten zur olympischen Disziplin erheben würde.
Und vielleicht weiß ich es auch, weil er trotz all unserer Unterschiede in unregelmäßigen Abständen unangekündigt an meiner Tür klingelt und ich ihm liebend gerne nicht nur ein, sondern zwei oder drei Stück Kuchen auf seinen Teller hebe.
Von: Theresa Parstorfer
Foto: Yunus Hutterer